Studie zur VereinbarkeitWürden Mütter öfter Karriere machen, wenn sie könnten?
Wie ist sie, die moderne Frau von heute? Sie erklimmt mit großen Schritten die Karriereleiter, bekommt zwischendurch (schnell) zwei Kinder und schafft neben Dienstreise und Abendmeeting sogar noch ein bisschen Haushalt. Sie hat alles und kriegt alles unter einen Hut, oder?
Die Realität sieht bei den meisten Müttern (und auch Vätern) natürlich etwas anders aus. Familie und Karriere zu vereinbaren, das ist eine ewige Herausforderung, ein tägliches Jonglieren, Improvisieren und Verhandeln. Die Tage sind vollgepackt, der Alltag stressig, für nichts ist genug Zeit. Gerade die 31- bis 40-Jährigen leben ihn jeden Tag, den Konflikt zwischen beruflichem Streben und privaten Belangen. Und viele müssen erfahren: Karriere und Familie geht zeitlich nicht wirklich gut zusammen.
Nur ein Drittel der Frauen strebt Karriereziele an
Während vor rund 20 Jahren (1992) nur etwas mehr als die Hälfte der Frauen im Alter zwischen 15 bis 64 Jahren (56,0 Prozent) erwerbstätig waren, waren dies im Jahr 2012 bereits 68,0 Prozent der Frauen dieser Altersgruppe (Statistisches Bundesamt, 2014, 15). Viele von ihnen sind aber teilzeitbeschäftigt oder Minijobber.
Eine neue Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat jetzt herausgefunden: Die meisten Beschäftigten streben (auch deshalb) gar keine Karriere an. Nur jeder zweite Mann und nur jede dritte Frau misst demnach einem beruflichen Aufstieg einen hohen Stellenwert bei. Denn der Preis ist bekannt: Verfolgt man Karriereziele, dann heißt das Überstunden und überdurchschnittlicher Einsatz. Und das braucht Zeit, die im Privaten unweigerlich fehlt.
Wer Karriere machen möchte, so die Studie, ist in der Regel dazu bereit, genau diese Mehrzeit in den Beruf zu investieren. Familienorientierte Erwerbstätige stecken im Gegenzug oft bewusst für das Private zurück. Insbesondere Frauen arbeiten wegen der Kindererziehung häufig Teilzeit – 2012 war das laut Statistischem Bundesamt jede zweite Frau; auf der anderen Seite aber nur jeder elfte Mann.
Jobzufriedenheit hängt nicht von Führungsposition ab
Dass Erziehungs-Auszeiten und Teilzeitbeschäftigung automatisch Nachteile im beruflichen Aufstiegsrennen verschaffen, empfinden die betroffenen Frauen laut IW-Analyse nicht unbedingt als Nachteil. Sie sind genauso zufrieden mit ihrer Arbeit wie Männer und wie karriereorientierte Frauen. Ob man glücklich sei mit seinem Beruf hänge allgemein bei familienorientierten Frauen und Männern nicht von einer Führungsposition ab.
Beruf ist nicht gleich Karriere
Diese Ergebnisse lassen freilich ganz verschiedene Schlüsse, Interpretationen und Fragen zu. Bevor man zu vorschnellen Urteilen kommt, sollte man zunächst klar differenzieren zwischen „Beruf“ und „Karriere“. Dass viele Berufstätige einen erfüllenden Job, aber nur ein Teil davon eine steile Karriere anstrebt, ist an sich nicht besonders überraschend. Nicht jeder will Chef werden. Und klar ist auch: eine berufliche Position ohne Führungsverantwortung auszuüben, ist grundsätzlich auch im Rahmen geregelter Arbeitszeiten möglich und mit privaten Interessen leichter in Balance zu bringen.
Eine Vereinbarkeit von Karriere und Familie dagegen sei, so ein Fazit der IW-Analyse, für eine Person nur bedingt möglich und erfordere insbesondere viel Unterstützung. Das heißt jedoch nicht, dass es nicht auch gut klappen kann, beruflichen Aufstieg mit Familie zufriedenstellend zu vereinbaren.
Teilzeit kann auch glücklich machen
Ein zentraler Punkt der Studie liegt doch eher in der Aussage, dass Berufstätige auch mit weniger Karriere und Teilzeitmodellen glücklich sind. Das ist etwas, über das nur selten gesprochen wird. In der aktuellen Diskussion um hochqualifizierte Mütter und die Frauenquote wird logischerweise selten laut betont, dass einige Mütter heute gerne einen Mittelweg anstreben. Sie wollen arbeiten und einen Beruf ausüben - und durchaus einen, der ihnen Spaß macht, sie fordert und erfüllt. Aber sie möchten auch genug Zeit für ihre Kinder haben.
Deshalb entscheiden sie sich manchmal freiwillig gegen Karriere, gegen eine Vollzeitstelle und für längere Elternzeiten und eine Teilzeitposition. Auch immer mehr Männer würden sich solch einen flexiblen, kombinierten Alltag aus Erziehungszeit und Jobzeit wünschen.
Kita- und Finanznot: Oft entscheiden die Bedingungen
Doch Wunsch und Wirklichkeit fallen oft auseinander. Denn es stellt sich natürlich erst die Frage, was überhaupt möglich ist - finanziell und organisatorisch. Nicht selten müssen Familien ein Modell wählen, das sie sich in erster Linie nicht ausgesucht hätten. Wenn das Geld knapp ist, muss natürlich derjenige, der mehr verdient, Vollzeit arbeiten - oder eben beide. Wenn ein Kita-Platz fehlt, wird die Berufstätigkeit des einen automatisch verhindert. Und wenn der Arbeitgeber auf strikte Präsenzzeit im Büro besteht, werden flexible Lösungen, die sich an der familiären Situation orientieren, schwierig.
Vielleicht würden sehr viel mehr Frauen auch mehr arbeiten wollen, würden die Rahmenbedingungen stimmen. Laut IW-Studie bemessen die Befragten die Attraktivität eines Jobs vor allem daran, wie gut dessen angebotene Konditionen in die aktuelle Lebenssituation und die Lebenspläne passen.
Starre Jobwelten: Kapitulieren die Mütter nur vor den schlechten Bedingungen? Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.
Kapitulieren viele Frauen vor der Situation?
Man sollte also zu Recht die Frage stellen, ob die Frauen wirklich nicht möchten oder einfach nur erschöpft vor den Strukturen kapitulieren. Weil sie wissen, dass die allzu starre Jobwelt nicht toleriert, dass man auch mal um 16 Uhr geht oder zuhause arbeitet, um mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. Also setzen sie Prioritäten - und finden sich oft mit weniger ab, als sie womöglich sonst anstreben würden.
„Die Regeln, nach denen Arbeit in Unternehmen funktioniert“, schreiben Susanne Garsoffky und Britta Sembach in ihrem Buch „Die Alles ist möglich-Lüge“, „sind Regeln für Menschen, die dem Unternehmen immer und mit voller Kraft zur Verfügung stehen, die nichts anderes im Kopf haben als ihren Job. Für Menschen mit Kindern, Beziehungen und sozialen Verpflichtungen sind diese Regeln nicht gemacht.“
Mehr Raum für die Männer im Privaten
Auf der anderen Seite müssen auch die Frauen umdenken und zum Beispiel etwas von ihrer Macht zuhause an die Männer abgeben. Noch sind es kurioserweise oft gerade die Frauen, die zum Beispiel einer längeren Elternzeit des Mannes im Weg stehen. Sie müssen mutiger sein und abgeben – gewinnen dafür aber wieder mehr Raum für berufliche Aktion.
Die Gesellschaft braucht berufstätige Mütter
Mehr Frauen im Job zu halten, beziehungsweise wieder mehr Mütter in größerem Umfang zurück in die Arbeitswelt zu bringen, das ist auch ein gesamtgesellschaftliches Ziel. Politik und Wirtschaft rufen derzeit immer lauter: Mütter, bleibt nicht zu lange weg! Zurück in den Job! Die Botschaft an die jungen Frauen ist unmissverständlich. Sie sollen sich auch nach der Geburt des ersten Kindes nicht auf ewig in die Teilzeit verabschieden. Sondern sie sollen zügig wieder richtig einsteigen. Denn Frauen sind qualifizierte Arbeitskräfte, auf die man nicht verzichten kann.
Berufstätigkeit verhindert Abhängigkeit
Auch aus Sicht der Frauen macht das vollkommen Sinn: Warum soll man viele Jahre und noch mehr Energie in eine gute Bildung und Ausbildung investieren, um das Berufsleben dann für viele Jahre fast oder sogar komplett an den Nagel zu hängen. Außerdem ist es vernünftig, schließlich ist die Unabhängigkeit der Frauen auch an ihre Erwerbstätigkeit geknüpft: Wer weniger arbeitet, bezieht kaum Rente und bleibt damit (auch später) vom Partner abhängig. Die ehemalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt plädierte jüngst in einem Interview mit dem SZ-Magazin dafür, dass Mütter schnell wieder auf Vollzeit gehen, auch aus Sicherheitsgründen: „Man kann nicht davon ausgehen, gemeinsam das Rentenalter zu erreichen.“
Damit Eltern überhaupt eine Wahl haben
Natürlich bleibt die Entscheidung, wie viel man arbeiten will, ob man eine Karriere anstrebt, Kinder will und wie diese betreut werden immer Privatsache. Damit Männer und Frauen aber überhaupt eine Wahl haben, braucht es die richtigen Rahmenbedingungen. Der Ruf nach gleicher Entlohnung für Frauen, nach mehr und besseren Kita-Plätzen und flexibleren Arbeitsmodellen ist deshalb wichtiger als je zuvor. Modelle wie die 32-Stunden-Woche für Eltern, das Elterngeld-Plus oder auch die Frauenquote könnten Bemühungen in die richtige Richtung sein.
Die Studie: