Glücksempfinden ist mehr als der objektive Zustand der Lebenssituation. Magnus Heier erklärt, was glücklich macht und wo das Glück herkommt.
Irrationales GlücksempfindenIm Alter oder trotz Krankheit – So werden und bleiben wir glücklich
Das Gehirn funktioniert in vielen Bereichen bemerkenswert irrational: etwa beim subjektiven Glücksempfinden. Glücklich oder unglücklich zu sein ist weit mehr als die logische Verarbeitung der objektiven Lebenssituation. Sonst wären Reiche glücklich, und Gesunde, Erfolgreiche und Mächtige. Sie sind es sehr oft nicht. Umgekehrt müssten Alte unglücklich sein – wegen altersbedingter Einschränkungen, Krankheiten und der reduzierten Lebenserwartung: Sind sie ebenfalls oft nicht. Es ist komplizierter.
Tatsächlich sind junge Menschen, im Zenit ihrer körperlichen und geistigen Kräfte, wenig überraschend tendenziell glücklich. Trotz Unsicherheiten und massiver Veränderungen in allen Lebensbereichen. Danach, in der Lebensmitte, lässt das subjektive Glücksgefühl im Durchschnitt aber nach: Es wird vom Stress der Lebensmitte aufgezehrt – von Beruf, Familie, Verantwortung. Dann aber passiert etwas Merkwürdiges: Mit zunehmendem Alter, ab ungefähr 60 Jahren, nimmt das subjektive Glücksgefühl wieder zu. Trotz Einschränkungen, trotz Krankheiten.
Natürlich trifft das nicht für jeden zu. Natürlich hängt die persönliche Situation von sehr vielen Faktoren ab. Aber es ist doch bemerkenswert, dass die meisten Menschen im Alter (man möchte fast sagen: trotz fortgeschrittenem Alter) wieder glücklicher werden als in mittleren Jahren. Das Glücksgefühl macht sich vom Zustand des Körpers gleichermaßen frei! Ganz drastisch ist dieses Phänomen bei Menschen, die plötzlich bedrohlich erkranken. Zunächst dominiert die nackte Verzweiflung. Dann aber, nach einem halben bis einem Jahr, erreichen die meisten den ursprünglichen Zustand von Zufriedenheit – auch wenn die Krankheit noch da ist. Noch irritierender ist diese Beobachtung bei Menschen, die nach einem Unfall etwa auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Auch sie erreichen meist das subjektive Glücksgefühl von vorher.
Forschung: Glück nur zu zehn Prozent von der Lebenssituation abhängig
Die Glücksforschung sagt, dass Glück nur zu etwa zehn Prozent von den äußeren Lebensbedingungen abhängig ist, von der objektiven Lebenssituation. Auch wenn so präzise Zahlen im Bereich der Psychiatrie eher skeptisch machen: Die grundsätzliche Beobachtung ist wohl richtig. Der Rest, die „90 Prozent“, liegt zum Teil auf den Genen: Jeder kennt Menschen, die scheinbar zu Unrecht glücklich oder auch unglücklich sind – die Persönlichkeit lässt sich schwer ändern.
Ein bisschen aber schon: Wer aktiv ist (vor allem auch im Alter) – von Sport über Gesang, von Reisen bis zur Gartenarbeit – wird sich selbst glücklicher machen. Glückstechnisch am besten sind Tätigkeiten, die einen mit anderen Menschen zusammenbringen, etwa Sport oder Tanz. Denn Kontakte sind ein entscheidender, vielleicht der entscheidende veränderbare Glücksfaktor. In der Familie oder im Freundeskreis. Und schließlich: Glückliche Menschen bleiben meist länger gesund und leben schließlich länger. Was wiederum – im Alter – zu einem höheren Glücksgefühl führt. Oder wie eine sehr alte Freundin neulich sagte: „Es lohnt sich, alt zu werden.“