Männer-TÜVUrologe – Männer sollten einmal im Monat ihre Hoden „warten”
- Urologe Dr. Christoph Pies erklärt, warum viele Männer nicht zum Arzt gehen und warum sie das dringend ändern sollten.
- Um es ihnen leichter zu machen, hat der Arzt das Buch „Männer-TÜV” geschrieben, eine Anleitung zur „Wartung” des männlichen Körpers.
- Im Interview erklärt Pies, worauf Männer bei sich achten sollten und in welchem Alter welche Untersuchung wichtig wird.
Köln – Männer gehen nicht so häufig zum Arzt wie Frauen, ignorieren chronische Krankheiten jahrelang und sterben immer noch früher. Dr. Christoph Pies möchte das mit seinem Buch „Männer-TÜV” ändern und Männern zeigen, warum niemand Angst vor Vorsorgeuntersuchungen haben muss – schließlich sollen sie schlimmeren Krankheiten vorbeugen. Im Interview erklärt der Urologe, auf was Männer besonders achten sollten, in welchem Alter welche Untersuchungen wichtig werden und was der Mann selbst für seine Gesundheit tun kann.
Gehen Männer wirklich nicht zum Arzt?
Dr. Christoph Pies: Männer nehmen seltener Vorsorgeuntersuchungen wahr als Frauen. Die Vorsorgequote bei Frauen liegt bei über 40 Prozent, bei Männern nur bei gut 20 Prozent. Zwar haben drei von vier Männern ausgeprägte Krankheitsängste, nutzen aber die angebotenen Untersuchungen aus Angst vor einer schlimmen Diagnose und den daraus folgenden Konsequenzen nicht.
Krankheit bedeutet schließlich Schwäche und das passt für viele nicht in das Rollenverständnis eines starken Mannes. Und so entwickelt er Vermeidungsstrategien: Auf der Arztbesuch-Ausredenliste findet sich Zeitmangel auf Platz eins, gefolgt von Angst vor einer schlechten Diagnose und bei urologischen Untersuchungen der Respekt vor der Prostatauntersuchung mit dem Finger.
Ist Männern ihre Gesundheit nicht wichtig, oder wissen sie nur zu wenig darüber?
Pies: Ich denke es ist eine Mischung aus fehlender Risikokompetenz, kurzsichtigem Denken und Verdrängungsmechanismen. Einfache und offensichtliche Zusammenhänge zwischen Verhaltensweisen wie Rauchen, übermäßigem Essen und Trinken, mangelnder Bewegung, intensivem Sonnenbaden, Stress und auftretenden Krankheiten werden beharrlich geleugnet. Männer haben auch ein geringeres Gesundheitswissen als Frauen, haben häufiger chronische Krankheiten und pflegen einen anderen Umgang damit. Männer haben deshalb eine um sieben Jahre kürzere Lebenserwartung als Frauen. Beim Auto hingegen leuchtet es dem Mann ein, dass eine pflegliche Behandlung zu einer längeren Lebensdauer führt.
Haben Sie deshalb Ihr Buch in Auto-Analogien geschrieben? Sind Männer wirklich nur so für ihre Gesundheit zu begeistern?
Pies: Ich hoffe es sehr, denn darauf basiert die Idee und das gesamte Konzept meines Buches. Für Männer ist es oft leichter, wenn sie ganz schematisch und systematisch nach Plan vorgehen und Checklisten abarbeiten können. Mein Bestreben ist, diese Strategie, die bei der Autowartung und -inspektion für den Mann ganz selbstverständlich ist, auch auf sein Gesundheitsverhalten zu übertragen.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Männer denken, dass „sie es schon merken würden, wenn etwas kaputt geht“. Warum sollten Männer ihr Denken verändern?
Pies: Wir sehen immer wieder Männer, die sich teilweise über Jahre mit massiven Beschwerden herumschleppen, bevor sie irgendwann als Notfall in eine Praxis oder ins Krankenhaus kommen. Es ist eine Art Vogel-Strauss-Taktik, die der Mann an den Tag legt: Kopf in den Sand stecken und nichts sehen und hören wollen. Erst wenn etwas kaputt ist, lässt man es reparieren. Also eher Reparaturmedizin als Vorsorgemedizin.
Was sind die wichtigsten Aspekte der Männer-Gesundheit?
Pies: Das lässt sich gut im Autovergleich erklären: Ein Neuwagen braucht in den ersten Jahren recht wenig Wartung. Der erste TÜV steht erst nach drei Jahren an. Wenn ein Auto bereits acht oder zehn Jahre alt ist, kommen die kritischen Jahre, in denen sich entscheidet, ob daraus mal ein Oldtimer werden kann. Insbesondere Verschleißteile müssen regelmäßig kontrolliert, gewartet oder gewechselt werden.
Das gilt genauso für den Mann – diese kritische Phase, in der entscheidende Weichen fürs Alter gestellt werden, erreichen Männer zwischen 40 und 60 Jahren. Viele Männer beklagen dann schon ein anfälligeres Herz-Kreislauf-System, beginnende Gedächtnisstörungen und orthopädischen Verschleiß. Die Krebswahrscheinlichkeit steigt ebenso wie die Anfälligkeit für Volkskrankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes. Das Immunsystem und schützende Stresshormone sowie der Terstosteronspiegel werden bereits langsam zurückgefahren.
Empfohlene Vorsorgeuntersuchungen
Jungs zwischen neun und 17 Jahren sollten sich gegen HPV impfen lassen, denn humane Papillom-Viren können beim Mann Viruswarzen und bei der Frau auch Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs auslösen.
Ab 35 erfolgt dann alle drei Jahre ein Gesundheits-Check-up beim Hausarzt (Herz-Kreislauf, Diabetes und Nieren, Urinkontrolle und erweiterte Blutuntersuchung mit Fettwerten), ebenso ein Hautkrebs-Screening alle zwei Jahre.
Mit 45 wird eine körperliche Untersuchung mit Abtasten von Leistenregion, Penis, Hoden und Prostata jährlich empfohlen. Bei familiärer Belastung mit Prostatakrebs sollte man schon mit 40 damit beginnen.
Ab 50 beginnt die Darmkrebsvorsorge, die wahlweise einen jährlichen Test auf verstecktes Blut im Stuhl oder zwei Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren beinhaltet.
Ab 60 sollte man die Grippeschutzimpfung nicht vergessen und mit 65 wird im Ultraschall nach Erweiterungen der Bauchschlagader gesucht.Darüber hinaus gibt es auch Zusatzuntersuchungen wie beispielsweise den Prostatakrebstest PSA, die im Einzelfall durchaus Sinn machen können.
Frauen können zur Brustkrebsvorsorge selbst ihre Brüste abtasten. Gibt es auch für Männer eine solche Art der Vorsorge, die sie selbst zu Hause in regelmäßigen Abständen durchführen sollten?
Pies: Junge Männer bis 40 Jahre sollten ihre Hoden etwa monatlich selbst auf Verhärtungen hin abtasten. Neben beispielsweise Urinteststreifen aus der Apotheke oder Blutdruckmessgeräten aus dem Sanitätshaus bieten ja auch viele Gesundheits-Apps bereits Funktionen zur Kontrolle von Körperfunktionen wie Puls und Herzrhythmus. Meine Erfahrung zeigt aber, dass diese Selbstüberwachung eher einer gewissen Hypochondrie Vorschub leistet. Oft ist es besser, auf sein gesundes Gefühl für den eigenen Körper gut zu hören.
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Kommen Männer auch in die Wechseljahre und was sollten sie dabei beachten?
Pies: Ja, es gibt die Wechseljahre des Mannes, auch wenn der Begriff für Männer etwas irreführend ist, da dieser Prozess eher schleichend verläuft. Aber schon ab dem 45. Lebensjahr nimmt die Testosteronkonzentration im Blut eines Mannes um etwa ein Prozent pro Jahr ab. Jeder fünfte Mann ab 60 hat zu wenig Testosteron. Die daraus resultierenden Symptome sind eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Erektionsstörungen und ein Libidoverlust. Auch Übergewicht wird begünstigt. Wichtig zur Stabilisierung des Testosteronspiegels sind Bewegung, Sport und gesunde Ernährung.
Frauen sollten bei der Intimhygiene besser keine Seife oder Duschgels benutzen. Was gilt für Männer?
Pies: Viele Männer reinigen mehrfach täglich den Genitalbereich mit aggressiven Waschmitteln und benutzen diverse Pflegemittel. Aus einem „Viel hilft viel“ wird dann schnell ein „Zuviel des Guten“. Das natürliche Gleichgewicht der Hautflora und des Säureschutzmantels werden zerstört, mit der Folge, dass Pilze überwuchern.
Ein bis zwei Reinigungen des Intimbereichs am Tag reichen aus. Dabei sollten keine Seifen, Feuchttücher oder Intimdeodorants verwendet werden. Grundsätzlich ist klares lauwarmes Wasser zum Reinigen am besten geeignet. Schließlich reinigt auch niemand seinen Autolack mit Terpentin!
Herr Pies, vielen Dank für das Gespräch.
Zum Weiterlesen: Dr. Christoph Pies, „Männer-Tüv. Das Praxis-Handbuch zur Männergesundheit.”, Herbig, ISBN: 978-3-7766-2836-4, 20 Euro