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Getrennt zusammenMama und Papa sind nur noch Mitbewohner – kann das gut gehen?

Lesezeit 6 Minuten
Eltern streiten mit Kind GettyImages

Für Kinder und Eltern ist es schwierig damit umzugehen, wenn Mutter und Vater sich nicht mehr verstehen (Symbolbild). 

  1. Nach der Trennung wohnt eine Mutter weiter mit ihrem Ex-Partner und den gemeinsamen Kindern (8 und 10 Jahre) zusammen.
  2. Im Freundes- und Familienkreis stoßen sie mit dieser Entscheidung auf viel Unverständnis.
  3. Über ihre Erfahrungen und warum es für ihre Familie dennoch das richtige Modell ist, erzählt die Mutter im Gespräch mit unserer Autorin.

Trennt sich ein Paar, das gemeinsame Kinder hat, zieht in der Regel ein Partner aus und die Kinder pendeln zwischen den beiden Elternteilen. Doch was ist, wenn die Ex-Partner trotz Trennung einfach weiter zusammen wohnen?

Frau S., Ihre Kinder sind 8 und 10 Jahre alt und Sie leben mit Ihrem Ex-Partner zusammen in einer Wohngemeinschaft. Wie kam es dazu?

Wir beide haben irgendwann bemerkt, dass aus unserer Partnerschaft eine Art Bruder-und-Schwester-Verhältnis geworden ist. Wir wohnen in einer großen Stadt und hätten uns unsere Wohnung alleine jeweils nicht leisten können – also haben wir gesagt, lass uns hier erstmal gemeinsam wohnen bleiben. Die Idee war also aus der Not heraus geboren. Wir haben uns entschieden, wir machen das und gucken dann, wie es läuft.

Und wie läuft es?

Erstaunlich gut. Wir leben nun seit etwa einem Jahr in unserer Eltern-WG zusammen. Die Kinder finden es super, sie haben Mama und Papa immer bei sich, denn einer von uns ist immer da. Wir unternehmen auch noch öfter als Familie etwas zusammen, wir haben zum Beispiel einen Kleingarten, den wir noch gemeinsam bewirtschaften.

Aber Sie haben den Kindern schon erzählt, dass Sie sich getrennt haben, oder?

Ja, wir haben den Kindern erklärt, dass wir beide kein Paar mehr sind, aber trotzdem eine Familie bleiben möchten. Einerseits finden die Kinder das natürlich schade, sie haben oft gesagt, dass sie gerne hätten, dass wir beide heiraten. Andererseits finden sie das gut, weil wir als Eltern für sie immer greifbar sind. Sie müssen sich nicht entscheiden, ob sie zu Papa oder Mama gehen.

Warum ist es Ihnen wichtig, so zu leben?

Mein Ex-Partner hat zwei Kinder aus einer früheren Beziehung. Die hat er immer nur jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Ferien gesehen. Obwohl ich mich sehr gut mit seinen Kindern verstanden habe, habe ich sie oft im Alltag als sehr angestrengt erlebt, als sehr konzentriert. Vor allem wenn das Gespräch auf ihre Mutter kam, wirkten sie sehr zwiegespalten, so als ob sie bei uns nichts von der anderen Seite erzählen dürften. Das fand ich schrecklich für die Kinder. Solch eine Zerrissenheit möchte ich für unsere Kinder nicht. Auch deswegen leben wir dieses Modell.

Was sagt Ihr Umfeld zu dieser Mutter-Vater-Wohngemeinschaft?

Viele Freunde und Bekannte finden das merkwürdig, weil so ein Zusammenleben ja noch nicht gesellschaftlich akzeptiert ist. Wir hören schon mal so etwas wie: „Wie könnt ihr noch weiter zusammen wohnen, das macht man doch nicht, die Kinder brauchen doch klare Strukturen.“ Doch für unsere Kinder ist die Situation klar. Sie sprechen auch ganz offen mit ihren Freunden darüber.

Ihr Lebensmodell ist für viele wahrscheinlich einfach ungewohnt.

Ja, für viele Leute ist es komisch, dass man 16 Jahre zusammen war, sich dann trennt und trotzdem noch gemeinsam wohnt. Mein Ex-Partner und ich müssen das immer wieder erklären und uns auch rechtfertigen, das ist oft wirklich ziemlich anstrengend – auch unseren Eltern und Schwiegereltern gegenüber. Wir sagen dann immer: „Das ist unser Weg und wir gehen ihn weiter, bis er nicht mehr passt.“

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Gibt es etwas, was im Alltag nicht passt?

Klar. Mein Ex-Partner und ich sind inzwischen gute Freunde, aber auch nicht jeden Tag. Bei uns gibt es die üblichen Streitereien wie in anderen Familien auch: Wer hat die Socken oder die Krümel liegen gelassen? Wer hat meinen Joghurt gegessen? Wer hat seinen Haushaltsdienst nicht gemacht? Typische Diskussionen wie in anderen Wohngemeinschaften. Aber diese Streits gehen nicht mehr so ans Eingemachte, weil sich unsere emotionale Basis verändert hat. Das ist angenehm jetzt.

Wie schaffen Sie es denn, dass das Zusammenleben im Alltag möglichst reibungslos läuft?

Wir sprechen sehr viel miteinander. Inzwischen sogar mehr, als zu der Zeit, in der wir noch zusammen waren. Jede Woche setzen wir uns für anderthalb Stunden zusammen und besprechen: Was ist in dieser Woche zu tun? Welche Termine stehen an? Wie funktioniert unsere Basis? Manchmal arbeiten wir dabei eine richtige Liste mit Tagesordnungspunkten ab. Doch das funktioniert erstaunlich sachlich und gut.

Das klingt sehr reif und reflektiert. Solche Besprechungen gibt es ja nicht in jeder Familie.

Unser Zusammenleben ist nicht jeden Tag vernünftig und reif. Bei uns kracht es, wie in anderen Familien auch. Vor allem wenn man selbst gestresst ist, von der Arbeit oder von anderen Dingen. Dann potenziert sich das. Es kommt vor allem darauf an, wie zufrieden man gerade mit sich selbst ist. Doch wir reden viel und schreiben uns manche Sätze und Regeln auch auf. Ich arbeite als Sozialpädagogin und kenne verschiedene Kommunikationsstrategien. Wie spreche ich, wie kommt etwas an? Das ganze Thema rund um die gewaltfreie Kommunikation. Das ist im Alltag oft anstrengend, aber es funktioniert erstaunlich gut.

Schwieriger wird es wohl werden, wenn einer wieder einen neuen Partner hat.

Ja, die Frage wird dann sein, ob und wie diese Person in unsere Familie integriert werden kann. Ich bin da relativ offen. Ich gönne meinem Mitbewohner, dass er eine Frau findet, mit der er zufrieden sein kann. Das wird aber wahrscheinlich noch eine Zeit brauchen. Natürlich gehen wir nicht mehr oft gemeinsam aus und natürlich lernen wir auch neue Menschen kennen. Es kann durchaus sein, dass im Falle eines neuen Partners die Emotionen erst einmal hochkochen werden.

Und trotzdem: Es hört sich an, als sei dieses Lebensmodell für Sie genau das Richtige. Stimmt diese Wahrnehmung?

Momentan ist es so. Wir kennen eine Regenbogenfamilie, da leben zwei Mütter mit zwei Söhnen zusammen. Das funktioniert, also warum soll ein alternatives Modell bei uns nicht auch funktionieren? Auch wenn wir vielleicht nicht so leben, wie die Gesellschaft es von uns erwartet. Ich glaube, dass diese Form des Zusammenlebens schon ganz lange existiert, dass es oft nur nicht offen ausgesprochen wird. Meine Eltern zum Beispiel haben sich auch nicht ihr ganzes Leben lang geliebt. Küsse oder Umarmungen zwischen ihnen habe ich als Kind nicht mitbekommen. Viele Paare bleiben zusammen, weil Kinder da sind. Alles andere, die eigenen Bedürfnisse nach Nähe und Zärtlichkeit, fallen dann hinten runter. So möchte ich persönlich aber nicht leben.

Wie wird Ihr Zusammenleben aus heutiger Sicht weiter gehen? Was sind Ihre Pläne?

Wir wollen unser Modell erstmal weiterleben, so lange es funktioniert. Wir bleiben dabei flexibel. Unser Ziel ist: So lange unsere Kinder zu Hause wohnen, sollen sie Mama und Papa haben. Ob das dauerhaft klappt, weiß ich nicht.