Joachim Frank
Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion beim „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der gebürtige Schwabe mit münsterländischem Migrationshintergrund lebt seit 1996 mit Unterbrechungen in Köln und ist beke...
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Köln – „Mit der Geburt Jesu Christi war es so…“ Das ist der erste Satz in der Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Matthäus. Klingt, als ob das eine klare Sache wäre. Aber schaut man sich die Texte der Bibel genauer an, stellt man schnell fest: Vieles passt da nicht zusammen, manche Details können nicht stimmen, andere wohlvertraute Angaben fehlen völlig. Zum Beispiel ist von Ochs und Esel oder von den drei Königen, die das Kind in der Krippe besucht und ihm Geschenke gebracht haben sollen, in den Evangelien keine Rede.
Wir haben Simone Paganini, Professor für Bibelwissenschaft in Aachen, und seine Frau Claudia, die am Institut für Christliche Philosophie der Uni Innsbruck lehrt, um einen Faktencheck gebeten. Die beiden Theologen haben dazu auch ein gut lesbares Buch veröffentlicht.
Schon im Neuen Testament mit den vier Berichten über das Leben Jesu, den Evangelien, ist die Quellenlage zu Weihnachten dürftig. Nur zwei Evangelien, die nach Matthäus und Lukas, berichten überhaupt von der Geburt und der Kindheit Jesu. Und selbst die „haben so wenig gemeinsam, dass es zwei verschiedene Geschichten sein könnten“, sagt Simone Paganini. Weder das Markus- noch das Johannes-Evangelium geben darüber Auskunft. „Die Geburt war als denkwürdiges Ereignis für die ersten christlichen Generationen irrelevant“, erklärt Claudia Paganini. „Wichtig war erst die Taufe als geistliche Wiedergeburt in Christus.“ Die Evangelien als die ersten Biografien, die allesamt ein bis zwei Generationen nach dem Tod Jesu geschrieben wurden, erzählen sein Leben sozusagen von hinten – aus der Perspektive des Todes und der Auferstehung.
Weil in späteren Jahrhunderten das Interesse an den Wurzeln Jesu wuchs, entstanden mehrere sogenannte apokryphe Evangelien, die Simone Paganini als „fromme Literatur für wissbegierige Gläubige“ bezeichnet mit dem Ziel, „die Informationslücken in den Evangelien zu füllen“.
Außerbiblische Zeugnisse über die Geburt Jesu, etwa in den Werken antiker Geschichtsschreiber, gibt es übrigens keine. Dort ist beiläufig nur der Tod Jesu erwähnt. Das allerdings, gibt Claudia Paganini zu bedenken, ist zugleich auch ein schlagendes Indiz, „denn wer gestorben ist, der muss irgendwann auch geboren worden sein“.
Für die Datierung von Weihnachten sind zwei Männer von entscheidender Bedeutung. Der erste ist ein Mönch aus dem 6. Jahrhundert. Bei der Festlegung der Zeitrechnung „nach Christi Geburt“ verzählte er sich und setzte das Jahr 1 somit um ein paar Jahre zu spät an. Der zweite ist der jüdische König Herodes, der 33 Jahre regierte und im Jahr 4 vor Christus starb. Jesus muss in den letzten Regierungsjahren des Herodes geboren worden sein. Sonst ergäbe die biblische Episode keinen Sinn, dass Herodes den Kindermord von Bethlehem befahl, um das Jesuskind als möglichen Konkurrenten um seinen Thron zu beseitigen. Die Geschichte selbst ist übrigens nicht historisch, sondern eine literarische Erfindung des Evangelisten Matthäus. „Zwar hat Herodes tatsächlich Kinder umgebracht“, sagt Simone Paganini, „aber das waren seine eigenen Söhne, und die waren auch schon erwachsen und wollten ihrem Vater den Thron streitig machen. So abgrundtief böse, wie er in der Bibel dargestellt wird, war Herodes nicht.“
Der Geburtstag Jesu kann theoretisch einer von 365 Tagen des Jahres sein. „Ganz sicher war es nicht der 24. Dezember“, sagt Claudia Paganini. Mitten im judäischen Winter hätten selbst die abgehärtetsten Hirten die Nächte nicht draußen auf dem Feld bei ihrer Herde verbracht, wovon das Lukas-Evangelium berichtet. Das war nur in den milderen Zeiten des Jahres möglich. Tatsächlich wurde die Geburt Jesu lange Zeit mit dem Frühling und der erwachenden Natur in Verbindung gebracht. Die Verlegung von Weihnachten in den Dezember erklären manche Historiker mit dem Festtag eines römischen Sonnengottes, andere mit einer Terminentzerrung aus ökonomisch-logistischen Motiven. Claudia Paganini: „Im Frühjahr lag schon das Osterfest. Zwei große Feste in so kurzem Abstand – das war ungut, und so wurde Weihnachten eben in die dunkle Jahreszeit verlegt.“
Kurz vor der Geburt Jesu, so erzählt es Lukas, reiste seine Mutter Maria zusammen mit Josef aus ihrem Wohnort Nazareth in Galiläa nach Bethlehem, das ungefähr zehn Kilometer östlich von Jerusalem liegt. Als Grund für die Reise gibt das Lukas-Evangelium eine Volkszählung im römischen Reich an, befohlen von Kaiser Augustus. „Die hat es nie gegeben, jedenfalls nicht unter Augustus, wohl aber im Jahr 75 unter einem seiner Nachfolger, Kaiser Vespasian“, erklärt Simone Paganini. Dieses Ereignis kannten die biblischen Autoren. Sie vermischten es mit lokalen Steuerschätzungen, wie sie in Palästina um die Zeit von Jesu Geburt durchaus vorkamen. „Das ist kein Unwissen oder eine absichtliche Verwechslung – es war ihnen schlicht egal. Was sie brauchten, war eine Begründung für die Reise nach Bethlehem.“
Bethlehem war als Geburtsort Jesu für das Lukas-Evangelium von entscheidender Bedeutung, weil sich das mit den messianischen Verheißungen des Alten Testaments in Verbindung bringen ließ. „Der jüdische Messias hatte sozusagen gar keine Wahl: Er musste einfach in Bethlehem, der ‚Stadt Davids‘, geboren werden.Auch das halten die Paganinis zusammen mit den meisten Bibelwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern für eine literarische Fügung. Zwar lässt sich die Verehrung Bethlehems und der Geburtsgrotte, über der sich heute die Geburtskirche erhebt, sehr weit – bis ins 2. Jahrhundert – zurückverfolgen. Historisch gesehen, dürfte Jesus trotzdem eher dort geboren worden sein, wo seine Eltern ihr Zuhause hatten: in Nazareth.
Man geht heute davon aus, dass die Mutter Jesu eine junge Frau von vielleicht 14 bis 16 Jahren war. Jesus war ihr erstes Kind. Seit fast 2000 Jahren schlägt sich die christliche Theologie mit dem Glaubenssatz herum, dass Maria im biologischen Sinn Jungfrau gewesen sei. Mit den Büchern dazu könnte man ganze Regalwände füllen. Eine so schlichte wie plausible Erklärung lautet: Das Ganze beruht auf einer Wort-Interpretation in der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel. Das Buch des Propheten Jesaja kündigt die Geburt des Messias von einer „Jungfrau“ an. Die hebräische Vokabel meint allerdings nur eine „junge Frau“. Das Jesaja-Wort wird im Neuen Testament auf Maria übertragen. Es geht darum, die Besonderheit dieser Geburt zu unterstreichen.
Ab dem 4. Jahrhundert erhielt Maria zudem den Titel der Gottesgebärerin. „Eine mit dem Wissensstand des Jahres 2020 erzählte Weihnachtsgeschichte könnte das Bild von der jungfräulichen Gottesgebärerin durch dasjenige einer gläubigen jungen Frau und liebevollen Mutter ersetzen. Sie als Jungfrau zu bezeichnen, ist eine Glaubensfrage, hat mit der historischen Rekonstruktion der Weihnachtsgeschichte aber nichts zu tun“, resümiert Simone Paganini.
Dass Maria als Hochschwangere kurz vor ihrer Geburt nicht geschont, sondern auf die beschwerliche Reise nach Bethlehem geschickt wird, kann übrigens nur einen plausiblen Grund gehabt haben: Maria hatte in Bethlehem Besitz an Grund und Boden, der im Rahmen der Steuerschätzung erfasst werden sollte. Als Frau durfte sie nicht allein reisen, sondern brauchte einen Mann als Begleiter. Dass dies nicht etwa Marias Vater, sondern Josef war, setzt die vorherige Heirat voraus. „Aus Josef, dem Verlobten Marias, muss schon vor der Geburt Marias Ehemann geworden sein“, sagt Simone Paganini. „Die Braut wurde von ihrer Familie dem Bräutigam angeboten, er musste natürlich den Brautpreis zahlen, dann gab es eine Probezeit, und irgendwann wurde geheiratet.“ Sex vor der Ehe war aber für die Frau unter Androhung der Todesstrafe verboten. Deswegen erzählt Matthäus, dass Josef sich im Stillen von Maria insgeheim trennen wollte, als er von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Das hat er aber dann doch nicht getan – weil ihm ein Engel es ihm im Traum befahl und vielleicht auch, weil er Maria liebte und ein guter Typ war.“
Nach seinem kurzen Auftritt in den Weihnachtsevangelien verschwindet Josef in der Bibel schnell von der Bildfläche. Doch die wenigen Informationsfragmente sind interessant genug. Die christliche Tradition kennt Josef als Zimmermann. Das beruht auf einem Irrtum des einflussreichsten mittelalterlichen Theologen, Thomas von Aquin (1225 bis 1274). Laut dem griechischen Bibeltext war Josef nämlich eine Art Metallhandwerker oder Schmied. „Gut möglich, dass er in Nazareth einen eigenen kleinen Betrieb hatte und beim Bau der nahegelegenen neuen Stadt Sepphoris gutes Geld verdiente“, sagt Simone Paganini. Dieses Handwerk habe er als treu sorgender Vater auch seinem Sohn beigebracht.
In späteren Ausschmückungen der biblischen Geschichte erscheint Josef gern als älterer Mann. Man wollte damit die in der Bibel erwähnten „Brüder und Schwestern Jesu“ erklären, nämlich als Halbgeschwister aus einer früheren Ehe seines Vaters.
Das Jesuskind, das „elend, nackt und bloß“ in einer „armen Krippe liegt“, gehört zu den prägendsten Bilder der Weihnacht. Es ist auch theologisch bedeutsam: Gott teilt die Not der Menschen, er wird Mensch unter menschenunwürdigen Bedingungen. „Das sind sehr tiefsinnige Gedanken“, sagt Claudia Paganini. „Nur passen sie leider nicht wirklich zu dem, was wir in den Evangelien lesen.“
Schon Marias und Josefs Reise nach Bethlehem zur Angabe von Grundbesitz bei den Steuerbehörden belegt, dass die Eltern Jesu alles andere als mittellos waren. Und was ist mit der berühmten Herbergssuche, die in keinem Krippenspiel fehlen darf? Maria und Josef werden überall abgewiesen, finden „keinen Raum in der Herberge“ und müssen schließlich in einem Stall campieren. Erneut ein Übersetzungsfehler, erklärt Simone Paganini.
Die Bibel stellt lediglich fest, dass es für Maria und Joseph keinen Platz in das „katalyma“ – gegeben habe. Es steht dort aber kein Wort von einer „Herbergsuche“. Das Kind kommt schnell auf die Welt, und wird in die Krippe gelegt. Kein Wunder, erklärt Simone Paganini: Mit katalyma wurde in Zwei-Raum-Häusern aus der Zeit Jesu das Gästezimmer bezeichnet. Im größeren Hauptraum daneben hielt sich die Familie tagsüber und zum Schlafen auf. Nachts hatte hier aber auch das Kleinvieh seinen Platz, das zur Familie gehörte. Deswegen gab es in diesem Raum eine Futternische.
Foto: Gütersloher Verlagshaus
Simone und Claudia Paganini: „Von wegen Heilige Nacht! Der große Faktencheck zur Weihnachtsgeschichte“, Gütersloher Verlagshaus, 157 Seiten, 14 Euro.
Und so stellte sich nun für das Lukas-Evangelium die Sache vor: Maria war mit Josef im Haus von Verwandten in Bethlehem untergebracht, natürlich im katalyma, im Gästezimmer. Wegen der Volkszählung war das Gästezimmer aber gesteckt voll. Beim Einsetzen der Wehen musste Maria von allen anderen, insbesondere den Männern, abgesondert werden. Aber wohin mit ihr? Natürlich in den Hauptraum, wo es eine Feuerstelle und auch Wasser gab. Dort konnte sie nun in der Obhut weiblicher Verwandter in aller Ruhe ihr Kind zur Welt bringen. „Die Geburt eines Kindes war für die ganze Familie ein freudiges, aber natürlich auch ein riskantes Ereignis. Die werdende Mutter brauchte im Moment der Geburt höchste Fürsorge. Dass man die Frau in dieser Situation an die Luft gesetzt hätte, wäre ein unvorstellbarer Bruch mit der Familienehre und der Vorstellung von Gastfreundschaft gewesen“, sagt Claudia Paganini. Ihr Mann ergänzt: „Es muss eine supernormale Geburt gewesen sein. Andernfalls hätten die Biografen Jesu etwas davon erwähnt. Nichts zu sagen, heißt für die biblischen Autoren, dass es nichts Besonderes zu vermelden gab.“
Und was ist mit Ochs und Esel? Sie gehören heute in jede Krippe. Doch die Bibel erwähnt sie nicht. Ihren ersten Auftritt haben die beiden Tiere in frühchristlichen Wandmalereien: Zu Stall und Krippe gehört schließlich zwingend das entsprechende Vieh. Richtig Karriere machen Ochs und Esel dann ab 1223. In diesem Jahr gestaltete der heilige Franz von Assisi (1181/82 bis 1225) in dem umbrischen Dorf Greccio die erste Weihnachtskrippe mit lebendigen Menschen und Tieren.
In unseren Köpfen setzt sich hier beim Gedanken an die Hirten in der Weihnachtsnacht die Vorstellung vom armen, schutzlosen Jesuskind fort: Die einzigen, die von seiner Geburt Notiz nehmen, sind ein paar ärmliche Gestalten, Außenseiter, Menschen am Rande der Gesellschaft. Das Lukas-Evangelium verfolgte wiederum ein ganz anderes Ziel: Es verbindet literarisch die Engel und die Hirten. Zuerst treten die Himmelsboten auf. Einer erscheint den Hirten und verkündet ihnen „eine große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids“ (Lukas-Evangelium, Kapitel 2). Dann kommt „die Menge der himmlischen Heerscharen“ dazu, „die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Danach verschwinden die Engel. Letztlich werden die Hirten zu Akteuren.
Das Wort von den „himmlischen Heerscharen“ sollte Hörer oder Leser der biblischen Geschichte stutzig machen. Es passt jedenfalls nicht gut zu zarten, niedlichen Flügelwesen, die sanft ein Wiegenlied für das Jesuskind singen. „Bei den Engeln im Lukas-Evangelium handelt es sich um die Ehrengarde Gottes, die zum Schutz des neugeborenen Gottessohnes abgestellt ist“, erklärt Simone Paganini. Die Sicherheit des Kinds muss aber auch nach der Rückkehr der Engel in den Himmel gewährleistet sein. Das ist jetzt Sache der Hirten. „Das waren durchtrainierte, kampferprobte und gut bewaffnete Leute.“ Schließlich mussten sie ihre Herden gegen wilde Tiere und ebenso gegen Diebe, Briganten und anderes Gesindel verteidigen können. Wegen ihres Umgangs mit der Steinschleuder waren sie als Scharfschützen so gefürchtet, dass für die Armeen des Orients und selbst für die römischen Legionen eigens Abteilungen aus Hirtensoldaten ausgehoben wurden. „Auf das himmlische Wachbataillon folgt also eine Art ‚irdische Security‘, die nach dem Jesuskind schaut: Sie gehen zur Krippe, finden alles in bester Ordnung und kehren beruhigt zu ihren Schafen und Ziegen zurück.“ Das ist die Ursprungsversion der Geschichte, wie wir sie heute kennen. „Schön“, sagt Claudia Paganini, „schön sind sie beide“.
„Die Kölner müssen jetzt tapfer sein“, sagt Claudia Paganini. Denn: im Neuen Testament gibt keine drei Könige. Die Rede ist von „Magiern“ oder „Weisen aus dem Morgenland“. Wie viele es waren, wird auch nicht gesagt. Auf die Zahl drei kam man in späteren Jahrhunderten, weil die Fremden drei Geschenke mitbringen: Gold, Weihrauch und Myrrhe – allesamt wertvolle Gaben, weshalb die Schenkenden zu Königen erklärt wurden. „In der Bibel stehen die Weisen symbolisch für die bewohnte Welt“, erklärt Simone Paganini. „Am Ende des Matthäus-Evangeliums ergeht der Befehl an die Jünger, in alle Welt hinauszugehen, um die Botschaft Jesu zu verkünden. Aber schon am Anfang hat sich die Welt um das Jesuskind versammelt, um ihm zu huldigen. Ein weiteres schönes Motiv, aber wieder ohne historischen Gehalt.“
Von Sternen wissen wir, dass sie fest am Himmel stehen. Bei dem Himmelskörper, der vor den Weisen herzog und sie zur Krippe führte, könnte es sich daher allenfalls um einen Kometen gehandelt haben. Die Identifikation des biblischen mit dem Halleyschen Kometen geht auf den italienischen Künstler Giotto (1267/76 bis 1337) zurück, der den Kometen im Jahr 1301 gesehen haben dürfte und ihn zwei Jahre später als erster auf einem Weihnachtsgemälde in der Scrovegni-Kapelle in Padua verewigte. Zur Zeit Jesu gab es nach Auskunft der Astronomen keine Erscheinung des Halleyschen Kometen. Man hat wissenschaftlich gleichwohl den Versuch unternommen, aus chinesischen Kalendarien das Erscheinen eines Kometen zu ermitteln. Die wahrscheinlichste Erklärung ist aber auch in diesem Fall eine literarisch-symbolische Absicht der biblischen Autoren: Außergewöhnliche Himmelsphänomene gehören zu den typischen Begleitumständen bei der Geburt großer Persönlichkeiten – von Cäsar oder Kaiser Augustus bis zum persischen Gott Mithras und so eben auch bei Jesus.
Fehler, Irrtümer, Verwechslungen, fromme Erfindungen – was bleibt am Ende eigentlich übrig von der Weihnachtsgeschichte? Das hängt von der Art ab, wie man sie betrachtet: „Historisch oder naturwissenschaftlich gesehen, muss man sagen: Nein, das ist sehr wahrscheinlich keine wahre Geschichte“, sagen die Theologen Claudia und Simone Paganini. „Wir wollen sie aber nicht zunichtemachen, sondern zum Lesen und Verstehen animieren.“ Denn: „Es ist zwar keine wahre Geschichte, aber doch eine sehr glaubwürdige Geschichte.“ Indem sie das sicher historische Ereignis der Geburt Jesu literarisch überformt und fantasievoll ausschmückt, antwortet sie auf die Frage gläubiger Menschen: Wie hätte es sein können? Insofern, betonen die beiden Theologen, seien die Weihnachtserzählungen weder Märchen noch „Fake News“ im Sinne von Lügengeschichten. „Aus der Weihnachtsgeschichte selbst tritt jedem Menschen die Botschaft entgegen, die sonst durch viele laute Töne übertönt und leuchtend-bunte Farben übertüncht ist: Gott ist Mensch geworden. Diese Botschaft wollten wir freilegen. Sie zu glauben, bleibt jeder und jedem selbst überlassen.“