Kann sich ein heißer Flirt an Karneval zu einer starken Liebe entwickeln? Die Kölner Psychologin Katharina Grünewald weiß, was dafür nötig ist.
In Sachen LiebeWie wird aus meinem Karnevalsflirt eine echte Beziehung?
Ich hatte traumhafte Karnevalstage, habe mich voll verknallt. Wir waren drei Tage und Nächte zusammen und haben auf Wolke 7 von einer gemeinsamen Zukunft geträumt. Doch seit Rosenmontag zieht er sich total zurück. Warum passiert mir immer das Gleiche? (Sara, 25)
Karneval ist die Zeit für „das Leben, die Liebe und die Lust“! Und wie schön, wenn es Ihnen gelungen ist, sich in diese Stimmung hineinfallen zu lassen. Sorgen, Alltagszwänge und die ganz normale Realität werden ausgeblendet. Es wird geflirtet, und „nur die Liebe zählt“. Allerdings liegt es auch in der Natur des Karnevals, dass diese Ausgelassenheit nur ein paar Tage anhält. Ihre Erfahrung liegt also absolut im Karnevalsrahmen.
Aber natürlich gibt es auch viele Beziehungen, die mit diesem fulminanten, aber ungewissen Karnevalsflirt beginnen und den Sprung in die Realität schaffen. Was braucht es dazu? Bei Ihnen beiden waren Herz und Sinne im Flow und haben Sie „auf Wolke 7“ gebracht. In der Entwicklung der Liebe ist das die Phase 1: die Verliebtheit. Phase 2 ist mit einem Rückzug verbunden: Die innige Symbiose des Wir wird wieder zu einem Ich und einem Du.
Nach dem Karneval werden die intensiven Gefühle mit der „Normalität“ konfrontiert
Im Karneval kann allein der Gedanke an den Alltag für Distanz sorgen – und zurück auf den Boden der Tatsachen führen. Die ausgelassenen Tage und damit die intensiven Gefühle werden mit der „Normalität“ konfrontiert. Das kann ganz schön an festen, eingefahrenen Strukturen rütteln.
Auch in langjährigen Beziehungen kann es zu Irritationen kommen. Ein Innehalten ist dann wie ein Check-up: Was war das? Was habe ich bei mir (wieder) entdeckt? Was hat die andere Person bei mir ausgelöst? Ist mir es wert, meinen Alltag umzuschmeißen und Platz zu schaffen? Was will ich? Was brauche ich? Daher ist der Rückzug nach einer solch innigen Zeit verständlich und vernünftig.
Allerdings deuten Sie noch ein anderes Phänomen an: Sie haben schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass sich Ihre Geliebten nach einer innigen Zeit zurückgezogen und dann verabschiedet haben. Daher kann ich Ihre Angst nun auch gut verstehen. Hier lohnt es vielleicht, den Blick auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu richten. Ich kann mir vorstellen, dass Sie mutig, selbstbewusst und voller Lebensfreude in den Karneval gestartet sind.
Nutzen Sie die Gelegenheit zum Innehalten und zur Reflexion
Diese Ausstrahlung ist attraktiv, wurde womöglich durch Ihr Kostüm betont. Und nun fanden Sie sich vielleicht in den starken Armen eines „Kapitäns“ wieder und waren glückselig. Hier spürten Sie vielleicht Ihre tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit und Sicherheit. Das wollten Sie festhalten, indem sie angefangen haben, den Traum von einer gemeinsamen Zukunft zu verbalisieren und so (unbewusst) festzuzurren. Das kann aber genau der Moment sein, in dem Sie die Unbeschwertheit, das Mutige und Selbstbewusste verlieren und Ihr Liebster Angst bekommt, weil er (gleichfalls unbewusst) spürt: Er wird für Ihre Sicherheit und Ihr Wohlbefinden verantwortlich.
Nutzen also auch Sie die Gelegenheit zum Innehalten und zur Reflexion: Wer oder welches Kostüm hat Sie angezogen? Was waren Ihre (unbewussten) Sehnsüchte und Erwartungen? Was fanden Sie attraktiv? Das können Sie auch noch im Nachhinein erkunden und erspüren. Und vielleicht können Sie dann erkennen, dass Ihr Gegenüber zunächst nur als Projektionsfläche Ihrer eigenen Sehnsüchte funktioniert, für die Sie in erster Linie selbst verantwortlich sind. Ein Innehalten und ein „Wieder sicher werden mit sich selbst“ könnte also Ihren Herz-Magneten wieder anstellen. Dazu ist es wichtig, dass Sie sich Ihrer Bedürfnisse bewusst werden und Ihr Gegenüber aus der Verantwortung entlassen. Dann kann sich Ihre Verliebtheit auch in einem Alltag frei weiter entfalten und vielleicht zu einer starken Liebe entwickeln.
Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung. Die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald sind versiert in der Beratung rund um Liebe, Beziehung und Partnerschaft. Der Urologe Volker Wittkamp kennt sich mit allem aus, was Liebe mit unserem Körper macht – und umgekehrt. Schreiben Sie uns, was Sie in der Liebe bewegt! Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de.