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Die Low-Carb-LügeEinweißdiäten können krank machen

Lesezeit 3 Minuten

Ob Bio oder nicht, Fleisch enthält Fett. Bei Low-Carb-Diäten kann das zum Problem werden.

Das Stichwort heißt Low Carb. In den letzten Jahren ist es zu einer der beliebtesten Abnehmmethoden avanciert. Das englische Schlagwort steht für eine Ernährungsmethode, die auf einen niedrigen (=low) Kohlenhydrat (=Carbohydrates)-Anteil im täglichen Speiseplan setzt. Der Reiz der Methode, die in Varianten wie Atkins-, Glyx-, Steinzeitdiät oder Montignac daherkommt, ist, dass die Schmerzschwelle beim Verzicht relativ niedrig ist. Denn verboten sind „nur“ Kohlenhydrate. Dafür darf man bei eiweißhaltigen Lebensmitteln bedenkenlos zuschlagen.

Rührei am Morgen, Gulasch zu Mittag und abends noch ein Lachsfilet im Spinatmantel – so kann der Diätplan eines Low-Carb-Anhängers aussehen. Hauptsache, er oder sie lässt Sättigungsbeilagen wie Kartoffeln, Nudeln oder das Brötchen um die Beef-Bulette im XXL-Burger weg.

Krank statt schlank

Doch eine neue Studie wirft jetzt einen Schatten auf die weißmehl-freie Welt der Low-Carb-Jünger. Wissenschaftler der Uni Athen haben 40.000 schwedische Frauen über einen Zeitraum von 15 Jahren gebeten, ihre Ernährungsgewohnheiten zu protokollieren. Dabei fiel auf, dass bei denjenigen, die sich sehr kohlenhydratarm und eiweißreich ernährten, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt deutlich erhöht war.

Täglich je 20 Gramm Kohlenhydrate weniger und fünf Gramm Protein mehr lassen die Gefahr von Herz-Kreislauf-Krankheiten demnach schon um fünf Prozent ansteigen. Low Carb kann in ihrer Extremausprägung also eher krank als schlank machen.

Und ist es nicht sogar so, dass auch in Kohlenhydraten Wertvolles steckt? Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn empfiehlt grundsätzlich „eine ausgewogene Mischkost“ mit einem Kohlenhydrat-Anteil von mindestens 50 Prozent. Viele Low-Carb-Diätpläne schreiben vor, weniger als 15 Prozent der täglichen Kalorienmenge aus Kohlenhydraten zu sich zu nehmen, dafür aber 30 Prozent aus Proteinen, also Eiweiß. Die DGE empfiehlt nur etwa zehn Prozent Eiweiß.

Kein Übergewicht durch Kohlehydrate

„Man darf nicht vergessen, dass Kohlenhydrate unser Energielieferant Nummer eins sind“, so Antje Gahl. „Ohne sie können wir keine Leistung erbringen, auch unser Gehirn nicht.“ Durch Studien sei zudem belegt, dass das Adipositas-Risiko nicht steigt, wenn man regelmäßig Kohlenhydrate zu sich nimmt. Schließlich habe ein Gramm Kohlenhydrate nur vier Kalorien, ein Gramm Fett aber neun.

Dass eine erhöhte Eiweiß-Aufnahme zu Problemen führen kann, wie von der Athener Studie belegt, kommt für die Expertin aus Bonn nicht überraschend. In manchen Fällen ist der Fokus auf proteinhaltige Ernährung sogar gefährlich: „Menschen mit einer Nierenvorschädigung sollten nicht sehr viel Eiweiß zu sich nehmen, da die geschwächten Nieren die Proteine nicht verarbeiten können“, warnt Gahl.

Besonders die Atkins-Diät sei wegen ihres hohen Fleischanteils mit Vorsicht zu genießen. „Was bei Low-Carb-Diäten oft übersehen wird, ist, dass, wer viel Protein und wenig Kohlenhydrate zu sich nimmt, in der Regel mehr Fett aufnimmt“, sagt der Diabetologe Wilhelm Krone von der Uniklinik Köln, der sich auch um stark übergewichtige Patienten kümmert. „In Rind- und Schweinefleisch ist zum Beispiel sehr viel Fett enthalten. Das kann zu einer erhöhten Entzündungsneigung der Gefäße und damit zu Arteriosklerose führen.

Der Anfangserfolg geht verloren

Krone erklärt sich den Reiz der Low-Carb-Diäten mit einem guten Anfangserfolg beim Abnehmen, der nach sechs Monaten aber oft wieder verloren ginge. Empfehlen würde der Mediziner die Low-Carb-Diät wegen ihrer Einseitigkeit auf keinen Fall. Ganz im Gegenteil: „Ob Low oder HighCarb, entscheidend ist es, kalorienreduziert und fettarm zu essen. Wer abnehmen will, sollte 500 Kalorien am Tag weniger aufnehmen“, sagt Krone.

Studien hätten gezeigt, dass dann der langfristige Erfolg am ehesten garantiert sei. Dabei solle man die „bösen“ Fette, nämlich die gesättigten Fettsäuren, die etwa in Fleisch enthalten sind, möglichst durch ungesättigte ersetzen. Diese sind vor allem in Fisch enthalten, aber auch in Avocados. Ein ausgewogener Speiseplan enthalte grundsätzlich Nahrungsmittel aus allen Nährstoffkategorien.