StudieKinderlos (un)glücklich
Die Fernsehmoderatorin Nina Ruge schmerzt ihre Kinderlosigkeit. „Bis wir so weit waren, Kinder haben zu wollen, war es zu spät“, sagte die 60-Jährige der Zeitschrift Gala aktuell in einem Interview. Ruge gehört damit zu den Frauen, die im Alter darüber nachdenken, wie und ob ihr Leben mit Kindern anders, glücklicher oder schlechter verlaufen wäre. Damit ist sie nicht allein.
Heute bleibt jede fünfte Frau in Deutschland zwischen 40 und 44 Jahren kinderlos – ob gewollt oder ungewollt, ist nicht erfasst. Bei Akademikerinnen sind es noch mehr. Laut statistischem Bundesamt bleiben 30 Prozent der Frauen mit Hochschulabschluss in den alten Bundesländern ohne Kind. In den Städten ist dies besonders ausgeprägt.
3000 Deutsche befragt
Eine Studie vom Markt- und Sozialforschungsinstitut Infas und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), die das Magazin Die Zeit in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Ergebnis, dass die Mehrzahl der kinderlosen Frauen bereue, nicht Mutter geworden zu sein. Für die sogenannte „Vermächtnisstudie“ wurden im vergangenen Jahr mehr als 3000 Menschen in Deutschland befragt. Die Wissenschaftler verglichen unter anderem Aussagen von Müttern und Vätern mit den Aussagen kinderloser Frauen und Männer.
Nicht überraschend war, dass 95 Prozent der Mütter und 93 Prozent der Väter die eigenen Kinder als „sehr wichtig“ erachteten. Die Zahl sank jedoch bei dieser Frage: „Wie wichtig sollte es allen Menschen in Zukunft sein, eigene Kinde zu haben?“ Bei den Müttern ging die Zahl um 13 Prozentpunkte herunter, bei den Vätern um fünf Prozentpunkte.
Unterschiedliche Perspektiven
Umgekehrt verhielt es sich bei den Interviews mit Frauen und Männern, die bisher keine Kinder haben: Sie befanden, dass der kommenden Generation Kinder wichtiger sein sollten, als es bei ihnen selbst der Fall war. Daraus ergebe sich, dass Männer wie Frauen, die noch nicht Eltern seien, bereuten, „keine Kinder bekommen zu haben“, interpretiert die Autorin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums, Jutta Allmendinger, die Ergebnisse. „Es herrscht ein starker Kinderwunsch bei jenen, die die Erfahrungen, Anstrengungen und Widersprüche einer Elternschaft noch nicht kennengelernt haben – insbesondere bei Männern.“ Wer allerdings wisse, was es bedeute, „Kinder zu gebären und aufzuziehen, neigt zur Vorsicht“, sagt Allmendinger.
Und zu noch einem Ergebnis kam die Soziologin. Die befragten Eltern wurden auch auf Unterschiede zwischen Alter, Einkommen, Herkunft, Bildung, Kinderzahl und Freundeskreis untersucht. Dabei kam heraus, dass ein hoher Bildungsabschluss der Mütter oft zur Reue in der Kinderfrage drängt.
Damit bekommt auch die „Regretting Motherhood“-Diskussion neue empirische Nahrung. Die israelische Autorin Orna Donath hatte 2015 eine Studie veröffentlicht, in dem es um Frauen ging, die ihre Mutterschaft im Nachhinein bereuten. Die Wissenschaftlerin hatte 23 israelische Mütter zwischen Mitte 20 und 70 Jahren in Interviews zu ihrer Mutterrolle befragt. Sie fragte: „Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie dann noch einmal Mutter werden, mit dem Wissen, das Sie heute haben?“ Alle Frauen beantworteten diese Frage mit „Nein“.
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