Trauer ums Haustier„Wenn der Hund stirbt, stirbt auch ein Teil von unserer Familie“
Saarbrücken/Wien – Als der Hund von Gemeindereferentin Christine Mick starb, setzte sie einen Artikel in den Pfarrbrief der katholischen Kirchengemeinde. „Damit habe ich auch versucht, das Thema „Trauer um ein Tier“ etwas öffentlich zu machen“, sagt die 56-Jährige aus Saarbrücken-Malstatt.
„Ich weiß, dass viele Menschen trauern - ich weiß aber auch, dass ihnen offene Ohren, Räume und Orte fehlen.“ Genau deshalb finden in ihrer Kirche besondere Trauergottesdienste für Menschen statt, die ein Tier verloren haben. Wer selbst keinen Hund hat, mag es nicht nachvollziehen können, doch für viele Betroffene sind beim Tod des Tieres Trauer und Verzweiflung nicht weniger groß, als wenn ein geliebter Mensch stirbt.
Vorbereitung auf Tag X hilft
Warum das so ist? „Weil ein Teil von unserer Familie stirbt, von unserem Leben - ganz einfach“, sagt Naturforscherin und Autorin Elli H. Radinger. Wer mit Kopfschütteln und verständnislosen Sprüchen wie „Es war doch nur ein Hund!“ konfrontiert wird, dem rät sie: „Einfach abwenden und nicht versuchen, zu erklären. Das ist verschwendete Zeit.“
In ihrem Buch „Abschied vom geliebten Hund“ schreibt die 71-Jährige von der Trauer um ihre Labradorhündin Shira. Betroffenen in ähnlicher Situation möchte sie dadurch Kraft geben. „Je älter der Hund ist, umso mehr hilft es unglaublich, wenn man sich vorbereitet“, sagt sie. Das heißt nicht, schon in der Welpenzeit daran zu denken, dass der Hund einmal sterben wird. „Aber es hilft, wenn man sich des Endes bewusst wird und das Leben mit dem Tier sehr viel intensiver erlebt.“
Auch finanziell und organisatorisch sollte man auf das Sterben des Hundes vorbereitet sein. „Man sollte sich genügend Geld zur Seite legen, damit man eventuell teure Spezialnahrung, Physiotherapie und Medikamente bezahlen und beim Tierarzt noch unabhängig von den Kosten entscheiden kann, ob eine Behandlung durchgeführt wird oder nicht“, sagt Radinger.
Eine Frage sei auch, ob das Tier im eigenen Garten oder auf einem Tierfriedhof beerdigt werden könne oder beim Tierbestatter eingeäschert werden solle. Das Wichtigste sei jedoch, am Ende viel Zeit mit dem Hund zu verbringen - da könnte es erforderlich sein, Urlaub zu nehmen oder die Arbeitszeit zu kürzen.
Den richtigen Zeitpunkt erkennen
Doch auch die Selbstfürsorge darf nicht zu kurz kommen. „Man muss versuchen, gesundheitlich und seelisch gefestigt zu sein, um dem Hund zu helfen und das alles durchstehen zu können“, sagt die Autorin. Ihr haben in der Zeit Massagen, ein Kaffee mit Freudinnen, guter Schlaf, Sport und Beten geholfen. „Erst wenn ich wirklich stark genug bin, kann ich auch dem Tier das Allerbeste geben für die Zeit, die es braucht.“
Wer seinen Hund gut kenne und ihn lesen könne, werde auch den richtigen Zeitpunkt erkennen, wann er ihn gehen lassen müsse, sagt die Humanpsychologin und Hundeverhaltenstrainerin Alexandra Wischall-Wagner. „Wenn man zusammen so eingespielt ist, dann weiß man es. Und die Hunde zeigen es uns auch, dass sie nicht mehr können.“
Eindeutige Signale des Hundes
Auch ganz eindeutige Signale gibt es: Etwa dann, wenn der Hund seinen Besitzer oder seine Besitzerin nicht mehr begrüßt, nicht mehr aufstehen oder nicht mehr fressen will. „Bei solchen Zeichen würde ich es als egoistisch ansehen, sich nicht trennen zu können“, sagt die Expertin.
Elli Radinger hat ihre eigene Hündin, als es ihr schon schlecht ging, gefilmt. Auch, um sich bewusst zu werden, dass das Leben für Shira zu schmerzhaft geworden war. Und um Monate später noch objektive Bilder den eigenen Zweifeln entgegensetzen zu können.
Das sterbende Tier begleiten
Sie rät dazu, mit dem Tierarzt offen über den richtigen Zeitpunkt zu reden. Hat mein Hund starke Schmerzen? Wie hoch ist seine Lebensqualität? Kann er noch ein „normales“ Hundeleben führen? Diese Fragen müsse man sich stellen - und letztendlich eine Entscheidung treffen. „Lieber zu früh als zu spät. Wir müssen die Liebe zu unserem Hund über unseren eigenen Schmerz stellen“, sagt die Autorin.
Dazu zählt auch, den Abschied gemeinsam und in Ruhe zu erleben. „Wir sind unseren Hunden schuldig, dass wir die letzten Stunden so schön wie möglich gestalten. Dass wir sie nicht beim Tierarzt abgeben, sondern bis zum letzten Atemzug dabei sind. Am besten in vertrauter Umgebung“, sagt Wischall-Wagner.
„Ich verstehe es voll und ganz, dass jemand sagt, es ist die Hölle, es tut unendlich weh und ich ertrage das nicht“, sagt Elli Radinger. „Aber wir können doch unser Tier nicht in solch einer Situation alleine lassen! Es hat uns die ganze Zeit seines Lebens alles gegeben, da muss ich auch bei seinem Sterben dabei sein - ganz egal, ob es mich zerreißt oder nicht.“
Echte Trauer macht wieder offen für Neues
Je nach Alter sollten auch Kinder daran teilhaben - wenn sie es denn möchten, meint Psychologin Wischall-Wagner: „Ich finde es nicht gut, wenn man meint, man müsste Zwölfjährigen alles ersparen. Jeder Mensch sollte schon für sich selbst einen guten Umgang mit dem Tod lernen.“ Jeder müsse für sich selbst eine bestimmte Art der Trauer finden. Erst dann werde man wieder offen für etwas Neues.
Eine Erfahrung, die auch Elli Radinger nach vielen Wochen der Trauer, Wut und Verzweiflung gemacht hat. Sie appelliert jedoch an die Betroffenen, sich für diese Phase die Zeit zu nehmen, die sie brauchen. „Nur man selbst weiß, wenn man bereit ist, neu aufs Leben zuzugehen“, sagt sie.
Natürlich werde man den geliebten Hund niemals vergessen, doch irgendwann seien auch der größte Schmerz und die schlimmste Trauer überwunden. „Und dann lohnt es sich, einen neuen Sprung zu machen und einen neuen Anfang und einfach auf die Liebe und das Leben zu vertrauen.“ (dpa)