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Wechseljahre als Chance„Eine super Möglichkeit, aus dem Alltagstrott auszusteigen“

Lesezeit 8 Minuten
Sportliche Frauen Getty Images

Die Wechseljahre können für Frauen die Gelegenheit sein, wieder mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten. 

Köln – Ellen Cornely-Peeters betreibt in Gummersbach eine Beratungspraxis für ganzheitliche Frauengesundheit und Prävention und arbeitet als Wechseljahre-Beraterin. Am 6. Mai ist ihr Buch „Ach, Meno! Eine Wechseljahre-Beraterin macht Mut“ erschienen. Im Interview bestärkt sie Frauen: „Die Wechseljahre sind nichts Schlimmes, sondern die ganz große Chance, sich im Leben noch einmal neu aufzustellen.“

Frau Cornely-Peeters, als Sie angefangen haben, als Beraterin für die Wechseljahre zu arbeiten, mussten Sie die Visitenkarten von Ihrer Praxis mehr oder weniger heimlich in Gummersbach verteilen und unter der Ladentheke weitergegeben. Warum sind die Wechseljahre immer noch so ein Tabuthema?

Ellen Cornely-Peeters: Da gibt es verschiedene Ursachen. Zum einen sind die Frauen mit dem Thema verunsichert, weil die Wechseljahre meist sehr negativ dargestellt werden. Es geht immer um Mangel, Störung und Verlust. Dass diese Zeit auch positiv sein kann, ist vielen immer noch nicht klar. Zum anderen rückt mit den Wechseljahren das Älterwerden stark in den Fokus. Wenn es mehr Aufklärung gäbe, hätten die Frauen weniger Berührungsängste mit dem Thema.

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Ellen Cornely-Peeters arbeitet als Wechseljahre-Beraterin in Gummersbach. 

Sind also nicht Hitzewallungen das große Problem der Wechseljahre, sondern dass man sich nicht eingestehen möchte, dass man älter wird?

Die Wechseljahre finden in der Mitte des Lebens statt und das ist ein Cut auf vielen Ebenen. Die Hormonumstellung führt zu körperlichen und emotionalen Veränderungen, die bisher rein negativ besetzt sind. Wenn man ein bisschen Orientierung bekäme, würde es vieles leichter machen.

Obwohl Frauen heute gut informiert sind, wissen die meisten doch recht wenig über diese Zeit. Wann geht es los? Wann hört es auf? Welche Symptome gibt es noch außer Hitzewallungen? Fehlt uns da Aufklärung oder wollen wir das nicht wissen?

Die Aufklärung ist zu einseitig. Es geht immer darum, dass der Hormonspiegel sinkt und wir unsere Jugendlichkeit, die schöne Haut oder unsere Sexualität verlieren. Es geht immer nur um das Negative. Da ist es nur verständlich, dass Frauen die Wechseljahre als etwas Bedrohliches wahrnehmen, nichts darüber wissen wollen und sie als unabwendbares Schicksal auf sich zukommen lassen. Wenn klar wird, dass es auch einen Sinn hat, dass die Hormone sich zurückziehen, wären viele Frauen viel beruhigter. Je mehr Wissen ich habe, desto weniger muss ich mich fürchten.

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Die Wechseljahre äußern sich durch verschiedene Symptome. Was sind die wichtigsten körperlichen Zeichen?

Die Kardinalsymptome der Wechseljahre sind die Hitzewallungen. Dazu kommen veränderte Blutungen und Schlafprobleme. Auch Verdauungsbeschwerden, ständig laufende Nase, Schwindel, Erschöpfung, trockene Haut und Kopfschmerzen können damit zusammen hängen.

Und was hat man emotional zu erwarten?

Eine Art emotionale oder seelische Orientierungslosigkeit. Die Frauen spüren, dass in ihrem Leben einiges im Umbruch ist, aber sie können die Veränderungen nicht so richtig zuordnen. Viele meiner Klientinnen sagen, dass sie sich nicht mehr unter Kontrolle haben, keinen Einfluss mehr auf das haben, was da gerade mit ihnen passiert, weil der Hormonwechsel so unstet stattfindet und sie sich jeden Tag anders fühlen. Dieses „nicht greifen können“ verunsichert viele.

Ist dieser seelische Umbruch das gleiche wie die Midlife Crisis?Die Wechseljahre können auf jeden Fall eine Midlife Crisis auslösen, weil es in dieser Zeit so große Turbulenzen gibt.

Was halten Sie vom Begriff „Wechseljahre“? Gibt es Ihrer Meinung nach eine bessere Bezeichnung für diese Zeit?

Darüber habe ich viel nachgedacht, aber ich finde keinen wirklich besseren Begriff. Ich verwende deshalb das Wort Wechseljahre, weil es das einfach gut beschreibt und in der Gesellschaft etabliert wird. Manchmal sage ich auch „hormonelle Umstellungsphase“ oder „Rhythmuswechsel im Leben“. Man kann auch „zweite Pubertät“ sagen.

Durch die Bezeichnung „Wechseljahre“ wird zumindest klar, dass diese Zeit ein bisschen länger dauert…. Ist es wahr, dass es schon mit Ende 30 losgehen und bis Mitte 60 dauern kann?

Die Symptome können mit Ende 30 beginnen, ja. Frauen versuchen dann oft noch, schwanger zu werden, aber es klappt nicht mehr. Und ja, sie können sich tatsächlich bis Mitte 60 hinziehen. Manche Frauen, die acht Jahre zuvor die Menopause hatten, haben dann immer noch mit Hitzewallungen oder Schlafstörungen zu kämpfen. Im Mittel dauert diese Zeit sieben bis zehn Jahre.

Wie sieht Ihre Arbeit als Wechseljahre-Beraterin aus und wie wird sie angenommen?

Mein Job ist leider noch sehr unbekannt in Deutschland. Mein Ansatz ist die lösungsorientierte psychologische Beratung. Ich unterstütze die Frauen auf ihrem eigenen, individuellen Weg durch die Wechseljahre. Detaillierte Fragen zu ihren Beschwerden ermöglichen ihnen Antworten, die zur Lösung des Problems beizutragen. Bei meinen Klientinnen kommt die Beratung sehr gut an, weil sie sich zum ersten Mal richtig verstanden fühlen. Sie begreifen plötzlich die Zusammenhänge zwischen körperlichen und seelischen Symptomen, die ihnen vorher völlig unklar waren. Und vor allem erfahren sie, wie sie selbst Einfluss nehmen können. Sie fühlen sich beruhigt und klarer mit dem, was in ihrem Körper geschieht. Dadurch werden sie gelassener und entspannter. Viele erzählen trotz der positiven Erfahrungen aber selbst ihrer besten Freundin nicht, dass sie bei einer Beraterin waren. Ich glaube, das ist ein Frauending. Die meisten Frauen holen sich zu wenig oder zu spät Hilfe und versuchen, alles selbst zu regeln. Dabei ist es gerade in der Wechselzeit hilfreich, sich Unterstützung von außen zu holen. Wenn ich zu lange zögere, kann es sein, dass ich in einer depressiven Phase stecken bleibe und so womöglich die Chance vorüberziehen lasse, die gerade vor mir liegt.

Welche Chance ist das? Was ist Ihrer Meinung nach das Gute an den Wechseljahren?

Die Wechseljahre sind ein Einschnitt in unserem Frauenleben. Wir ziehen Bilanz, bekommen die Gelegenheit zu reflektieren. „Wie geht es mir? Wo stehe ich? Was sollte anders laufen?“ Wir haben die Chance, dem Leben nochmal eine neue Richtung zu geben. Und diese ist so individuell wie wir Frauen selbst. Bei manchen sind die Kinder schon aus dem Haus, manche stecken mitten in der Kleinkindphase.

Egal in welcher Lebensphase wir gerade stecken – für jede Frau sind die Wechseljahre eine Umbruchzeit, die den Blick schärft für das, was wirklich wichtig ist. Wir bekommen die Möglichkeit, aus unserem Alltagstrott auszusteigen und frischen Wind in unser Leben einziehen zu lassen quasi auf dem Silbertablett serviert. Das ist die größte Chance, aber auch zugleich die größte Angst vieler Frauen, neues, unbekanntes Terrain zu betreten.

Wie kann man diesen neuen Weg am besten finden?

Die Symptome weisen Ihnen den Weg. Wenn man nachts nicht schlafen kann und immer wieder die gleichen Gedanken kommen, dann sind es genau diese Themen, die als Erstes bearbeitet werden müssen. Wir werden im Prinzip mit der Nase auf das gestoßen, was nicht läuft, auch wenn wir uns noch so oft vorgaukeln, dass alles gut ist. In jedem Leben gibt es Bereiche, die nicht gut funktionieren. Nur hat man die bisher vielleicht unter den Teppich gekehrt, weil es bequem war und weil man sich in der Routine eingerichtet hatte. Diese Routinen brechen jetzt weg. Wir haben 30 Jahre lang im Takt des Zyklus gelebt, aber wenn der uns jetzt verlässt, dann kommt unser ganzes Leben aus dem Takt. Man muss also einen neuen Rhythmus finden.

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Ein interessanter Ansatz. Vermutlich sehen das viele Frauen bisher noch nicht so, oder?

Nein, leider nicht. Deshalb finde ich ja, dass wir den Fokus auf das Positive lenken sollten. Dass die Frauen auch mal erfahren, dass die Wechseljahre keine Hormonmangel-Krankheit sind, sondern dass eine Chance in ihnen steckt. Nehmen wir mal das Stichwort „bemuttern“ aus meinem Buch. Die Hormone haben alle ihre Aufgaben, körperlich und emotional. Wenn nun das Östrogen als Bindungshormon sich zurückzieht, dann habe ich wieder einen klareren Blick auf mich selbst. Wenn das Umsorgen bisher meine wichtigste Aufgabe war, dann löst sich das jetzt langsam und ich sehe meine eigenen Bedürfnisse wieder. Das erschreckt auch viele Frauen. Die wundern sich dann, warum sie jetzt plötzlich keine Lust mehr haben, ihre Familie zu betüdeln. Viele kommen damit nicht klar, weil ihnen plötzlich ihre Lebensaufgabe fehlt.

Wie reagiert das Umfeld darauf?

Natürlich nicht amüsiert. „Mama, was ist mit dir? Warum willst du jetzt plötzlich nicht mehr meine Socken falten?“ In jeder Familie gibt es gewohnte Traditionen. Und jetzt kommt plötzlich die Frau und sagt: „Ich möchte mich lieber mehr um mich selbst kümmern“. Sie macht sich nicht mehr für alles verantwortlich, möchte nicht mehr alles selbst erledigen, sondern verteilt die Aufgaben auf Kinder und Mann. Das ist natürlich ungemütlich und unbequem und verursacht Spannungen. Das können Sie auf alle Bereiche übertragen, auch auf den Job. Die Frauen sollten offen kommunizieren, was in ihnen vorgeht und welche Wünsche sie haben. Wenn die Frauen das als einen der wichtigsten Aspekte der Wechseljahre verstehen, können sie diese Lebensphase und sich selber besser annehmen und die geballte positive Energie daraus schöpfen. Das macht Mut, das tut gut!