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Pro & ContraSollen Frauen im Freibad genauso oben ohne schwimmen dürfen wie Männer?

Lesezeit 6 Minuten
Ein Bikinioberteil liegt am Rand von einem Schwimmbecken.

Ein Bikinioberteil liegt am Rand von einem Schwimmbecken. (Symbolbild)

  1. In Göttingen dürfen seit dem Mai 2022 Frauen und Männer in den städtischen Schwimmbädern ohne Oberteil schwimmen. Berlin zog inzwischen nach.
  2. Auch in Köln soll dies ab dem 1. April möglich sein, wie die Kölnbäder gegenüber dem„ Kölner Stadt-Anzeiger“ mitteilten.  
  3. Rebecca Lessmann findet das gut, denn wirkliche Gleichstellung werde nur erreicht, wenn der Frauenkörper nicht mehr verhüllt werden muss.
  4. Tanja Wessendorf ist der Meinung, dass weibliche Brüste nicht das Gleiche sind wie ein Männer-Oberkörper, für Sinnlichkeit stehen und deshalb nicht zur Schau gestellt werden sollten.

KölnPro – Rebecca Lessmann sagt: Wirkliche Gleichberechtigung kann es nur geben, wenn der Frauenkörper nicht mehr verhüllt werden muss.In Göttinger und Berliner Schwimmbädern dürfen Frauen oben ohne schwimmen gehen. Auch in Köln wird für Frauen ab dem 1. April das Bikinioberteil im Schwimmbecken nicht länger vorgeschrieben. Woanders gilt diese Regel aber noch nicht. Das ist ernüchternd.

Ernüchternd, dass wir uns im Jahr 2023 noch darüber streiten, ob Frauen ihre Brüste in der Öffentlichkeit verdecken müssen, während nackte Männeroberkörper längst so normal sind, dass man sie (meistens) keiner zwei Blicke würdigt.

Rebecca Lessmann

Rebecca Lessmann

Rebecca Lessmann, Jahrgang 1993, ist Redakteurin im Ressort Freizeit & Ratgeber/Magazin. Studierte English Studies und Deutsche Sprache und Literatur an der Universität zu Köln und volontierte anschli...

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Frauen können in Deutschland heute so selbstbestimmt leben wie nie zuvor, erkämpfen sich stetig mehr Raum in der Berufswelt und schaffen es immer öfter, die gläserne Decke in die Chefetagen dieses Landes zu durchbrechen. Gut so! Aber wirkliche Gleichstellung von Frauen und Männern muss bedeuten, dass auch der weibliche Körper nicht länger tabuisiert, verhüllt und verschwiegen wird! Gleichberechtigung muss bedeuten, dass Frauen denselben Respekt wie Männer erfahren, und trotzdem Frau sein dürfen!

Weibliche Brüste sind weder provokant noch vulgär – sie sind normal

Sobald Mädchen zu Frauen werden, bekommen wir noch immer eingetrichtert, dass der eigene Körper mit seinen neuen Rundungen auf einmal nicht mehr mit der gleichen Leichtigkeit wie als Kind gekleidet, bewegt, gezeigt werden darf. Plötzlich müssen wir aufpassen, welche Kleidung wir tragen, bemerken vielleicht unangenehme Blicke von manchen Männern, wenn wir uns aus Versehen zu weit nach vorne beugen.

Die Konsequenz ist, dass Frauen zwar mittlerweile eigene Konten, Wohnungen und Arbeitsverträge haben, aber oft noch immer nicht selbstbestimmt über ihren Körper entscheiden können. Der weibliche Körper: Darüber bestimmen immer noch andere. Das zeigt die aktuelle Abtreibungsdebatte in den USA, das zeigt aber auch die anhaltende Sexualisierung des weiblichen Körpers in der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Dass man es als provokant oder sogar als vulgär oder gefährlich empfinden kann, wenn Frauen frei entscheiden dürfen, oberkörperfrei schwimmen zu gehen, sagt einiges über die alltägliche, standardmäßige Objektifizierung von Frauen aus.

Die weibliche Brust muss dringend entsexualisiert und vor allem normalisiert werden. Das gilt für Schwimmbecken oder Badeseen, ebenso wie für stillende Mütter, die sich noch immer verschämt in eine Ecke verziehen müssen, um ihr Kind zu versorgen. Mädchen sollten in der Pubertät nicht länger vermittelt bekommen, dass ihr Körper ab jetzt etwas Gefährliches ist, das es zu verstecken gilt. Wir können noch so viele Debatten über Gleichberechtigung führen, solange der weibliche Körper abwechselnd als beschämend oder als Lustobjekt betrachtet wird, kann es keine wirkliche Gleichstellung zwischen Mann und Frau geben. Frauen sollten also oben ohne schwimmen gehen dürfen, wenn sie das möchten. Nicht nur an zwei Tagen in der Woche, sondern immer. Und nicht nur in Göttingen oder Köln, sondern überall.

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Contra – Tanja Wessendorf findet, dass weibliche Brüste nicht das Gleiche sind wie ein Männer-Oberkörper, für Sinnlichkeit stehen und deshalb geheimnisvoll bleiben sollten.

Noch bevor Sie ein einziges Wort lesen, möchte ich zu meiner Verteidigung sagen, dass ich natürlich keiner Frau auf der Welt vorschreiben möchte, ob sie ihre Brüste zeigt oder nicht. Bitte, nur zu. Trotzdem habe ich eine klare Meinung zur Frage, ob Frauen oben ohne im Freibad schwimmen gehen sollten. Ich bin dagegen. Ich bin aber nicht deshalb dagegen, weil ich nackte Brüste unmöglich oder anstößig finde. Warum auch, sie sind etwas völlig Normales. Ich bin dagegen, weil hinter dem Vorstoß die seltsame Idee steckt, dass ein Frauen-Oberkörper gefälligst genauso behandelt werden sollte wie ein Männer-Oberkörper. Das passt einfach nicht.

Tanja Wessendorf

Tanja Wessendorf

ist Redakteurin im Ressort Freizeit & Ratgeber/Magazin und arbeitet mit kurzen Unterbrechungen (Kinder, Jobs bei phoenix und der Deutschen Welle) seit 2008 beim Kölner Stadt-Anzeiger. Sie hat in Berli...

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Vorreiter der Idee, dass alle Menschen ohne Oberteil schwimmen dürfen sollten, ist das feministische Bündnis „Gleiche Brust für alle“ aus Göttingen, wo Frauen seit Mai 2022 in städtischen Bädern oben ohne schwimmen dürfen. Initiiert hat die Neuregelung Mina Berger, die eigentlich anders heißt, aber anonym bleiben möchte. Berger identifiziert sich als non-binär, also weder als Frau noch als Mann. Ohne „am Körper klebendes Oberteil“ habe Berger sich im Wasser wohler gefühlt, war deshalb aber aus dem Schwimmbad geworfen worden.

Warum ist ein nackter Männeroberkörper okay, nackte Brüste aber nicht? Diese Kernfrage beschäftigt seitdem Aktivistinnen in ganz Deutschland, in Köln setzen sich Volt und die Grünen für das Oben-ohne-Schwimmen ein. Für Frauen soll es an Orten, an denen Männer das dürfen, ebenso erlaubt sein, ihren Oberkörper zu enthüllen. Der weibliche Körper müsse entsexualisiert werden.

Weibliche Brüste stehen auch für Sinnlichkeit und Sex

Ich habe sämtliche Empörungs-Mails schon mit eingepreist, aber ich sage: Das ist Unsinn, sorry. Die Brüste einer Frau sind nicht nur Geschlechtsmerkmale, sondern sie stehen abgesehen von all' den anderen tollen Dingen, die sie können, eben auch für Sinnlichkeit und Sex. Ist einfach so. Deshalb sollte dieser tolle Körperteil geheimnisvoll bleiben und nicht überall herumgezeigt werden. Das heißt natürlich nicht, dass eine nackte Brust automatisch Sex bedeutet. Aber man kann nicht so tun, als sei ein Busen genau das Gleiche wie ein männlicher Oberkörper. Das geht einfach nicht.

Was würde das weiter gedacht bedeuten? Wenn man schon ohne Bikini-Oberteil herumläuft, warum dann nicht gleich auch das Höschen ausziehen? Wäre nur konsequent. Und die Männer könnten dann auch die Badehose weglassen und ihren Penis zeigen. Warum nicht. Ist doch dann alles das Gleiche.

Sie können mich gerne eine alte, weiße, spießige Frau nennen, aber ich bin dafür, dass jeder Mann, jede Frau und jeder Mensch, der sich keinem dieser beiden Geschlechter zugehörig fühlt, seine Geschlechtsorgane im Schwimmbad – und bitte auch an allen anderen öffentlichen Plätzen – bedeckt. Ich finde diese Regelung ganz wunderbar. Wer gerne nackt schwimmen möchte, was ja wirklich ein super schönes Gefühl ist, muss sich dafür dann an die entsprechenden FKK-Strände begeben. Da sind sich dann auch alle einig, dass es ok ist, die anderen nackt zu sehen. Ich erinnere mich daran, wie ich vergangenen Sommer mit den Kindern am See schwimmen war und ein nackter Mann auf einem Stand-Up-Paddling-Boot an uns vorbeizog. Ich war darauf nicht vorbereitet und fand den Anblick nicht schön. (Wie gesagt, Sie dürfen mich gerne spießig und verklemmt nennen.)

Welche Frau setzt ihre Brüste freiwillig den gierigen Männerblicken aus?

Mal ganz davon abgesehen, kenne ich keine Frau, die freiwillig mit nackten Brüsten ins Schwimmbad gehen und sich den gierigen Blicken der Männer aussetzen würde. Und diese Blicke gibt es ja nun mal. Da können noch so viele feministische Initiativen fordern, dass das nicht geht. Warum sollte man das freiwillig tun? Mich schüttelt es jedes Mal, wenn bei den TV-Umfragen zu diesem Thema die befragten Männer grinsend sagen: „Höhö, ich fände es super, wenn die Frauen ohne Oberteil schwimmen würden. Kommt aber natürlich auch auf die Frau an. Höhö.“ Das ist natürlich nicht schön. Aber leider die Realität.

Nein, liebe Initiative „Gleiche Brust für alle“, wir sind noch ganz weit entfernt davon, dass eine Frauenbrust genauso behandelt wird wie eine Männerbrust. Und das ist auch gut so.