In Sachen LiebeWie gehen wir als homosexuelles Paar mit Ablehnung um?
Ich bin seit einigen Jahren in einer festen Beziehung mit meinem Freund, und eigentlich sind wir sehr glücklich miteinander. Trotzdem spüren wir als homosexuelles Paar oft, wie gesellschaftliche Ablehnung und das Gefühl, „anders“ zu sein, in unser Leben hineinreichen. In der Familie, im Freundeskreis und im Berufsleben begegnen uns immer wieder subtile, aber verletzende Reaktionen – von einer irritierten Miene bis hin zu „gut gemeinten“ Ratschlägen, wir sollten uns doch zurückhalten, um „nicht aufzufallen“. Diese Erfahrungen verunsichern uns beide und lassen Zweifel aufkommen. Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt möglich ist, so frei zu leben, wie wir es uns wünschen. (Jan, 42)
Der Schmerz, den Sie beschreiben, zeigt, wie sehr das gesellschaftliche Umfeld Einfluss auf das persönliche Wohlbefinden und die Lebensqualität haben kann. Die irritierte Miene, der „wohlmeinende“ Rat, sich „unauffällig“ zu verhalten, sie sind nicht nur kleine Stiche im Alltag. Sie sind Symbole eines strukturellen Problems und können in der Summe eine massive Belastung darstellen. Gesellschaftliche Erwartungen und Stereotypen tragen dazu bei, dass es noch immer Bereiche gibt, in denen unter anderem queere Beziehungen weniger selbstverständlich akzeptiert sind – sei es im Arbeitsumfeld, in Familienstrukturen oder unter Freunden und Freundinnen.
In den vergangenen Jahrzehnten gab es wichtige Schritte in Richtung Gleichberechtigung und Offenheit, aber dennoch bleibt der Weg zur vollständigen Akzeptanz ein langer. Indem Sie und Ihr Partner Ihre Liebe und Ihre Lebensweise sichtbar machen, sind Sie Teil dieser Prozesse, ob sie es wollen oder nicht. Es erfordert Mut, die eigene Identität und Liebe offen zu leben, besonders wenn das Umfeld nicht so unterstützend reagiert, wie es wünschenswert wäre.
In unterstützenden Räumen Kraft tanken
Möglicherweise könnte es für Sie beide hilfreich sein, sich ganz bewusst in sichere und unterstützende Räume zu begeben – seien es queere Gemeinschaften, Selbsthilfegruppen oder auch Veranstaltungen, in denen Sie mit Menschen zusammenkommen, die Ihre Erfahrungen teilen. Diese Netzwerke können als Rückhalt dienen und ein wertvoller Raum sein, um Kraft zu tanken und sich in der eigenen Identität gestärkt zu fühlen. Ein starkes, unterstützendes Umfeld, das Wert auf Vielfalt legt, kann helfen, den inneren Druck zu mindern und das Gefühl zu vermitteln, dass Sie und Ihr Partner genauso willkommen sind wie alle anderen.
Auch im privaten Umfeld könnten Sie überlegen, wie viel Raum Sie Menschen einräumen, die Ihnen mit Ihrem Verhalten nicht guttun. In manchen Fällen können Gespräche helfen, Missverständnisse auszuräumen und zu vermitteln, wie bestimmtes Reden oder Handeln bei Ihnen ankommen. Sie werden nicht immer auf Verständnis stoßen, aber manchmal eröffnen sich beim Gegenüber doch neue Sichtweisen. Zumindest machen Sie deutlich, dass Sie für sich und Ihre Werte einstehen. Es ist gleichzeitig völlig legitim, den Kontakt zu Menschen zu reduzieren, die Ihnen und Ihrer Beziehung auf verletzende Weise begegnen, oder sich bewusst von ihnen abzugrenzen.
Vielleicht ist auch eine begleitende therapeutische Unterstützung hilfreich, um Ihren inneren Kompass zu stärken und emotionalen Belastungen im Alltag besser gewachsen zu sein. Es geht dabei weniger darum, gegen die eigene Verletztheit anzukämpfen, als vielmehr darum, sich immer wieder daran zu erinnern, dass Ihre Liebe, Ihre Identität und Ihr Lebensweg genau so wertvoll und richtig sind, wie Sie sie empfinden.
Die Stärke der Partnerschaft als Anker
Letztlich ist Ihr Wunsch nach einem freien, erfüllten Leben in Ihnen bereits präsent. Es scheint mir, dass Sie und Ihr Partner schon viel Stärke bewiesen haben, indem Sie diese Beziehung – trotz der Herausforderungen – leben und wertschätzen. Vielleicht könnte diese Stärke als eine Art Anker dienen, der Sie daran erinnert, dass Sie Ihr Leben auf Ihre Weise gestalten dürfen, unabhängig davon, was andere Menschen glauben oder wie sie reagieren.
Ich wünsche Ihnen die Kraft und Zuversicht, Ihren eigenen Weg zu gehen und Ihre Liebe als das zu sehen, was sie ist: eine wundervolle, eigenständige Verbindung, die verdient, ebenso respektiert und wertgeschätzt zu werden wie jede andere.
Leserfragen
Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung und online: die Psychotherapeuten Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner, die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald, Sexualberaterin Gitta Arntzen sowie der Urologe Volker Wittkamp. Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de