Neue ErkenntnisseCovid-19 – darum leiden Männer häufiger an einem schweren Verlauf
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In seiner Kolumne „Aus der Praxis” schreibt Dr. Magnus Heier wöchentlich über ein wichtiges, medizinisches Thema.
Diesmal geht es um die viel diskutierte Frage, wieso Männer ein höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben.
Eine neue Studie liefert möglicherweise eine Antwort auf diese Frage.
Köln – Eines der vielen Geheimnisse des neuen Coronavirus ist seine unterschiedliche Wirkung auf Frauen und Männer: Es trifft Männer schwerer! Dabei geht es nicht um die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren – die ist mehr oder weniger gleich. Aber bei Männern kommt es nach einer Infektion häufiger zu einem schweren – und auch zu einem tödlichen Verlauf. Warum ist das so?
Männer sterben doppelt so oft an Covid-19
Am Anfang der Pandemie hatte man für das schon damals in China beobachtete Phänomen schnell eine Erklärung parat: In China rauchen fast keine Frauen, aber fast alle Männer. Und das häufigere Rauchen ist eine hochplausible Erklärung: Eine chronisch entzündete Lunge dürfte anfälliger für ein Virus sein, das vor allem die Lunge befällt.
Nun zeigte sich aber, dass die Geschlechtsunterschiede auch in Ländern gelten, in denen sich die Rauchgewohnheiten zwischen Frauen und Männern deutlich weniger unterscheiden. Auch hierzulande sterben – wie das Robert Koch-Institut mitteilt – etwa doppelt so viele Männer wie Frauen an dem neuen Virus (das gilt bis zum Alter von etwa 80 Jahren, danach wird die Statistik schwierig). Warum ist das so? Die naheliegenden Erklärungen – Frauen leben gesünder, essen vernünftiger – greifen zu kurz. Eher scheint es schon plausibel, dass Frauen schneller zum Arzt gehen, während Männer durchhalten, bis es wirklich nicht mehr geht. Aber auch das ist wohl nur eine Teilerklärung. Hinzu kommt allerdings, dass vor allem Herz-Kreislauferkrankungen bei Männern häufiger sind – und genau die führen bei Coronainfektionen häufig zu schwereren Verläufen.
Hinzu kommt nun aber eine ebenso neue wie irritierende Beobachtung: Viren finden im Männerkörper mehr Eintrittspforten in die Zellen! Das Prinzip der Infektion ist kompliziert. Viren können sich nur vermehren, wenn sie in Körperzellen eindringen und diese so manipulieren, dass sie ihren Stoffwechsel so umstellen, dass fast nur noch Viren produziert werden. Anschließend stirbt die Zelle ab. Aber der Eintritt in die Zelle braucht spezielle Schlösser, in die das Virus wie ein Schlüssel passt und sie dadurch öffnen kann.
Eines dieser Schlösser heißt ACE2-Rezeptor. Und dieser Rezeptor ist bei Männern häufiger als bei Frauen, wie gerade in einer aktuellen Studie im „European Heart Journal“ vorgestellt wurde. Den Grund kennt man nicht. Aber die Wirkung: Nicht nur das neue Coronavirus nutzt diesen Mechanismus. Auch andere Coronaviren, etwa das Erkältungsvirus, profitiert vom diesem Schloss. Und genau das könnte auch der Grund dafür sein, dass Männer sich schwerer erkälten: die Ursache für die Männergrippe.
Obwohl die Ursache für diesen Geschlechtsunterschied noch unbekannt ist, könnte sie doch irgendwann bei der Vorbeugung der Krankheit helfen. Bis es allerdings soweit ist, bis es eine Impfung oder eine wirkungsvolle Behandlung gibt, sollte man im Zweifel schnell und konsequent zum Arzt gehen und die Krankheit nicht aussitzen. Schon gar nicht als Mann!