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Fisch-Spa, Brust-PeelingHotel-Testerin berichtet von ihren kuriosesten Erlebnissen

Lesezeit 6 Minuten

Hotel-Testerin Andrea Labonte ist studierte Betriebswirtin.

Ein Wochenende lang einfach mal abschalten vom Alltag: Dafür reisen viele Urlauber in ein Wellnesshotel. Doch Wellnesshotel ist nicht gleich Wellnesshotel. Das weiß kaum jemand so gut wie Andrea Labonte (37). Im Gespräch erzählt die Hotel-Testerin, was einen guten Hotelier auszeichnet, worauf Urlauber bei der Buchung achten sollten und warum sie einmal reflexartig aus einer Sauna geflüchtet ist.

Sie arbeiten als Hotel-Testerin – nicht gerade ein gewöhnlicher Beruf. Wie sind Sie zu diesem Job gekommen?

Andrea Labonte: 2006 habe ich mit meinem heutigen Mann ein verlängertes Wellness-Wochenende in einem eher mittelmäßigen Tiroler Hotel verbracht. Hätten wir im Vorfeld mehr über das Hotel gewusst, hätten wir es nicht gebucht. Das war die Initialzündung. Damals gab es noch kein Online-Hotelbewertungsportal mit dem Schwerpunkt Wellness. Also haben wir unser Hobby mit Wellness Heaven kurzerhand zum Beruf gemacht.

Zusammen mit ihrem Mann betreibt Andrea Labonte, Jahrgang 1978, das Bewertungsportal Wellness Heaven. Insgesamt 18 Hotel-Tester prüfen und bewerten für die Webseite ausgesuchte Wellness-Hotels in Europa und Asien. Seit 2006 hat Andrea Labonte durch ihren Job mehr als 230 Hotels und gut 370 Wellness-Anwendungen getestet. Sie lebt mit Mann und Sohn am Starnberger See in Bayern.

Wie bewertet man ein Hotel? Welche Kriterien untersuchen Sie?

Wir achten bei unseren dreitägigen Hoteltests auf jedes Detail. Die Qualität eines frisch gepressten Orangensafts beim Frühstück bewerten wir ebenso wie die Aussicht vom Whirlpool. Insgesamt evaluieren wir über 500 Kriterien. So kommen Einzelnoten in fünf Bewertungskategorien (Spa, Kulinarik, Zimmer, Lage und Service) sowie eine Gesamtbewertung zustande.

Bewerten Sie die Hotels inkognito?

Nein, unsere Tester kommen vorangemeldet. Die Ergebnisse sind aber trotzdem verlässlich, weil wir bei den Checks besonders die „Hardware“ eines Hotels prüfen. Dazu gehören beispielsweise die Größe, Vielfalt und Qualität des Hotel-Spas, die Ausstattung der Zimmer und Suiten, die Lage des Hotels oder das kulinarische Angebot. Wie viele Pools, in welcher Größe, Qualität und Varietät sind in dem Hotel vorhanden? Gibt es einen Indoor-, Outdoor, Sole-, oder Meerwasserpool?

Wie abwechslungsreich und vielfältig ist die Saunalandschaft? Wie ist das Können des Küchenpersonals einzuschätzen? An solchen Faktoren kann ein Hotelier kurzfristig wenig ändern: Entweder verfügt ein Wellnesshotel über eine ausgezeichnete, ruhige Lage oder eben nicht.

Die Beine baumeln lassen: In solchen Momenten liebt Hotel-Testerin Andrea Labonte ihren Job.

Verlieren Sie bei so vielen Punkten schon mal den Überblick?

Nein. Als Quantenphysiker hat mein Mann einen Algorithmus entwickelt, der den Testern hilft, ein objektives Urteil zu fällen. Es ist allerdings sehr herausfordernd, alle Kriterien innerhalb kurzer Zeit zu erfassen und zu bewerten.

Jetzt mal ehrlich, ist es manchmal eklig, Hotel-Testerin zu sein?

Sie meinen bestimmt das Klischee, dass sich unsere Berufsgruppe im ständigen, unermüdlichen Kampf gegen Schimmel, Verschmutzungen und ekliges Getier befindet. Da wir nur wirklich gute Hotels empfehlen möchten, testen wir in der Regel Hotels im oberen Marktsegment, die es sich nicht leisten können, extreme Fauxpas in Sachen Hygiene zu begehen.

Andererseits weiß ich inzwischen aber auch, warum sehr gute Wellness-Hotels über separate Familien-Spas verfügen und warum der Whirlpool für Säuglinge und Kleinkinder tabu ist.

Ich werde nie vergessen, wie ich einmal in einer Sauna saß und sich plötzlich ein stark schwitzender Sitznachbar in meine Richtung schüttelte. Mein spontaner Instinkt: Flüchten! Ein anderes Mal musste ich mit ansehen, wie ein Miturlauber, der unter blühendem Fußpilz litt, sich im Fisch-Spa des Hotels die Hornhaut abknabbern ließ. Das war bestimmt das schlimmste Ekelgefühl, das ich je hatte. Und die Fische taten mir einfach nur leid.

Treffen Sie mitunter auch merkwürdige Hotelmitarbeiter?

Ja, das kommt vor. Einmal hat mich ein Masseur gefragt, ob ich im Zuge eines Ganzkörperpeelings auch eine gepeelte Brust wünsche. Bis heute hat sich mir die Sinnhaftigkeit einer glatt gebohnerten Brust nicht offenbart. Dass mich eine Kosmetikerin als Damenbart-Trägerin einstufte und mir ein kleines Face-Waxing über der Oberlippe verpasste, zählt ebenfalls zu einem meiner denkwürdigen Erlebnisse.

Auch eine überambitionierte Personal Trainerin hat sich mir ins Gedächtnis gebrannt. Sie hat den Nordic-Walking-Anfängerkurs, den mein Mann und ich gebucht hatten, kurzerhand abgebrochen, weil wir scheinbar nicht den richtigen Walking-Rhythmus drauf hatten.

Es gibt aber bestimmt auch viele schöne Seiten an dem Job, oder?

Absolut. An erster Stelle natürlich das Reisen. Jedes Mal, wenn ich meinen Koffer packe, freue ich mich auf die bevorstehenden Abenteuer, neuen Begegnungen und die vielen Geschichten, die es nach jeder Reise zu erzählen gibt.

Nächste Seite: Die schönsten Momente als Hotel-Testerin: und: So erkennen Sie ein schlechtes Hotel sofort.

Zum Beispiel? Was war Ihr schönstes Erlebnis?

Wahre Gänsehaut-Momente sind für mich, wenn ich in der Natur unterwegs bin. Wenn ich durch einen schillernd bunten Schwarm von Fischen schnorchele und plötzlich neben mir ganz nah eine Schildkröte auftaucht. Ein anderes Mal wurde ich während eines Boot-Transfers vom Flughafen zur Hotelinsel plötzlich von Delfinen begleitet. In solchen Momenten bin ich unglaublich dankbar für die Freiheit und die Überraschungen, die mein Beruf mit sich bringt.

Was raten Sie als Expertin Urlaubern: Woran erkennt man eine schlechte Unterkunft auf den ersten Blick?

An mangelndem Engagement und fehlender Leidenschaft des Hoteliers. Oder anders ausgedrückt: Hervorragende Wellnesshotels zeichnen sich durch ein hohes Maß an Einsatz und Kreativität des Gastgebers aus. Fehlt die Liebe des Gastgebers zu seinem Haus und sein Wohlwollen den Gästen gegenüber, merkt man das einfach.

Ich spüre schon am Empfang, ob ich in diesem Hotel wirklich willkommen bin. Werde ich freundlich begrüßt und bekomme vielleicht ein kühles Erfrischungstuch gereicht? Blicke ich während einer Massage auf den nackten Boden oder erfreue ich mich am Anblick einer Blume? Kleine liebevolle Details sorgen oft für einen „Wow-Effekt“. Das muss gar nicht viel kosten, da geht es einfach um Aufmerksamkeit dem Gast gegenüber.

Ein Gesichtspeeling ist nur eine von vielen Anwendungen, die Andrea Labonte in Wellness-Hotels testet.

Worauf sollten Urlauber bei der Buchung achten?

Auf die gleichen Dinge, wie wenn sie eine gute Immobilie kaufen würden. Ganz wichtig: Checken Sie die Lage. Unsere Statistiken haben außerdem gezeigt, dass es zwischen der Größe des Spas und der Qualität eines Wellnesshotels eine gewisse Verbindung gibt. Denn große Wellnessbereiche sind immer auch ein Indiz für Vielfalt. Allerdings kann man das nicht verallgemeinern. Denn erfreulicherweise existieren auch viele kleine sehr feine Spas.

Interessant ist auch die Frage, wo sich der Hotel-Spa befindet. Die Lage in dunklen, veralteten Souterrains sprechen nicht unbedingt für ein großartiges Spa-Erlebnis.

Ist ein gutes Wellness-Hotel immer auch teuer?

Nicht zwangsläufig. Meiner Erfahrung nach kommt es sehr stark auf die individuellen Bedürfnisse des Reisenden an. Es gibt wunderschöne kleine und günstige Hotels, die hohe Qualität liefern. Sie leben oft von ihrer einzigartigen Lage und der Herzlichkeit der Gastgeberfamilie.

Ist man allerdings auf der Suche nach dem „Rundum-Sorglos-Paket“ mit Haute Cuisine, einem großen und abwechslungsreichen Spa, top ausgestatteten Zimmern und einem 24-Stunden-Hotelservice, dann muss man etwas tiefer in die Tasche greifen.