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Jobauszeit fürs KindWarum Elternzeit-Väter immer noch Exoten sind

Lesezeit 6 Minuten

Viele junge Väter wünschen sich mehr Zeit mit ihren Kindern.

Für Love Erik Edquist war es keine Frage: Wenn er einmal Vater ist, dann wird er auch in Elternzeit gehen, und zwar genau so lange wie seine Frau. Als dann 2013 Tochter Alva auf die Welt kam, marschierte er mit der gleichen Selbstverständlichkeit ins Personalbüro seines Arbeitgebers, der Boston Consulting Group, und meldete sieben Monate Elternzeit an, die er ein halbes Jahr später antreten wollte. „Für mich gab es keinen Zweifel, dass ich das so machen werde. Frauen würden auch nicht vorher fragen.“

Der einzige Mann im Pekip-Kurs

Love Edquist genießt die intensive Zeit mit seiner Tochter Alva.

Dass Väter sich heute für ihre Familie engagieren, ist ganz normal. Sie wollen nicht nur am Wochenende Spieltürme bauen, sondern jeden Tag miterziehen und viel Zeit für ihre Kinder haben. Dass sie dafür, wie Love Erik Edquist, mehrere Monate aus dem Beruf aussetzen, während die Frau wieder zur Arbeit geht, das ist trotzdem selten. „Du bist schon ein bisschen Exot“, erzählt Edquist „beim Pekip-Kurs oder auf dem Spielplatz war ich als Mann die Ausnahme.“ Natürlich mache es keinen Unterschied, ob man nun mit Vollzeit-Mamas oder Ganztags-Papas beim Kaffee über Kinderthemen rede. „Es war trotzdem erschreckend, wie wenige Vollzeitväter es gab – und das in Berlin-Mitte!“

Nur wenige Väter nehmen mehr als zwei Monate

Der Verein „Väter in Köln e.V.“ bietet Beratungs-, Vernetzungs-, und Freizeit-Angebote für aktive Väter und ihre Kinder. Es gibt ein Vätercafé und eine Elternzeit-Vätergruppe, die sich regelmäßig verabredet.

Auch wenn viele Männer prinzipiell offen dafür und die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen sind, sieht die Realität ganz anders aus: Insgesamt nehmen nur knapp 30 Prozent der Väter überhaupt Elternzeit in Anspruch, und davon entscheiden sich fast 80 Prozent für die obligatorischen zwei „Vätermonate“. Aber warum, wenn ihnen die Familienzeit doch so wichtig ist? Haben die Männer zu viel Angst vor dem Schritt? Oder schieben die Unternehmen da den Riegel vor?

Edquists Firma hat seinen Wunsch nach einer längeren Elternzeit unterstützt. „Ich hatte zu keiner Zeit Angst, dass ich vielleicht danach nicht zurückkommen kann.“ Auch von den Kollegen hat er nur positive Resonanz bekommen. Was ihm aber wichtig war, trotz Abwesenheit hat er regelmäßig Kontakt zur Firma gehalten. Als Projektleiter nahm er sogar freiwillig jede zweite Woche an einem internen Meeting teil, seine Tochter Alva hat er manchmal einfach mitgenommen. „Für viele Kollegen war das etwas Neues, sie waren überrascht, aber haben sich gefreut. Und für mich war es eine willkommene Abwechslung im Alltag mit Kind.“

Plötzlich muss man sich vor dem Chef rechtfertigen

Natürlich gibt es auch ganz andere, eher negative Beispiele. Das viel beschworene Horror-Szenario, dass ein Mitarbeiter wegen seiner Elternzeit gefeuert wurde, kommt glücklicherweise eher selten vor. Ab acht Wochen vor Beginn und während der Elternzeit haben Väter Kündigungsschutz. Manche Firmenchefs aber schlackern mit den Ohren, wenn ein Mitarbeiter mehrere Monate Elternzeit beantragt. Da fällt auch mal ein Kommentar, der wie aus den 50er Jahren klingt, von wegen: Sind Kinder nicht Frauensache?

Hausarbeit und Babytrage: Viel zu wenige Väter wagen den Schritt, auch einmal Fulltime für ihre Kinder da zu sein (Symbolbild).

„Während zwei Elternzeit-Monate, die politisch ja auch schon als „Vätermonate“ legitimiert wurden, bei den Unternehmen inzwischen voll angekommen sind“, erklärt Hans-Goerg Nelles, Leiter der Fachstelle Väterarbeit in NRW, „müssen sich Mitarbeiter mit ihrem Wunsch nach längerer Elternzeit oft vor den Chefs rechtfertigen.“ Dass ein Vater so etwas fordere, scheine nicht vorgesehen. „Es dauert, bis sich das durchsetzt und zur Normalität wird.“ Immerhin: Manche familienfreundlichen Firmen bestärken ihre Mitarbeiter offensiv bei ihrer Entscheidung und erkennen die Elternzeit auch als wichtigen „Soft Skill“ im Lebenslauf an.

Beruflich bleibt es ein Risiko, wie bei den Frauen

Tatsache ist, wie auch Mütter müssen Väter, wenn sie sich für eine längere Elternzeit entscheiden, Kompromisse in Kauf nehmen. Und dazu kann auch ein Karriereknick gehören. Denn der Mitarbeiter hat zwar die Garantie auf Weiterbeschäftigung, aber nur auf einen „vergleichbaren Arbeitsplatz“. Die Aufgaben innerhalb des Betriebs könnten sich also verändern. Viele Männer wollen genau das nicht riskieren: zu verlieren, was sie sich erarbeitet haben. Oder dass die Kollegen die Arbeit für sie mitmachen müssen – weil Elternzeit-Lücken oft nicht neu besetzt werden. So ist es letzten Endes eine Sache der Priorität, eine private Entscheidung. Die Väter müssen klar sagen: Das ist es mir wert!

Elternzeit für Väter? Da muss erstmal die Mutter mitspielen! Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

Neben dem Beruflichen gibt es selbstverständlich noch mehr Faktoren, die eine Entscheidung beeinflussen. Wenn es denn eine ist. Viele Familien haben erst gar nicht die Wahl, weil der finanzielle Druck zu hoch ist. Hat die Frau einen schlecht bezahlten Job, dann kann nicht auf das Gehalt des Mannes verzichtet werden. Elternzeit muss für ihn damit ausfallen, selbst wenn er bereit wäre.

Die Frau muss auch abgeben wollen

In einigen Fällen aber verdienen beide Partner ähnlich viel, da wäre eine gleichberechtigte Aufteilung faktisch möglich. Möglich, aber doch nicht gewollt? Viel davon muss erst einmal innerhalb der Partnerschaft ausgehandelt werden. Das Zünglein an der Waage sind nämlich nicht selten die Mütter, die nicht abgeben wollen und die Elternzeit für sich selbst beanspruchen. Auch sie müssen ihren Teil dazu beitragen.

„Die Frauen sehen die Verantwortung für die Kinder meist bei sich“, erzählt Erik Edquist, „sie meckern über Gleichberechtigung, aber wenn es darum geht, diese zu leben, wird es schwierig.“ Als Schwede, der in Deutschland lebt, falle ihm auf, dass hierzulande die Zuständigkeiten immer noch klar zugeordnet sind. Man gehe erst einmal davon aus, dass Frauen für die Kinder da sind. „Wenn der Mann mehr macht, wird er als modern gelobt, wenn er zu viel macht, muss er sich rechtfertigen. Aber auch die Frau muss sich erklären, wenn sie früher wieder arbeiten geht.“ Dabei würde an sich doch nichts gegen eine 50:50-Aufteilung sprechen.

Es braucht Kampagnen für die Väterzeit

Die „Rabenmutter“ und der „Wochenendvater“ sind also ein mächtiges Erbe. Wir sind, was das betrifft, gesellschaftlich längst nicht so weit, wie wir denken. „Bis es für Väter als normal gilt, längere Elternzeiten zu nehmen, braucht es noch Pionierarbeit und Mut“, sagt Väter-Experte Hans-Georg Nelles. „Eigentlich müsste es auch von Seiten der Politik Kampagnen geben, die Väter ermutigen und ihnen sagen: ja, das ist normal und gewollt!“

Im Endeffekt hilft vor allem eins: viele gute Vorbilder. Freunde und Kollegen, die in Elternzeit gehen und andere Väter darin bestärken, es auch zu wagen. Denn es lohnt sich wirklich. „Diese Bindung zum Kind, die in dieser Zeit entsteht, ist unersetzbar“, sagt Love Edquist. Er würde es bei einem weiteren Kind wieder ganz genau so machen.

Mehr zum Thema:

Sehenswert! ARD-Doku „Die Story im Ersten: Papa, trau dich!“ (19.1.2015) – Hier gibt's den ganzen Film in der Mediathek

Das Portal „Väter und Karriere“ von Hans-Georg Nelles

Der VÄTER-Blog von Hans-Georg Nelles

VÄTER.de: Die Website für den Mann mit Kind

Väter-Netzwerk: Unternehmen vernetzen Väter

Wissenschaftliche Projekt: Väter in Elternzeit (läuft noch)

Buchtipp: Ingo Stober: Pioniere der Elternzeit – Väter traut euch: der steinige Weg lohnt sich! CreateSpace Independent Publishing Platform, 2014

Informationen zur Elternzeit vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend