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Experte empfiehltPaare sollen sich zum Sex verabreden

Lesezeit 4 Minuten

Eine Münze werfen, ob man heute Sex hat, oder gar einen Termin ausmachen – was sich wenig romantisch anhört, kann in Beziehungen neues Feuer entfachen.

Berlin – Der Termin mit dem Chef, das Fußballturnier des Sohnes oder der Geburtstag der Freundin – all das trägt man fein säuberlich in den Terminkalender ein. Wann man mal wieder Sex mit dem Partner haben möchte: Das taucht im Kalender meist nicht auf. Dabei steckt hinter der Verabredung zum Sex durchaus eine Anregung, die Paare erwägen können.

Wer schon seit einiger Zeit zusammen ist, stellt oft fest, dass der Sex weniger wird. „Der Sex wird quantitativ weniger, doch das geht oft einher mit einer höheren Qualität“, sagt Rüdiger Wacker vom Berufsverband der Deutschen Psychologinnen und Psychologen in Berlin. Es entstehen mehr Nähe und Verbundenheit.

„Irgendwann ist es eingeschlafen“

Bei einigen Paaren bedeutet „weniger“ allerdings selten bis kaum noch. „Irgendwann ist es eingeschlafen“ ist der Satz, den Paartherapeut Wacker oft hört. Wenn er genauer nachfragt, wann es eingeschlafen ist, hört er oft die Antwort: „Nach dem ersten Kind.“ Beide Partner finden sich erst in ihre neue Rolle als Eltern ein und sind mit dem Baby beschäftigt.

Doch auch bei Paaren ohne Kinder lässt das Liebesleben nach Jahren manchmal zu wünschen übrig. Gelegentliche Flauten im Bett seien normal in Langzeitbeziehungen und kein Drama, beruhigt Diplom-Psychologin und Buchautorin Felicitas Heyne. „Jedes Paar hat mal eine Zeit lang keinen Sex, alles andere ist gelogen.“

Der Alltag killt die Lust

Oft ist der Grund für die Liebesflaute fehlende Aufmerksamkeit - für die Beziehung und für den anderen. So arbeiten beide viel, haben einen hektischen Alltag, die Zeit miteinander geht gegen null. Dabei ist eine Beziehung laut Wacker etwas Lebendiges, das gefüttert und gehegt werden soll. „Dazu gehört nicht nur, sich selbst zu fragen, was ich mir von der Beziehung wünsche, sondern dies auch den anderen zu fragen und miteinander zu besprechen, was beide voneinander wollen“, sagt der Klinische Sexualpsychologe Christoph J. Ahlers aus Berlin.

Eine Beziehung - auch eine sexuelle – zu pflegen, bedeutet, sich mit dem anderen zu beschäftigen, ihn bewusst wahrzunehmen. Und Zweisamkeit zu genießen, etwa beim Spaziergang am Abend, beim gemeinsamen Abend einmal in der Woche - ohne Handy, ohne Kinder, ohne Thema Hausbau – oder bei einem Wochenendtrip. „Man kann daraus auch ein Spiel machen, wenn beide Partner abwechselnd das Hotel auswählen und den anderen erst am Tag des Dates per SMS oder schriftlicher Einladung dorthin bestellen“, erklärt Heyne.

Termin eintragen, Münze werfen

Heyne rät sogar dazu, Sex in den Kalender einzutragen. Denn darauf zu warten, dass zwei Menschen mit individuellen Tagesabläufen, Vorlieben und Biorhythmen auch nach vielen Jahren stets zur gleichen Zeit von der Lust übermannt werden, sei wenig realistisch. Sie empfiehlt, morgens jeden Tag abwechselnd eine Münze zu werfen. Wenn Kopf oben liegt, hat das Paar an dem Tag Sex miteinander, ganz egal, wie der Tag läuft und ob einer Lust darauf hat. „Klingt skurril, wirkt aber oft Wunder.“

Sex nach Kalender - das klingt erst einmal unromantisch und wenig luststeigernd. Doch Heyne findet, Sex habe man zu Beginn einer Beziehung auch geplant: Die ersten Verabredungen, die Suche nach einem Termin, nach einem Ort, der beiden recht ist. Man überlegt, was man anzieht, schrubbt die Wohnung und legt die passende Musik zurecht. „Da steckt eine Menge Planung drin, und zwar im positiven Sinn: mit Vorfreude, Spannung und Kribbeln im Bauch“, sagt Heyne. Beste Voraussetzungen für einen erotischen Abend, denn Vorfreude sei ein wichtiger Bestandteil des Genusses.

Avancen des Partners nicht ablehnen

Anregung für ein Tête-à-Tête kann eine Wunschbox bieten, die man anlegt. Beide Partner schreiben Zettel mit ihren Wünschen für neue Orte oder Spielarten für die Liebe, die sie gern ausprobieren würden. Abwechselnd zieht man daraus einen Zettel – und setzt den Wunsch um.

Ein weiteres Argument für ein Stelldichein nach Plan: Die Lust mag bei einem der beiden Partner nicht so groß sein wie bei dem anderen - dennoch sollte man die Avancen des Partners nicht abwehren. Denn manchmal kommt die Lust beim Tun. Und wer sie vor lauter Stress kaum noch verspürt, kann Sex einfach als Entspannung sehen.

Sex ist keine Jagd nach Orgasmen

Wacker rät zu einem Prinzip, das beide in Ruhe miteinander besprechen können: Wenn der andere sich annähert, man selbst aber keine große Lust auf eine Supernummer hat, kann man anbieten, mitzumachen, aber nicht allzu aktiv und wild zu sein - der andere hat aber seinen Spaß. „Ebenso kann man auch anbieten, den anderen zu bespaßen“, empfiehlt er.

Sex sei keine Jagd nach Höchstleistungen oder Orgasmen, es sei mehr als bloße Triebbefriedigung. Das Miteinander soll Spaß machen, spielerisch sein, eine Möglichkeit, sich nahe zu sein. „Es ist ein Erkundungsprozess“, sagt Wacker. Der übrigens nie aufhören wird, so der Psychologe. „Partnerschaft ist eine Lebensaufgabe.“ (dpa)