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ReisekrankheitWarum manchen beim Zugfahren gegen die Fahrtrichtung schlecht wird

Lesezeit 5 Minuten
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Oft ist es bei der Buchung oder der Sitzplatzreservierung nicht ersichtlich, in welche Richtung der gebuchte Platz fahren wird. 

Manchmal hat man einfach keinen Einfluss darauf: Im Zug sind alle Plätze belegt, nur wenige sind noch frei – ausgerechnet die, auf denen man entgegen der Fahrtrichtung fährt. Manchen Menschen ist das egal, doch nicht jeder kann das gut vertragen. Auch wer sich in der Bahn einen festen Sitzplatz reserviert hat, der hat manchmal Pech: Durch einen Wagentausch oder andere unvorhersehbare Faktoren sind die Waggons anders aneinander gereiht und anstelle eines in Fahrtrichtung liegenden Sitzes muss man nun auf einem Platz gegen die Fahrtrichtung Platz nehmen. Das bereitet vielen Menschen Probleme: Ihnen wird schwindelig, sie haben mit Übelkeit zu kämpfen. Das Phänomen nennt man Reisekrankheit. Sie entsteht durch widersprüchliche Signale an das Gehirn, ist aber völlig ungefährlich.

Das Innenohr registriert Bewegung, Augen und Nerven signalisieren hingegen Stillstand. Hier spielt das Gleichgewichtsorgan eine entscheidende Rolle. Informationen, die der Körper erhält, passen nicht zusammen. Normalerweise erhält das Gehirn Informationen über Geschwindigkeit, die Augen bestätigen das: Wir sehen schnell vorbeiziehende Landschaften, wir müssen uns also schnell bewegen. Jedoch sitzen wir still auf einem Sitz und bewegen uns nicht.

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Informationen passen für Gehirn nicht zusammen

Wir reagieren mit Übelkeit. Das ist einem wichtigen Urinstinkt geschuldet: In der Natur gibt es Substanzen, die eine ähnliche Wirkung haben. Nehmen wir sie zu uns, beeinflussen sie unser Gleichgewichtsorgan und Teile des Gehirns lösen Schwindelgefühle aus und sind in der Regel vor allem eins: giftig. Erbrechen ist in diesem Fall eine natürliche Reaktion des Körpers. Schließlich sollen alle giftigen Substanzen aus dem Körper befördert werden.

Unter Reisekrankheit versteht man alle Reaktionen des Menschen auf ungewohnte Bewegungen und Beschleunigungen – vor allem auf Schiffen, auch Seekrankheit genannt, im Auto, in der Bahn oder in Flugzeugen (Flugkrankheit). Manchen wird sogar im Fahrstuhl übel. Fast jeder leidet in seinem Leben einmal unter der Reisekrankheit, doch besonders sind Kinder im Alter von 2 bis 12 Jahren betroffen.

Symptome verschwinden, wenn wir Bewegung nicht mehr ausgesetzt sind

Die gute Nachricht: In etwa 90 Prozent der Fälle verschwinden Symptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Schwindel von selbst, sobald man der ungewohnten Bewegung nicht mehr ausgesetzt ist. Bei Beschwerden auf Seereisen gewöhnen Reisende sich spätestens nach zwei bis drei Tagen an das Schaukeln und die Seekrankheit bessert sich von selbst. Oft reichen aber auch einfache Maßnahmen, um der Reisekrankheit vorzubeugen.

Interessant: Bei Babys, die oft entgegen der Fahrtrichtung im Kinderwagen liegen, ist der Gleichgewichtssinn, also das verarbeitende Zentrum im Gehirn, noch nicht fertig ausgereift. Somit können Neugeborene nicht an der Reisekrankheit leiden.

Im Auto

Lesen im Auto sorgt oft für Übelkeit

Autofahren ist für manche Kinder eine Qual. Ihnen wird schlecht, wenn sie nicht aus dem Fenster schauen.

Das gelte besonders, wenn man im Auto lese. Professor Martin Westhofen, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am Aachener Uniklinikum, erklärt: „Der Blick ins Buch sagt: Ich sitze still auf einem Stuhl. Aber der Sinneseindruck vom Gleichgewichtsorgan im Ohr sagt: Wir fahren ganz schnell über die Autobahn und dabei holpert es. Da sagt sich dann das Hirn: Das kenne ich nun aber nicht!“ Gleiches gilt für sämtliche Aktivitäten am Smartphone.Die Folge: Alarm im zentralen Nervensystem. Besser ist es deshalb, nach draußen auf weiter entfernt liegende Dinge zu schauen. Auch frische Luft kann helfen.

Was Erwachsene im Auto tun können

Wer mit dem Auto unterwegs ist, fährt möglichst selbst. Muss man mit dem Beifahrersitz Vorlieb nehmen, sollte der Blick auf die Straße oder auf einen festen Punkt am Horizont gerichtet werden. Gespräche mit anderen Mitfahrern lenken ab. Hilfreich sind regelmäßige Pausen, um frische Luft zu schnappen.

Im Bus oder Zug

Übelkeit in Bus oder Zug

Möglichst weit nach vorne setzen im Bus – das beugt der Übelkeit vor.

Wer in einem Bus reist, sollte sich möglichst weit nach vorne setzen, dort ruckelt es in der Regel nicht so sehr wie im hinteren Teil.

Im Zug setzt man sich am besten in Fahrtrichtung. Was auch hilft: häufiger im Gang auf und ablaufen. Wie auch im Auto oder Bus gilt hier: Beim Blick aus dem Fenster einen festen Punkt am Horizont fixieren. Auch beim Fahren entgegen der Fahrtrichtung gilt: Die Informationen, die das Gehirn erhält, passen nicht zusammen, wir reagieren mit Übelkeit.

Im Flugzeug und auf dem Schiff

Das kann man während eines Fluges gegen Übelkeit machen

Vor allem im Schiff oder im Flugzeug leiden viele unter Reiseübelkeit oder Schwindel.

Während eines Fluges empfiehlt es sich, möglichst am Mittelgang im vorderen Teil des Flugzeugs zu sitzen. Auch hier hilft es, im Gang auf- und abzulaufen.

Was gegen Übelkeit auf dem Schiff und Seekrankheit hilft

Halten Sie sich bei Schiffsreisen möglichst im Mittelteil des Schiffes auf, entweder dicht über dem Wasserspiegel (je tiefer die Kabine liegt, desto ruhiger ist der Wellengang) oder an Deck, dort bekommen Sie Frischluft und können sich bewegen. Richten Sie auch hier Ihren Blick auf einen Punkt am Horizont. Bewegen Sie sich außerdem mit dem Schiff.

Bei Seekrankheit

Sind Sie akut seekrank, legen Sie sich flach auf den Rücken, halten Sie den Kopf ruhig und machen Sie die Augen zu. So schließen Sie optische Reize aus Ihrer Wahrnehmung aus. Im Schlaf ist der Gleichgewichtsinn „ausgeschaltet“.

Übrigens: Nicht nur der Mensch leidet hin und wieder an Reisekrankheit, auch fast alle anderen Säugetiere sowie viele Vögel und sogar einige Fische können beim Transport davon betroffen sein.

5 schnelle Tipps gegen Reisekrankheit

Mittel und Medikamente

Wer oft mit Reisekrankheit zu tun hat, der möchte eventuell vorbeugende Mittel zu sich nehmen, die die Übelkeit gar nicht erst aufkommen lassen. Sie enthalten Wirkstoffe gegen Brechreiz und Übelkeit (sogenannte Antiemetika). Diese Mittel kann man entweder bei Bedarf oder vorbeugend vor Reiseantritt einnehmen

Auf dem Schiff sollte man den Blick auf einen Punkt am Horizont richten.

Auch Ingwer kann gegen die Reisekrankheit helfen. Die Wurzel wirkt beruhigend auf den Brechreiz und lindert Symptome wie Schwindel und kalten Schweiß.

Ernährung

Achten Sie auf leichte, kohlenhydratreiche und fettarme Kost – sowohl ein überfüllter als auch ein leerer Magen wirken sich negativ auf die Reisekrankheit aus. Auf Alkohol, Kaffee und Milchprodukte sollten Sie besser verzichten.

Lesen und arbeiten

Lesen Sie am besten nicht während der Reise und halten Sie den Kopf aufrecht. Arbeiten Sie nicht in gebückter Haltung.

Musik und Entspannung

Als weitere Maßnahmen können bei Reisekrankheit helfen: über Kopfhörer leise Musik hören oder Ohrstöpsel gegen laute Geräusche verwenden. Auch Entspannungsübungen wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung können wirksam sein.

Gerüche

Vermeiden Sie starke Gerüche, vor allem von Diesel, Essen, Schmutzwasser oder Fäkalien. (sar mit dpa)