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Scharfe Kritik am E-RezeptWarum es in Kölner Arztpraxen morgens nur noch Rezepte auf Papier gibt

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mitarbeiter einer Apotheke steckt eine Gesundheitskarte in ein Lesegerät.

Bis zehn Uhr wollen Hausärzte erstmal keine E-Rezepte mehr ausstellen.

Hausärzte und Apotheker drohen jetzt sogar, ganz zum Papier zurückzukehren.

Ein E-Rezept für das Antibiotikum beim Hausarzt erhalten? Eines bei der Apotheke einlösen? Gerade in den ersten Stunden des Tages sind viele Patienten in den vergangenen Wochen an diesen Unterfangen gescheitert. Grund dafür sind laut dem Aktionsbündnis Patientenversorgung große Probleme bei der IT-Infrastruktur der E-Rezept-Betreibergesellschaft Gematik. „Ich zähle nun schon den siebten Tag in Folge, an dem in den Morgenstunden in vielen Apotheken, aber auch Arztpraxen gar nichts mehr geht“, sagt der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein Thomas Preis gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Ministerium sieht E-Rezept als Erfolg

Arztpraxen können dann keine E-Rezepte mehr ausstellen, Apotheken keine mehr abrufen. Kranke Menschen müssen ohne dringend benötigte Medikamente nach Hause geschickt werden. Um die Versorgungssicherheit der Patienten weiter zu gewährleisten, haben sich die Haus- und Zahnärzte in Nordrhein in Absprache mit den Apothekern deshalb dazu entschlossen, vom 19. März an jeweils bis zehn Uhr morgens nur noch Rezepte auf Papier auszustellen.

Beim Bundesgesundheitsministerium beeilt man sich auf Anfrage um Beschwichtigung und versichert, die Einführung des E-Rezepts sei mit mittlerweile mehr als 100 Millionen Einlösungen ein Erfolg. Gemessen an der Menge der Rezepte, die ausgestellt werden, sei alles „weitgehend reibungslos verlaufen“. Von einer flächendeckenden Störung des E-Rezeptes könne keine Rede sein, schreibt das Ministerium. Dennoch räumt man ein, es gebe „aktuelle Problemmeldungen“, die auf „noch nicht eingespielte Updates“ zurückzuführen seien.

Der Schuldige für die technischen Fehler sitzt in Düsseldorf

Den Schuldigen hat man auch schon ausgemacht. Beim Heilberufsausweis-Anbieter Medisign komme es zu wiederkehrenden technischen Beeinträchtigungen. Mitarbeitende aus Praxen und Apotheken benötigen einen digitalen Ausweis dieses Anbieters, um Zugang zum sicheren Datennetz im Gesundheitswesen zu erhalten. Medisign ist ein Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf, welches als Dienstleister für die Gematik arbeitet und als solches die „operative Verantwortung“ trage. Bei Medisign arbeite man „mit Hochdruck an einer Lösung“.

Medisign selbst antwortet auf Anfrage dieser Zeitung, dass die Störung erstmals Ende Februar auftrat und „ab einer bestimmten Belastung ein anormes Antwortverhalten“ auslöste. „In der Folge kam es zeitweise morgens zwischen 8 und 9 Uhr zu langen Antwortzeiten bzw. Time-Outs.“ Obwohl es auch bei den jüngsten Reparaturversuchen zu Fehlern gekommen sei, sei man „zuversichtlich“, dass sich die Lage von Dienstag an verbessere.

Apotheker klagen über hohe Fehleranfälligkeit

In den Apotheken und Praxen will man auf derlei Versprechen nicht vertrauen. „Wir sind keine Beta-Tester für ein unfertiges Produkt des Bundesgesundheitsministeriums“, sagt Preis gegenüber unserer Zeitung. Schließlich sei man der Gesundheit der Patienten verpflichtet.

Die Serverausfälle seien zudem nicht die einzige Kinderkrankheit, an welcher das digitalisierte Produkt leide. Insgesamt klagen die Apotheker über eine hohe Fehleranfälligkeit. „Wenn Sie eine Flugreise buchen, dann bewahrt Sie das System davor, einen Flug von Köln nach Bielefeld zu kaufen. Weil es einfach keinen gibt. Beim E-Rezept können Sie aber unwidersprochen Fehler machen und beispielsweise Packungsgrößen verordnen, die von der Kasse gar nicht bezahlt werden“, sagt Preis. Beim Papierrezept konnte der Apotheker derlei Fehler durch einen Anruf beim Arzt korrigieren und händisch überschreiben. „Beim E-Rezept geht das nicht mehr. Wir müssen den Kunden in solchen Fällen tatsächlich zurück zum Arzt schicken, damit der ein korrektes Rezept ausstellt“, so Preis.

Auch die Angewohnheit vieler Ärzte, die E-Rezepte nur einmal am Tag in einer sogenannten Stapelsignatur zu unterzeichnen, falle den Patienten seit Wochen auf die Füße. „Es passiert dann nämlich, dass der Kunde mittags sein Rezept einlösen will, das der Arzt aber erst abends unterschreiben wird“, sagt Preis. Auch in diesen Fällen müssten Apotheken Patienten zunächst unversorgt nach Hause schicken. Im Vorteil seien Privatpatienten, die weiterhin ausschließlich das Papierrezept ausgestellt bekommen und so unabhängig von Serverausfällen bedient werden können. Preis meint: „Das E-Rezept führt hier zu einer Zweiklassengesellschaft.“

Sollten die Probleme bei den Servern der Gematik weiterhin bestehen bleiben, schließen Ärzte und Apotheker im Rheinland weitere Eskalationsschritte nicht aus. Notfalls wolle man komplett zum Papierrezept zurückkehren, so die Drohung. Man sehe sich dazu gezwungen, um die „Versorgungssicherheit für die Patienten wiederherzustellen“, die das „unstabile und unfertige E-Rezept-Projekt des Bundesministeriums für Gesundheit“ gefährde.