Neuer AtlasWie viel Alkohol Männer und Frauen maximal in der Woche trinken sollten
Heidelberg – „Ein Gläschen in Ehren, kann niemand verwehren“- der Trinkspruch blendet nach Erkenntnissen von Experten die Gesundheitsrisiken von Alkohol aus. Auch die Annahme, dass geringe Mengen Alkohol vor bestimmten Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen könnten, lassen sie nicht gelten. „Dieser Effekt wird durch die schädliche Wirkung des Alkohols auf andere Organe mehr als aufgehoben“, meint Kathrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Die Autorin des eben publizierten Alkoholatlas 2022 von DKFZ, Krebshilfe und Deutscher Krebsgesellschaft fügt hinzu: „Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass Alkohol ein erheblicher Krebsrisikofaktor ist. Für die Krebsprävention gilt: Am besten ist es, gar keinen Alkohol zu trinken.“
Schätzungen zufolge gingen im Jahr 2022 bundesweit mehr als 8000 Krebstodesfälle - rund 6200 bei Männern und 2100 bei Frauen - auf Alkoholkonsum zurück. Dies entspricht bei Männern einem Anteil von rund sechs Prozent an allen Krebstodesfällen und bei Frauen einem Anteil von drei Prozent. Das Erkrankungsrisiko steigt dem Bericht zufolge mit zunehmender Menge und Häufigkeit der Aufnahme des Zellgifts. Bereits ein geringer Alkoholkonsum von bis zu 12,5 Gramm Alkohol pro Tag erhöht das Risiko für die Entstehung von Krebs in Mund und Rachen, der Speiseröhre und der weiblichen Brust. Ein Verbrauch von mehr als 50 Gramm Alkohol pro Tag erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, an Leber-, Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken. Zum Vergleich: 0,3 Liter Bier enthalten etwa 10 bis 12 Gramm Alkohol. „Durch Alkoholkonsum gehen viele in guter Gesundheit verbrachte Lebensjahre verloren“, heißt es in dem Atlas. Die meisten durch Alkoholkonsum verursachten Todesfälle treten demnach im Alter von 20 bis 50 Jahren auf.
Mindestens zwei alkoholfreie Tage pro Woche
Wer dennoch nicht auf Alkoholika verzichten möchte, dem wird im Alkoholatlas geraten, pro Tag die Menge von 0,6 Liter Bier oder 0,3 Liter Wein für Männer und 0,3 Liter Bier oder 0,15 Liter Wein für Frauen nicht zu überschreiten sowie mindestens zwei alkoholfreie Tage pro Woche einzulegen. Weiteres Resultat: Sozialer Status schützt nicht vor übermäßigem Konsum. Riskante Mengen von mindestens 10 Gramm Reinalkohol täglich konsumieren etwa 16 Prozent der Frauen mit höherer Bildung - mehr als doppelt so viele wie Frauen mit geringer Bildung. Bei den Männern liegen fast 18 Prozent der Gebildeten über dem für sie bedenklichen Konsum von 20 Gramm pro Tag, bei den wenig Gebildeten sind es nur knapp 12 Prozent.
Auch bei der regionalen Verteilung der Erkrankungen gibt es Unterschiede. Von den im Jahr 2020 rund 14 200 an einer ausschließlich durch Alkoholkonsum bedingten Krankheit Verstorbenen kamen die meisten aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Am seltensten waren diese Todesfälle bei Frauen in Thüringen und Baden-Württemberg, bei Männern in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
Höhere Steuern, weniger Werbung
Angesichts Tausender alkoholbedingter Krebsneuerkrankungen im Jahr appellieren Experten an die Politik, die Steuern für Alkohol zu erhöhen, das Abgabealter dafür anzuheben und die Werbung dafür einzuschränken. Nach Ansicht der Experten ließe sich der Konsum reduzieren, indem man Alkohol verteuert. Bei der Steuer auf Alkohol sehen sie noch Luft nach oben. Derzeit beträgt die Alkoholsteuer 1303 Euro pro Hektoliter reinen Alkohols. Jährlichen Einnahmen aus dieser Steuer von 3,2 Milliarden Euro stehen den Gesellschaften zufolge direkte und indirekte Kosten von 57 Milliarden Euro gegenüber. „Steuererhöhungen sollten sich spürbar auf die Preise auswirken und regelmäßig wiederholt werden“, betont Schaller. In anderen Ländern habe ein Preisanstieg von 10 Prozent den Konsum um sechs Prozent gedrückt.
Weitere Baustelle ist der Jugendschutz. Derzeit dürfen Jugendliche ab 14 in Begleitung ihrer Eltern Wein und Bier trinken, ab 16 unbeaufsichtigt. Mit 18 Jahren kommen dann harte Drinks wie Rum, Schnaps und Wodka hinzu. Die Krebsgesellschaften plädieren für ein einheitliches Limit von 18 Jahren für den Konsum aller Arten alkoholischer Getränke, unabhängig davon, ob Eltern dabei sind. Auch bei der Werbung sehen die Fachleute noch ungenutzte Stellschrauben; bislang gibt es nur das Verbot von Alkoholwerbung vor 18 Uhr im Kino. „Dringend fordern wir zunächst zumindest ein Verbot von Werbung im Kontext von Sportveranstaltungen aller Art“, sagt Schaller.
Krebshilfe-Chef Gerd Nettekoven resümiert, jeder könne ungesunde Gewohnheiten aufgeben. „Doch die Krebsprävention ist keine reine Privatsache.“ Die Politik müsse Bedingungen schaffen, die eine gesunde Lebensweise förderten. (dpa)