„Threenager“-AlltagErster Wutanfall beim Frühstück, weil Butter an der Salami klebt
Köln – „Huu-huu-huuuuuh!“ Was hier klingt wie eine hysterische Eule, die vom Baum gefallen ist, ist mein dreijähriger Sohn morgens um halb acht. Er jault mal wieder, weil etwas Furchtbares passiert ist: Das Knäckebrot ist zerbrochen. Und dann klebt auch noch Butter an der Salami. Verzweiflung pur mit Zappeln und Heulen. Und für mich der erste ratlose Moment des Tages – noch bevor ich überhaupt den ersten Schluck Morgen-Kaffee intus habe.
„Ist doch nicht so schlimm, Schatz, dünnes Brot zerbricht eben...“, setze ich halbherzig eine Erklärung an, ahne aber längst, dass hier kein Argumentieren hilft. Alles Humbug für den tobenden Wutbürger, der in diesem Frühstücks-Fiasko den Untergang der Zivilisation sieht.
Wie ein irrationaler Mini-Teenager
Da ich schon etwas länger im Muttergeschäft bin, weiß ich natürlich, dass Wutanfälle in diesem Alter dazu gehören. Und Kinder wegen lächerlichsten Gründen ausrasten. Weil sie Dinge noch nicht alleine können, es aber unbedingt wollen. Weil sie einen Plan im Kopf haben, der oft einfach nicht aufgeht. Weil sie die Welt rasant verstehen lernen müssen.
Für die tobenden großen Kleinkinder wurde sogar der Begriff „Threenager“ erfunden – eine sehr passende Kombination aus den Worten „Three“ (dt.: Drei) und „Teenager“, die mehr als plakativ darauf hinweist, dass ein dreijähriges Kind schon im Stande ist, äußerst pubertäre Verhaltensweisen an den Tag zu legen.
Und alle wissen, was das bedeutet. Ich weiß es auch. Also rein theoretisch. Praktisch ist es so, dass es mich immer noch sprachlos und wahnsinnig macht. Und ich regelmäßig wie ein sehr verwirrter Goliath vor einem zornig fuchtelnden David stehe.
Der fromme Wunsch: Nächstes Mal ruhig bleiben
An Nachmittag dann Weltuntergang Teil zwei – dieses Mal mit Publikum. Mein Sohn wünscht sich, mit dem Fahrradanhänger zum Spielplatz zu fahren. So soll es geschehen. Vor dem Heimweg dann der plötzliche Sinneswandel: „Mama, ich hab doch GESAGT, ich möchte U-BAHN fahren!“ Mein Hirn friert ein. „Aber du wolltest doch… und wir sind jetzt doch mit dem Fahrrad hier…“, versuche ich zu erwidern. Geschrei. Sirenenhaftes Geheul. Geschockte Blicke der Passanten.
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Ich atme und warte und unterdrücke die aufsteigende Wut in mir. Schließlich hatte ich mir vorgenommen: Dieses Mal kriegt es mich nicht! Ich spiele im Kopf durch, was Elternratgeber hier raten würden: „Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie da sind. Lassen Sie seine Gefühle gelten. Geben Sie ihm Zeit.“ Der Schweiß tritt mir auf die Stirn. Meine Stimme zittert beim Versuch, ruhig zu bleiben und ich zische ihm schließlich ein hysterisches „Hör auf jetzt!“ entgegen. Niederlage.
Die Suche nach der Logik eines Dreijährigen
Ich glaube, diese Situationen bringen mich jedes Mal wieder neu aus dem Konzept, weil sie einfach jegliche Logik vermissen lassen. Und das in einer Welt, in der von uns in der Regel erwartet wird, rational zu planen, überlegt zu denken und strukturiert zu handeln. Ein außer Kontrolle geratenes, völlig irrational handelndes Wesen wirkt da wie ein schillernder Besucher vom anderen Stern, eine Gestaltwerdung des blanken Wahnsinns. Der meist auch noch gerade dann einfällt, wenn man keine Nerven mehr hat. In Stoßzeiten allumfassender familiärer Müdigkeit.
Zehn Minuten oder auch ein gefühltes Jahrhundert später setzt sich das Söhnchen übrigens wortlos in den Fahrradanhänger, schnallt sich an und beginnt ein Liedchen zu singen. Meine Ohren klingeln noch vom Dauergeheul, da hat der Kleine die Episode einfach so weggeschoben und strotzt jetzt nur so vor Fröhlichkeit. Ich komme mir benutzt vor. Erschöpft steige ich aufs Rad.
Die Kunst der rasanten Stimmungswechsel
Er ist auch plötzlich wieder so niedlich. Am anderen Ende der rasanten Stimmungswechsel kann er nämlich der liebste, ausgeglichenste, lustigste Junge sein. Er schmust und hilft und ist ganz vernünftig. Eine Sekunde später dann wieder Wutanfall deluxe. Und ich schnaufe, schwitze und schimpfe. Ich tätschele, tröste und trete mit dem Fuß gegen Türen.
Und immer wenn ich glaube, endlich darauf vorbereitet zu sein, passiert wieder etwas Neues. Wie neulich im Café. Nach einem unentspannten Kuchenessen mit einem völlig beratungsresistenten Kind erhebe ich doch wieder meine Stimme und sage zornig den wohl altbackensten Eltern-Satz überhaupt: „Wenn du dich nicht benehmen kannst, dann kann ich mit dir nicht mehr ins Café gehen!“ Mein Sohn macht nur ein abgeklärtes Gesicht und antwortet schlicht: „Wenn du mich so anschreist, will ich überhaupt nicht mehr mit dir ins Café gehen!“. Touché. Schon wieder sprachlos.