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Locker bleibenSo sprechen Sie mit Ihren Kindern über Sex, ohne dass es peinlich wird

Lesezeit 8 Minuten
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Mit Teenagern muss man irgendwann über Verhütungsmittel wie Kondome reden. 

  1. Viele Eltern wissen nicht so recht, wie sie mit ihren Kindern über Sex und Verhütung reden sollen.
  2. „Am besten so entspannt wie möglich bleiben”, rät Benjamin Scholz, der den Youtube-Kanal „Jungsfragen” betreibt und mit vielen Jugendlichen spricht.
  3. Hier gibt er Tipps, wie man am besten aufklärt – in jedem Alter.

Köln – Wie macht man das bloß? Mit den Kindern über Sex reden? Soll man sich mit ihnen bewusst hinsetzen und sagen: „So, jetzt erkläre ich dir mal, woher die Babys kommen!“ Oder lieber nach der Devise handeln: „Keine Fragen beantworten, die nicht gestellt wurden?“ Und wie spricht man mit Teenagern über Sex, Vorlieben, Selbstbefriedigung und Verhütung? Alles nicht so einfach, für beide Seiten.

„Am besten ist, man geht ganz entspannt an das Thema heran“, empfiehlt Benjamin Scholz (39), der seit fünf Jahren den Youtube-Kanal „Jungsfragen“ betreibt. Hier stellen ihm Jugendliche alle Fragen rund um Körper, Sex und Pubertät, die ihnen auf der Seele brennen. Scholz beantwortet sie ohne Berührungsängste. Das wissen die Jugendlichen zu schätzen: knapp 200.000 Abonnenten und 38 Millionen Aufrufe hat der Kanal. Ursprünglich wollte er jeden Samstag ein neues Video posten, in dem eine bestimmte Frage beantwortet wird, beispielsweise: „Wie wasche ich mich richtig?“ „Meine Vorhaut ist zu eng.“ „Warum ist mein eines Ei größer als das andere?“ Weil sich die Anfragen mittlerweile stapeln, beantwortet Scholz in der Serie „Sexytime“ weitere Fragen direkt hintereinander weg, so dass hier mehrere Themen abgedeckt werden können.

„Am häufigsten kommt die Frage: Bin ich normal?”

Benjamin Scholz beantwortet aber nicht nur im Internet, sondern auch im echten Leben die Fragen der Jugendlichen und geht dafür zum Beispiel in Schulklassen. Den Kanal betreibt der selbstständige Medienproduzent aus Köln nebenberuflich.„Am häufigsten fragen sich die Jungs: Bin ich normal? Die Top-1-Frage ist die nach der richtigen Penislänge, dann geht es oft um die Vorhaut und auch um die sexuelle Orientierung, die Frage, auf was man steht“, berichtet Scholz. Dumme Fragen gibt es bei ihm nicht. Sein Anspruch: Jede Frage wird absolut ernst genommen. Es wird alles erklärt, egal, wie absurd es ist. „Die größten Mythen begegnen mir immer noch rund um die Selbstbefriedigung. Zum Beispiel: ‚Man kann nicht beliebig oft ejakulieren‘ oder ‚Davon verschieben sich die Augen‘“, erzählt Scholz.

In Clubs über Geschlechtskrankheiten gesprochen

Angefangen hat alles mit einem Gefallen für einen Freund, der für sein Studium Teilnehmer für eine Veranstaltung zum Thema sexuell übertragbare Krankheiten brauchte. „Mich hat das so abgeholt, dass ich dabei geblieben bin und fortan ehrenamtlich vor Ort gearbeitet habe. Das bedeutet, man zieht in Köln so durch die Clubs und Diskos und versucht, den Leuten etwas über sexuell übertragbare Krankheiten beizubringen – da ist man natürlich je nach Situation nicht immer sehr beliebt.“ Im Zuge dieser Arbeit lernte er schließlich die Jugendprävention kennen und begann mit der Arbeit in Schulen. „Da ist mir aufgefallen, dass alle die gleichen Fragen stellen, ich sehr schnell einen Draht zu Jugendlichen bekomme und zudem über Sex-Themen sprechen kann, ohne dass ich mich verbiegen muss“, erzählt Scholz.

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Aber wie soll man es nun machen mit der Aufklärung? Benjamin Scholz beantwortet die wichtigsten Fragen:

Ab wann sollte man Kinder überhaupt aufklären?

Das ist sehr unterschiedlich. Jugendliche haben auf jeden Fall irgendwann dieses Interesse. Das kommt von ganz alleine. Das kann aber auch schon viel früher anfangen. Man kann jedes Kind an dieses Thema heranführen, nur eben altersgerecht. Einem Sechsjährigen muss man es vielleicht etwas bildlicher und sehr oberflächlich erklären, man muss ja auch nicht alles sagen. Man muss ja das Kind mit diesen Informationen nicht füttern, sondern lediglich vernünftig und neutral die gerade gestellte Frage beantworten und bei weiteren Fragen zur Verfügung stehen.

Die grundsätzlichen Fragen zu den Unterschieden von Männern und Frauen oder der Frage nach den Babys tauchen ja meist noch viel früher auf. Auf einmal ist das Interesse da und da muss man jetzt einfach Gesprächsbereitschaft zeigen und cool mit den Fragen umgehen. Es schadet auch nicht, sich schon vorher einmal Gedanken zu machen, was man auf verschiedene Fragen antworten würde. Die erste Reaktion der Eltern ist für die Kinder entscheidend. Wie Eltern auf so eine Frage reagieren, vergessen Kinder nie. Im schlimmsten Fall merken sie sich, dass man über alle sexuellen Themen lieber nicht spricht und dass das irgendwie komisch ist.

Wie klärt man als Eltern seine Kinder richtig auf?

Das ist bei jeder Familie ganz individuell und kommt auch auf die Bindung zwischen Eltern und Kind an. Mein Ratschlag ist, absolute Gesprächsbereitschaft zu zeigen. Zu sagen: „Wenn du Fragen hast, du kannst wirklich alles fragen.“ Immer signalisieren, dass alles okay ist und man über alles sprechen kann. Anbieten, dass die Kinder kommen können, wenn sie zum Beispiel im Internet etwas Verstörendes gesehen haben.

Es schadet auch nicht, pro-aktiv an die Geschichte heranzugehen und sich zum Beispiel Lektüre zu besorgen, die man den Kindern einfach hinlegt und signalisiert: „Lies‘ es und falls du Fragen hast, melde dich!“ Irgendwann entwickeln die Kinder ein Interesse daran. Es gibt aber kein magisches Alter, in dem das passiert. Das kann auch zwischen Tür und Angel sein. Also am besten ruhig mal sagen: ‚Pass mal auf, mega-peinliches Thema, hier sind Kondome, die sind wichtig‘.“

Alle Formen der Sexualität miteinbeziehen!

Nicht automatisch voraussetzen, dass das Kind heterosexuell ist. Immer offen sein und alle Möglichkeiten mit ansprechen, zum Beispiel: „Wenn du mit deinem Freund oder deiner Freundin im Bett liegst“. Das auch nicht besonders heraus stellen, sondern es als absolut selbstverständlich betrachten, dass es auch in eine andere Richtung gehen könnte. Einfach dem Kind signalisieren: „Es ist alles möglich und egal, wie du dich verhältst, es ist alles gut. Du bist bei uns an der guten Adresse und wir grenzen dich wegen nichts aus.“

Viele haben schon Pornos gesehen, wissen aber nicht, wie man sich bei echtem Sex verhält. Wie geht man damit um?

Ich sage in meinen Videos bewusst nichts zu Stellungen oder ähnlichem, weil ich den Jugendlichen klar machen möchte, dass Sex etwas sehr Individuelles ist. Jugendliche haben durch Pornos ein vermeintliches Wissen darüber, wie Sex funktioniert. Ich sage in fast jeder „Sexytime“, dass Pornos gerade im Pubertätsalter zum Problem werden können, weil man sich an dieses Überangebot gewöhnt und immer nach dem Optimum sucht. Wenn man dann später mit seinem Partner oder seiner Partnerin im Bett liegt, dann holt einen diese Situation auf einmal überhaupt nicht mehr ab, weil es langweilig ist. Weil es eben nicht so ist wie im Porno. Da sage ich dann immer gerne: Sucht euch einen, vielleicht zwei Tage in der Woche zum Pornoschauen aus, aber die restlichen Tage nutzt ihr bitte eure Phantasie, weil das wesentlich besser für euch ist.

Mädchen und Jungs in Schulen lieber getrennt oder zusammen aufklären?

In der Regel ist es besser, wenn man geschlechtergetrennt unterrichtet, weil die Schüler und Schülerinnen sich mehr öffnen, wenn sie unter sich sind. Mädchen und Jungs reagieren auch unterschiedlich auf eine bestimmte Ansprache. Bei Jungs könne man etwas derber und schneller zur Sache kommen, Mädchen brauchen ein bisschen mehr Zeit und Vertrauen. „Man kümmert sich erst um das Emotionale und dann kommt das Körperliche und bei Jungs ist es genau umgekehrt.“

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Buchtipp: Benjamin Scholz: Jungsfragen. Alles, was du über deinen Körper, Sex und Pubertät wissen musst, Rowohlt Taschenbuch, 10 Euro

Zum Weiterlesen:

Für Kinder:

Katharina von der Gathen, Anke Kuhl: Klär mich auf. 101 echte Kinderfragen rund um ein aufregendes Thema. Klett Kinderbuch, 15,50 Euro

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Das Buch ist eigentlich ein Block voller echter Fragen von vielen verschiedenen Kindern: Katharina von der Gathen ist Sexualpädagogin und bietet an Grundschulen Aufklärungs-Workshops für Kinder an. Hier hat sie anonym die wichtigsten Fragen gesammelt, zum Beispiel: Kann eine Oma Kinder kriegen? Warum stöhnen alle beim Sex? Wie macht man Sex? Kann man dabei sterben? Wie lang wird ein Penis? Die Illustratorin Anke Kuhl hat die Fragen mit liebevollen und lustigen Bildern ausgeschmückt. Da alle Fragen einzeln auf einem Blatt behandelt wird, kann man sich mit seinen Kindern Stück für Stück mit dem Thema beschäftigen, ohne sie zu überfordern. Für die, die auf den Geschmack gekommen sind, gibt es noch die Fortsetzung: „Klär mich weiter auf“, das sich viel mit der Pubertät beschäftigt.

Für Mädchen:

Lucia Zamola: Rot ist doch schön. Fun & Facts rund um das Thema Menstruation, Bohem Verlag, 14,95 Euro

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Obwohl sie jede Frau von der Pubertät bis zu den Wechseljahren betrifft, ist die Menstruation ist immer noch kein Thema, über das viel gesprochen wird. Das führt gerade bei Mädchen, die das alles zum ersten Mal erleben, zu Unsicherheit. Lucia Zamolo möchte das mit dem Buch „Rot ist doch schön. Fun & Facts rund um das Thema Menstruation“ ändern. Im Zentrum steht die Frage, warum es so schwierig ist, über das Thema zu sprechen. Zamola wehrt sich dagegen, dass Frauen und Mädchen nicht über ihre Probleme bei und mit der Menstruation reden können. Um aufzuzeigen, wie viel Unsinn noch immer über die Menstruation im Umlauf ist, hat Zamola außerdem Zitate und Bräuche aus aller Welt zusammengetragen, die zeigen, wie wenig die meisten darüber wissen.

Für Jungs

Inti Chavez Perez: respect. Das Sexbuch für Jungs, Heyne Verlag, 9,99 Euro

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Was mögen Mädchen? Was mögen Jungs? Wie soll ein Penis aussehen? Wie soll er sich anfühlen? Sind Pornos in Ordnung? Wie schütze ich mich selbst und wie sage ich Nein? Wie setze ich Grenzen für mich und andere? Diese und weitere Fragen beantwortet der in Schweden sehr bekannte Autor Inti Chavez Perez in seinem Buch.

Für Jugendliche

Ann-Marlene Henning und Tina Bremer-Olszewski: Make Love. Ein Aufklärungsbuch. Mit Fotografien von Heji Shin, Goldmann Verlag, 12 Euro

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Das Buch lässt sich so zusammenfassen: Sex: Drei Buchstaben, tausend Fragen. Das Buch richtet sich auf eine coole Art an Jugendliche und beantwortet Fragen zu Masturbation, dem ersten Mal, sexueller Identität und Geschlechtskrankheiten. Authentische und teilweise explizite Fotos von echten Sex-Situationen runden das Buch ab. Unter dem Titel „Make more Love“ gibt es das Buch auch für Erwachsene. Hier werden speziell Themen rund um das Älterwerden behandelt.

Sex Education auf Netflix, der bessere Sexualunterricht? (hier lesen)

Die Serie „Sex Education” auf Netflix beschäftigt sich ebenfalls auf sehr sympathische Weise mit Aufklärung. Es geht um Jugendliche in einer High School, die mit den unterschiedlichsten Sex-Problemen zu kämpfen haben.