Tipps für ElternWas tun, wenn Kinder einfach nicht einschlafen
Die ersten Monate seines Lebens konnte Jonas einfach nicht einschlafen. Er war wach und hat geschrien – zu jeder Tages- und Nachtzeit, erinnert sich seine Mutter Christina Betke* (Name geändert). „Wenn es doch mal geklappt hat, dann nur für ein oder zwei Stunden.“ Jede Nacht durfte Jonas mit ins Elternbett. „Das soll man ja eigentlich nicht erlauben – aber irgendwann macht man alles, damit ein Kind schläft“, erzählt Betke. Denn sie selbst war in den ersten Monaten nach der Geburt am Ende ihrer Kräfte, erinnert sie sich.
Jedes Kind schläft anders
„Für viele Eltern ist das Thema Schlaf ein Buch mit sieben Siegeln“, sagt Dana Urban von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. Oft seien die Eltern unsicher und hätten keine genauen Vorstellungen, wie viel Schlaf ihr Kind braucht. Grundsätzlich ist das Schlafbedürfnis abhängig vom Alter: Neugeborene brauchen ungefähr 16 bis 18 Stunden Schlaf, Einjährige zwischen 12 und 15 Stunden, und ab vier Jahren reichen rund 12 Stunden. Doch das ist nur eine grobe Orientierung: Jedes Kind schläft anders und unterschiedlich viel. Gerade Eltern mit Säuglingen, die wenig schlafen, erleben dies als große Belastung und sind schnell verunsichert.
Dabei sind Schlafprobleme bei Babys oft normal: Neugeborene hätten meist einfach noch nicht gelernt, durchzuschlafen und sich selbst zu beruhigen, wenn sie nachts aufwachen, sagt Torsten Spranger vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Treten noch andere Beschwerden auf, sollten Eltern allerdings den Kinderarzt um Rat fragen. Atmet ein Baby oder ein Kleinkind etwa laut, kann eine Atemwegserkrankung der Grund sein. Auch Verdauungsprobleme könnten Babys nachts wachhalten, sagt der Kinderarzt. Im Kindergarten- und Grundschulalter sei das Schlafen ebenfalls manchmal ein Problem. Auch dann ist es wichtig, organische Ursachen auszuschließen.
Rituale helfen vielen Kindern
Will ein Kind partout nicht einschlafen, versuchen es Eltern am besten erst mal mit einfachen Änderungen im Alltag. Den Tag über sollte das Kind aktiv sein, damit es am Abend ausgelastet ist. Den Abend lassen die Familien am besten in Ruhe ausklingen. Bei der Schlafenszeit sollten Eltern auf Regelmäßigkeit achten: Damit der Schlaf-Wach-Rhythmus nicht durcheinander gerät, geht das Kind am besten jeden Abend etwa zur gleichen Zeit ins Bett.
„Vielen Kindern helfen Rituale, abends zur Ruhe zu kommen“, sagt Urban. Wer dem Kind nach dem Zähneputzen jeden Abend eine Geschichte vorliest, etwas singt oder sich Zeit zum Kuscheln nimmt, kündigt auf eine positive Art an: Bald ist Schlafenszeit. „Es geht nicht darum, ein ganzes Paket an Ritualen abzuhaken, sondern für sich selbst und das Kind etwas zu finden, was Freude macht und gleichzeitig Beständigkeit vermittelt“, sagt die Expertin.
Streit beenden vor dem Einschlafen
Auf keinen Fall sollten Kinder im Streit mit ihren Eltern ins Bett gehen. „Auch wenn es am Tag einen Konflikt gab, ist es wichtig, dem Kind zu zeigen: Wir haben dich lieb und klären das morgen“, sagt Urban. Wacht ein Kind nachts auf, weil es Alpträume hat, ist es wichtig, es zu beruhigen. „Fürchtet sich ein Kind vor Monstern unter dem Bett, sollte man das gegenüber dem Kind ernst nehmen“, rät sie. Wer gemeinsam mit dem Kind ein Kuschelmonster näht oder einen Traumfänger bastelt, vertreibt die Angst vielleicht.
Bei älteren Kindern könne es helfen, die Gedanken und Sorgen am Abend in einem Tagebuch loszuwerden, sagt Kinderpsychologe Holger Simonszent. Denn manchmal reicht ein besonderes Ereignis wie ein Schulwechsel oder eine bevorstehende Klassenfahrt, um Kindern den Schlaf zu rauben.
Doch nicht immer seien die Ursachen banal, meint Simonszent. Oft entstehen Schlafstörungen bei Kindern durch eine emotionale Belastung. Streit in der Familie, Leistungsdruck oder die Krankheit eines Elternteils – die Gründe für emotionalen Stress sind ganz unterschiedlich. „Wer nur das Symptom Schlaflosigkeit behandelt, nicht aber die Ursache, hilft dem Kind nicht“, sagt Simonszent. Ist eine psychische Belastung der Auslöser für die Schlafstörung, sollten Eltern das gemeinsam mit einem Kinderpsychologen aufarbeiten.
Überlastung ansprechen und Hilfe suchen
Ab wann die Hilfe durch einen Kinderarzt oder Psychologen ratsam ist, erkennen Eltern oft selbst am besten, sagt Kinderarzt Spranger. „Sobald die Familie darunter leidet, sollte man einen Arzt aufsuchen.“ Dieser erkenne organische oder psychische Ursachen – oder spreche einfach ein paar beruhigende Worte.
Denn je gelassener Eltern mit dem Schlafproblem des Kindes umgehen, desto eher kommt auch das Kind selbst zur Ruhe. Deshalb sei es wichtig, offen auszusprechen, wenn man überlastet ist, sagt Spranger. „Häufig sind es die Mütter, die irgendwann völlig erschöpft sind.“ Nur wer offen sagt: Ich kann nicht mehr, dem kann geholfen werden. Denn um ein Kind zu beruhigen, und beim Schlafen zu unterstützen, brauchen Eltern selbst Kraft – und Schlaf.
Diese Erfahrung hat auch Christina Betke gemacht. Inzwischen hat Jonas gelernt, allein einzuschlafen, und wacht nachts nur selten auf – doch das war ein langer und anstrengender Weg für sie beide. Betke rät Eltern deshalb, Hilfe anzunehmen. Und sie sollten nicht den Mut verlieren, sondern sich immer wieder sagen: Das ist nur eine Phase, das geht vorbei. (dpa)