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Pekip, Delfi & Co.Welcher Baby-Krabbelkurs bietet was?

Lesezeit 5 Minuten

Für Familien wird es 2016 einige Verbesserungen geben.

Draußen liegt Schnee, die Temperaturen bewegen sich um den Gefrierpunkt, aber im Familienzimmer im Hamburger Stadtteil Uhlenhorst schwitzen acht Mütter in T-Shirts. Zwei Heizlüfter blasen warme Luft in den mit Gymnastikmatten ausgelegten Raum, darauf krabbeln acht nackte Babys. Sie nehmen mit ihren Müttern teil an einem Pekip-Kurs. Die Abkürzung steht für Prager Eltern-Kind-Programm. Dabei handelt es sich um Kurse, in denen die körperliche und geistige Entwicklung von Säuglingen unterstützt werden soll.

Schon berühmt: Das Prager Eltern-Kind-Programm

Mamaclever

Eva Dorothée Schmid ist Mamaclever.

Eva Dorothée Schmid bloggt seit der Geburt ihres Sohnes als Mamaclever über alles, was werdende und frischgebackene Eltern wissen wollen. Als Journalistin legt sie dabei Wert auf gut recherchierte Texte, die Eltern wirklich weiterhelfen.

Die Idee dazu stammt von dem tschechischen Kinderpsychologen Jaroslav Koch. Er entwickelte Ende der 1960er Jahre am Prager Institut für Mutter und Kind Bewegungsspiele für Kinder im ersten Lebensjahr. Koch war der Ansicht, dass Säuglinge in unserer Kultur ihren Bewegungsdrang nicht ausreichend entfalten können. Kinder, mit denen Koch und seine Mitarbeiter regelmäßig spielten, entwickelten rascher einen gleichmäßigen Schlafrhythmus sowie eine zufriedenere Stimmung und wurden seltener krank. In den 1970er Jahren griffen die Professoren Christa Ruppelt von der Evangelischen Fachhochschule in Bochum und Hans Ruppelt von der Gesamthochschule Wuppertal die Erkenntnisse von Koch auf. In Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern und Pädagogen entwickelten sie das Prager Eltern-Kind-Programm.

Nackte Babys sind bewegungsfreudiger

Mit Pekip-Kursen beginnt man, wenn das Kind etwa acht Wochen alt ist. Es gibt in der Regel drei Kursblöcke, so dass die sechs bis acht Mütter oder Väter mit ihren Babys sich bis zum ersten Geburtstag der Kleinen einmal die Woche treffen. Eine Kursstunde dauert 90 Minuten, das An- und Ausziehen ist Teil der Gruppentreffen. Nackte Babys sind bewegungsfreudiger, deshalb sind die Kinder während der Spielzeit meist nackt.

Wenn die Kinder alle ausgezogen sind, wird das Begrüßungslied gesungen: „Ich bin da, du bist da, sind denn alle da? Ist denn auch der Tom da, ja, ja ja.” So geht es reih um, bis jedes Kind begrüßt ist. Dann verteilt Gruppenleiterin Anja Clever selbst gestaltetes Spielzeug, wie man es leicht auch zu Hause nachbasteln kann, an die Kinder. Leere Chipsrollen mit einem Schlitz im Deckel, aus dem bunte Tücher ragen, die die Kinder herausziehen können, oder leere Flaschen aus Plastik, die mit bunt gefärbtem Wasser, Bohnen oder Sand gefüllt sind.

Bällebad, Braunhirse und Rasselringe

Es kommt schon mal vor, dass eines der Babys auf die Gymnastikmatte pinkelt. Dann holt Anja Clever schnell einen Lappen und die Mütter wischen die Bescherung einfach auf. Und wenn sie in einem Planschbecken ein Bällebad aufbaut oder wenn die Kinder mit Braunhirse, die von der Konsistenz her Sand ähnelt, sinnliche Erfahrungen sammeln, dann bleiben die Windeln aus hygienischen Gründen auch mal an.

An der Wand ist eine Sprossenwand angebracht, die Kinder, die sich schon hochziehen können, versuchen, die dort hängenden Rasselringe zu ergattern. Andere krabbeln eine Schaumstofftreppe hoch und jenen Müttern, deren Babys noch ein bisschen bewegungsfaul sind, zeigt Anja Clever, wie sie die Kleinen auf einen Wasserball legen und so den Vorwärtsdrang fördern können.

Eltern können sich austauschen

Aber nicht nur Spielanregungen für die Kleinen, auch der Austausch zwischen den Eltern ist ein wichtiger Bestandteil des Kurses. „Wie macht ihr das mit der Beikost?” „Habt ihr schon einen Krippenplatz?” Oder „Schläft Dein Kind durch?”, sind Fragen, die die Mütter untereinander oder mit der Gruppenleiterin besprechen. Am Ende des Kurses wird dann wieder ein Lied gesungen, jede Woche das gleiche. „Alle Leut, alle Leut, gehn jetzt nach Haus”.

Was sind Delfi, Elba und Pikler? Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

Neben Pekip, das in Deutschland, Österreich und der Schweiz von rund 2600 Gruppenleiterinnen angeboten wird, gibt es noch andere Programme, die oft sehr ähnlich wie das Prager Eltern-Kind-Programm sind.

Delfi: Bindung zwischen Eltern und Kind stärken

Delfi - die Buchstaben stehen für Denken, Entwickeln, Lieben, Fühlen, Individuell - ist so ein Programm. Es wurde seit 1995 in der Evangelischen Familien-Bildungsstätte Celle entwickelt und breitete sich erst in Niedersachsen und dann über weite Teile Deutschlands aus. Delfi will die Bindung zwischen Baby und Eltern stärken und die seelische und körperliche Entwicklung des Kindes fördern. Es wird von Evangelischen Familienbildungsstätten angeboten und erstreckt sich wie Pekip über das erste Lebensjahr hinweg. Auch hier lernen Eltern in einer Gruppe von sechs bis acht nackten, etwa gleich alten Babys, die wachsenden Fähigkeiten ihres Kindes auf spielerische Weise zu unterstützen.

Die Leiterinnen bieten dem Entwicklungsstand der Babys entsprechende Bewegungs- und Wahrnehmungsanregungen, Halte- und Tragegriffe, Finger- und Berührungsspiele sowie Lieder an. Und es gibt während der Stunden genug Raum, damit sich die Eltern zu Themen wie der neuen Elternrolle, den Erlebnissen rund um die Geburt, zum Schlafen, Wachen und Weinen und zur Ernährung austauschen können.

Elba: Gespräche, Erlebnis und Entspannung

Das Deutsche Rote Kreuz hat ebenfalls ein Baby-Eltern-Kursprogramm entwickelt. Es heißt Elba (Eltern und Babys) und will das vorhandene Potential der Babys während des ersten Lebensjahres stärken und soll auch den Eltern helfen. Bestandteil der Gruppenstunden ist ein Gesprächs- und ein Erlebnisteil mit Spiel-, Bewegungs- und Sinnesanregungen, aber auch Elementen der Ruhe und Entspannung für Eltern und Kinder.

Pikler, Fenkid und Fabel

Daneben gibt es Pikler-Gruppen, Fenkid und Fabel. Der Ansatz einer Pikler-Gruppe ist das selbstständige Spielen des Kindes, er geht auf die Kinderärztin und Leitern des Säuglingswaisenheims Loczy in Budapest, Emmi Pikler zurück. Das Fenkid-Konzept bezieht sich ebenfalls auf Emmi Pikler, aber auch auf andere Pädagogen wie Maria Montessori und Elfriede Hengstenberg und wurde an der Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein in München entwickelt. Fabel bedeutet ausgeschrieben familienzentrierter Baby Eltern Kurs. Das Konzept wurde entwickelt von der Gesellschaft für Geburtsvorbereitung und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Letztlich verlaufen alle Programme ziemlich ähnlich, so dass es wohl ziemlich egal und auch oft eine Frage freier Plätze ist, wofür man sich entscheidet. Weil die Kurse oft sehr begehrt sind, ist es ratsam, sich schon kurz nach der Geburt oder sogar schon davor für einen anzumelden.

Der Text erschien ursprünglich auf mamaclever.de.