GebrauchsanleitungSo bedient man die Maschine Mensch
„Zunächst einmal vielen Dank, dass sie das allerneueste Modell des affenartigen Primaten gewählt haben.“ Ob beim Smartphone, Auto oder PC: Alle wollen immer die neueste Version – das ist bei der Maschine Mensch nicht anders, wie der Autor Paul Hawkins in seinem kürzlich erschienenen Buch bemerkt. Der Mensch als Produkt, das man kaufen kann. Die Idee ist nicht sehr abwegig.
Gebrauchsanleitung zur Maschine Mensch
Werden wir nicht alle ständig bewertet nach unserer Effizienz, Leistung, Produktivität und Optimierbarkeit? Und zwar nicht nur im Job, auf Singlebörsen, in Castingshows, im Fitnessstudio, sondern eigentlich ständig. In seinem Buch „Gebrauchsanleitung Mensch: Bedienung, Wartung, Reparatur“ wagt Schriftsteller und Drehbuchautor Hawkins einen Metablick auf unsere Leistungsgesellschaft, in der wir alle schließlich immer mehr zu Robotern werden und unsere Körper immer absurderen Optimierungsmethoden unterwerfen.
Manager, Hausfrauen und Studenten schlucken Pillen, um leistungsfähiger zu sein; wir reglementieren alles, was mit Genuss zu tun hat, selbst auferlegte rigide Regeln bestimmen unsere Mahlzeiten. Fitness-Tracker und -Apps vermessen jede Regung und Leistung unseres Körpers - das Resultat kann man bei Facebook bewundern.
Der Mensch als nicht ausgereifter High-Tech-Apparat
Hawkins gibt also die Bedienungsanleitung zu den zwar „am weitesten entwickelten“ aber eben immer noch nicht vollkommen ausgereiften menschlichen High-Tech-Apparaten. In dem Kapitel zur „Hardware“ des Menschen, in dem er dessen Körper und Organe erklärt, schreibt der Autor über die Funktion der „Füße“: „Sie sind hässliche, weniger nützliche Hände.(...) Sie sind lang und flach, so dass der Mensch in aufrechter Position das Gleichgewicht halten kann.“ Ein Vorteil: „Sie sind weit entfernt von Augen und Nase des Menschen, so dass es ihnen freisteht, zu stinken oder lächerlich zu wirken.“
Kritischer Kommentar zum Optimierungswahn
Das Buch des 27-Jährigen kann uns Maschinenmenschen amüsieren, aber auch zum Nachdenken anregen: Man kann es deswegen als kritischen Kommentar zum allgegenwärtigen Optimierungswahn lesen. Denn wehe, die Maschine Mensch läuft nicht so, wie der Anwender es gerne hätte. „Die menschliche Hardware ist anfällig für gelegentliche unvermeidliche Pannen und Funktionsstörungen“, räumt Hawkins ein. Eine der häufigsten: „die Erkältung, welche zu Fehlfunktionen des Gesichts führt: seltsame Geräusche, geschwollene Augen, Nasenexplosionen“. Der Standby-Modus kann da vielleicht Abhilfe schaffen. Denn, so räumt Hawkins entschuldigend ein, „nach einem langen Tag 'Menschsein'“ müsse das Modell Mensch nun einmal aufgeladen werden, „mit einer Ruhephase namens 'Schlaf'.“
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Ständiges Aufladen mit Mahlzeiten
In einer Zeit, in der manche Menschen sich morgens einen Joghurt, mittags einen Salat und abends ein schmackhaftes Nichts gönnen, und Internet-Unternehmer, wie Rob Rhinehart mit der Erfindung Soylent, sogar das Essen abschaffen wollen, wirkt das Kapitel zum „Aufladen“ des Menschen fast schon zu brav: „Menschen sind Maschinen aus Fleisch, die Treibstoff brauchen, um zu laufen.“
Dabei seien sie „ständig auf dem Weg von einer Mahlzeit zur nächsten und versuchen nebenbei die Zivilisation am Laufen zu halten.“ Jede beeindruckende menschliche Errungenschaft habe also in die Pause zwischen zwei Mahlzeiten passen müssen. Mozarts geniale Musik oder die beeindruckende Technik von Raumfahrtraketen seien ohne Frühstück, der wichtigsten Mahlzeit des Tages, wohl gar nicht entstanden.
Lange Suche nach der kompatibelsten Maschine
Auch unsere ständige Suche nach dem perfekten Partner, die inzwischen zu Auswüchsen wie der Flirt-App Tinder oder der Online-Plattform „Shop a man“ geführt hat, treibt Hawkins im Kapitel „Kompatibilität“ auf die Spitze: „Obwohl überall ziemlich genau die gleiche Anzahl von Vertretern beider Geschlechter vorhanden ist, zerstört der Mensch die schöne Schlichtheit der natürlichen Paarung, indem er oder sie nicht mit dem nächsten verfügbaren Gegenüber schläft, sondern stattdessen versucht, mit dem besten Gegenüber zu schlafen.“
Die lange Suche nach der kompatibelsten Maschine endet schließlich in einem Kompromiss: „Wenn zwei Menschen lange genug zusammen geblieben sind, ohne dass jemand Besseres vorbeigekommen ist, ist es üblich, dass sie einfach aufgeben und heiraten.“