Ältere Menschen, die keine Vorerkrankungen von Herz oder Kreislauf haben, sollten auf eine Vorbeugung mit Aspirin eher verzichten.
Mehr Nutzen oder Risiken?Für wen Aspirin zur Vorbeugung sinnvoll sein kann und für wen nicht
Der Wirkstoff: Azetylsalizylsäure, kurz ASS. Und Aspirin ist nur einer der Namen für dieses Wundermittel, es gibt mittlerweile zahlreiche Hersteller. ASS wirkt gegen Schmerzen und gegen Fieber. Weitere Wirkungen werden diskutiert. Vor allem aber beugt ASS auch Blutgerinnseln vor. Deshalb wird die „kleine“ Aspirin oder ASS, in der Dosierung von täglich nur 100 Milligramm, oft nach Herzinfarkt oder Schlaganfall zur Vorbeugung verschrieben. Oft lebenslang. Und seit Jahrzehnten wird immer wieder die Frage gestellt, ob diese Tablette nicht auch bei gesunden Menschen einen Überlebensvorteil bringen könnte. Auch ohne vorausgegangenen Infarkt oder Schlaganfall.
Die Risiko-Nutzen-Abwägung ist knifflig. Denn auch wenn es „nur“ eine Aspirin ist, auch wenn sie „nur“ 100 Milligramm Wirkstoff enthält – sie wirkt. ASS gilt als „Blutverdünner“. Der Begriff ist einfach verständlich, aber leider falsch. Denn ASS ist ein so genannter Thrombozyten-Aggregations-Hemmer: Es reduziert oder verhindert das Zusammenklumpen der Blutplättchen. Das kann lebenswichtig werden, etwa wenn Blutgefäße enger werden, wenn deren Oberfläche aufgeraut ist, wenn der Blutfluss langsamer wird oder stockt. Dann kann diese Aggregation möglicherweise einen Schlaganfall oder Infarkt auslösen – eine Aggregations-Hemmung dieses möglicherweise verhindern.
Die Einnahme von ASS erhöht das Risiko einer Blutung
Aber dieser Eingriff in die Blutgerinnung hat eben nicht nur Nutzen, sondern auch Risiken: Er erhöht das Risiko einer Blutung. Dabei geht es nicht um banale Schnittwunden. Es geht vor allem um Blutung im Kopf, und das vor allem nach Stürzen. Die sind gerade in der diskutierten Gruppe älterer Menschen nicht selten. Und nicht ungefährlich: Weil das Gehirn im Schädel keinen Reserveplatz hat, kann eine Blutung schnell den Druck lebensgefährlich erhöhen.
Aber passiert das unter ASS leichter? Eine aktuelle Antwort hat eine große Datenanalyse australischer Forscher gegeben: 19000 freiwillige ältere Probanden bekamen entweder ASS oder ein Placebo. Es gab zwei entscheidende Ergebnisse: Die Forscher fanden keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit von Schlaganfällen beider Gruppen. Das heißt, ASS schützt gesunde, ältere Menschen ohne Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen wohl eher nicht. Das zweite Ergebnis: Im Beobachtungszeitraum gab es unter den 19000 Probanden 187 Hirnblutungen (im Gehirn oder auf der Hirnoberfläche). Das ist einerseits erstaunlich wenig. Andererseits fällt aber auf, dass 108 dieser Blutungen unter dem Medikament ASS auftraten, aber nur 79 in der Placebogruppe.
Menschen, die keine Vorerkrankungen haben, sollten auf eine Vorbeugung mit ASS eher verzichten
Wie gesagt: Das Risiko scheint klein, aber es ist trotzdem erhöht. Die Antwort auf die entscheidende Frage scheint aber eindeutig: Ältere Menschen, die keine Vorerkrankungen von Herz oder Kreislauf haben, die keinen Schlaganfall oder Herzinfarkt hatten, sollten auf eine Vorbeugung mit ASS eher verzichten. Gibt es dagegen Risikofaktoren oder entsprechende Vorerkrankungen, dann kann ein Gespräch mit dem Hausarzt Klarheit bringen.