Kleiner TestWoran man verklebte Faszien im Körper erkennt und wie man sie löst
- Sie sind wie ein Hemd unter der Haut: Faszien umschließen in unserem Körper Muskeln, Nerven, Knochen und Organe.
- Verkleben die Faszien oder ziehen sie sich zusammen, wird es eng im Körper. Das kann zu ganz unterschiedlichen Beschwerden führen.
- Sogar vom Stress auf der Arbeit können Faszien verkleben und für einen entspannten Nacken sorgen. Deshalb sollten die Faszien regelmäßig trainiert und gepflegt werden.
Köln – Die Faszien in unserem Körper sind das Hemd unter der Haut. Es reicht schon sich vorzustellen, dass die Fasern dieses Hemdes eingelaufen sind, es eng wird im Hemd, jede Bewegung in diesem spacken Teil zutiefst unangenehm wird und es dort, wo’s besonders klemmt, auch noch weh tut.
Oberflächliche Faszien liegen direkt unter der Haut und umschließen Muskeln, Knochen, Nerven. Tieferliegende Faszien umhüllen jedes Organ, sind Verbindung zwischen den Organen und den diversen Gefäßen des Organismus. Und: Faszien unterstützen die Immunabwehr. „Würde man Faszien isolieren und so präsentieren wie in den „Körperwelten“ des Mediziners Gunther von Hagens, könnte man den Menschen in seiner vollständigen Form sichtbar machen“, sagt Alexander Bohlander, Experte und Trainer. Faszien gehören zu seinem Spezialgebiet, das zudem Physiotherapie und Osteopathie umfasst. Zusammen mit seinen 100 Mitarbeitern widmet er sich seit 20 Jahren in seinen Springs-Studios zudem Pilates und Yoga als Therapie und Prävention.
„Wie ein saftiges Gummibärchen“
Das zarte, durchscheinende Gewebe der Faszien hat fast jeder schon mal in der Hand gehabt, der beim Metzger ein Stück Fleisch gekauft und das zarte Häutchen, das das Fleisch umschließt, vorsichtig entfernt hat vor dem Braten oder Garen – die Faszie. Solange die Faszie „durchsaftet wird“, wie es Alexander Bohlander nennt, beweglich und elastisch ist, sitzt das innere Hemd des Menschen perfekt. „Gesundes Fasziengewebe sieht aus wie ein saftiges Gummibärchen.“
Im Umgebungsgewebe der Faszie befindet sich nämlich Flüssigkeit, deren Nährstoffe und Mineralien durch Bewegung in die Faszie transportiert werden müssen. Ein simples Beispiel macht klar, welche Bedeutung Faszien haben. Bohlander: „Man muss sich vor Augen führen, dass im Organismus alles in Bewegung ist und nichts still an seinem Platz ruht. Die Blase bewegt sich, während sie sich füllt, circa fünf Zentimeter nach unten. Der Darm, während er sich langsam füllt, bewegt sich rund fünf bis zehn Zentimeter nach unten und zur Seite.“ Allein in der Vorstellung erscheint ein verfilztes und verklebtes Fasziengewebe rund um Blase und Darm extrem unangenehm. „Wenn zum Beispiel die Galle operativ entfernt wird, werden dadurch wichtige Faszien durchtrennt. Durch diesen Eingriff können andere Organe negativ beeinträchtigt werden, obwohl sie gar nicht krank sind. Aber ihre Funktion kann dadurch eingeschränkt werden.“
Narbe am Knöchel – Schmerzen in der Schulter
Folglich muss Narbengewebe behandelt werden. Das können zertifizierte Rolfing-Therapeuten, die im Rolfing-Zentrum in Köln ansässig sind, und Experten wie Bohlander und sein Team. Der „Faszien-Papst“ Dr. Robert Schleip sieht fehlgeleitete Wundheilungsprozesse als Ursache dafür, dass bei Narbenbildung Wucherungen entstehen, die alles verkleistern.
Übungstipps
Übungen sollte man dynamisch kombinieren. Also nicht nur die Beinmuskeln trainieren, sondern Rücken und Beine in eine dynamische, fließende Bewegung bringen und elastisch federn. Gut sind zudem federnde Rumpfbeugen.
Da sich Faszien an diversen Stellen im Körper verkreuzen, etwa am Knie, Becken und Rücken, sind diagonal ausgeführte Übungen und Drehungen optimal.
Auf den Boden legen, den Rücken runden, die Beine anziehen und mit den Armen umschließen und wie ein Ball nach vorn und hinten rollen, leicht federnd. Robert Schleips Devise ist, wer seinen Rücken nicht runde, der laufe Gefahr , dass sich alles verhärte.
Stehend geht es auch: Den Körper drehen, Seitneigung, beugen, strecken.Faszienrolle und Igelball sind schöne Hilfsmittel, um Faszien zu stimulieren, aber sie ersetzen nicht Gymnastik und Bewegung.
Was Alexander Bohlander regelmäßig bei seinen Patienten erlebt: „Eine Narbe am Knöchel kann Schmerzen und Probleme in der Schulter verursachen.“ Was an den Faszienstraßen liegt, die unseren Körper von oben nach unten und umgekehrt durchkreuzen und verbinden. „Rückenschmerzen können sich einstellen, wenn am Oberschenkel oder in der Wadenmuskulatur Faszien stark verkürzt sind“, so Bohlander. „Auch Krallenzehen können Rückenschmerzen verursachen, weil man nicht mehr glatt und federnd gehen kann.“ Schuld daran sind verkürzte Faszien. „Durch diese Verkürzung drückt sich der Rücken in den Beckenbereich. Schmerzen entstehen.“
Den Körper durchbewegen, damit Verklebungen erst gar nicht entstehen
Faszien reagieren zudem auf Entzündungen, sei es an Organen, in Zellen, im Gewebe oder der Haut. Die Folge sind Verklebungen. Ein nicht zu unterschätzendes Risiko, denn „im Lauf seines Lebens hat man viele solcher Entzündungsprozesse durchgemacht bis man alt wird“. Und je älter wir werden desto spröder und trockener wird das Bindegewebe und der „Faszienapparat wird enger und verletzlicher“.
Es sei denn, man setzt dieser Entwicklung wirkungsvolle Therapien entgegen, „indem man den Körper gut durchbewegt, damit Verklebungen erst gar nicht gebildet werden und sich ausbreiten können und vorhandene Verklebungen sich zurückbilden“, so der dringende Appell von Alexander Bohlander. „Es gibt vier wichtige Kriterien für eine gute Faszienqualität: Mobilität, Wahrnehmung, Stabilität und Elastizität.“ Die bahnbrechenden Faszienforschungen von Robert Schleip haben dafür gesorgt, dass federnde Bewegungen, die lange Zeit verpönt waren, wieder ihren Stellenwert zurückerobert haben.
Faszien speichern Emotionen
Lange unterschätzt wurde zudem der emotionale Einfluss auf die Qualität des Fasziengewebes und damit die Gesundheit des Menschen. Bohlander: „Der Körper speichert die Emotionen in den Faszien. Sämtliche Empfindungen werden zum Rückenmark und von dort zum Gehirn geleitet. Emotionales spiegelt sich in den Faszien wider. Wer niedergeschlagen oder traurig ist, bei dem wirkt sich das im faszialen Gewebe des Zwerchfells aus. Dort befinden sich vegetative Nervenknoten, die sich verspannen und verengen können.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Robert Schleip hat mal emotionale Verspannungen am Beispiel der Kopfhaut, also des Skalps, erläutert, denn das Gewebe sei neuromuskulär und reagiere auf Stress. Wer, so Schleip, regelmäßig im Büro auf seinen Säbelzahntiger treffe, dessen „Badehaube“, also die Kopfschwarte, verdicke und verklebe sich, was mit Ultraschall messbar ist und nachweist, dass in Nackenmuskulatur und Faszien einiges nicht mehr im Lot ist.
Regulativ des Organismus
Ein kleiner Test: Von der Haarkante an muss die Kopfschwarte harmonisch verschiebbar sein. Wenn es irgendwo ruckelt oder schmerzt, kann das ein Hinweis darauf sein, dass sich die Faszien verbacken haben. Alexander Bohlander: „Der Nacken als Ansatzstelle des Schädels ist ein zentraler Punkt des vegetativen Nervensystems. Das ist genau die Stelle, wo Tiere in Stresssituationen die Nackenhaare aufstellen. Das Fasziengewebe in diesem Bereich reagiert sensibel auf Anspannung und Stress.“ Wenn das Fasziengewebe sich im Kopf-Nacken-Bereich verhärte und verklebe, könne der Nerv, eingebettet in Faszien, weder durchblutet noch ernährt werden und werde seiner Bewegungsfreiheit beraubt.
Veranstaltung
Faszination Faszien: Freitag, 13. 11, 19 Uhr, studio dumont, Breite Straße 72, Köln
Experte im Gespräch:Alexander Bohlander, Faszientrainer, Osteopath, Physiotherapeut,Hochschul-Dozent sowie Chef der „Spring-Studios“ für Therapie und Prävention
Moderation:Marie-Anne Schlolaut
Karten:Im Vorverkauf 16 Euro, 13 Euro mit Abocard, Abendkasse 18/15 Euroerhältlich bei:Kölnticket: 0221/ 28 01Abocard: 0221/ 28 03 44www.abocard.de/ticketswww.forumblau-akademie.dewww.koelnticket.de
Gesunde Faszien sind das Regulativ des Organismus und Basis für die Gesundheit. Bohlander: „Früher haben wir unseren Körper abgegeben beim Doktor, der sollte das mal richten. Heute wissen wir, dass wir selber großen Einfluss haben.“