Corona im Super-AllergiejahrWas Allergiker über die Heuschnupfen-Saison wissen müssen
Köln – Das Ende der Omikron-Welle ist noch nicht in Sicht und parallel hat die Heuschnupfen-Saison begonnen. Mehr noch: Super-Allergiemonate stehen bevor, da wir uns im so genannten Mastjahr befinden. Was das genau bedeutet, wie sich Omikron-Symptome von denen einer Allergie unterscheiden und ob eine Maske und was sonst gegen Pollen hilft, klären wir gemeinsam mit dem Leverkusener Pneumologen und Allergologen Norbert Mülleneisen.
Woran erkenne ich, ob ich Omikron habe oder eine Allergie?
Derzeit sind viele Allergikerinnen und Allergiker verunsichert und fragen sich: Wie unterscheide ich eine Pollenallergie von einer Corona-Infektion? Sind eine triefende Nase und Kratzen im Hals Anzeichen für Omikron oder ist es Heuschnupfen? „Ein Hauptanzeichen für eine Allergie ist, wenn es juckt und in den Augen brennt, das tut es bei einer Corona-Infektion in der Regel nicht“, sagt Mülleneisen.
Manche Symptome seien eindeutig zuzuordnen, wie etwa Fieber, das auf eine Corona-Infektion hindeutet, nicht aber auf Heuschnupfen. Andere wiederum, zum Beispiel trockener Husten und Atemnot, seien da schon kniffliger zu beurteilen. „Diese Symptome treten bei beiden Erkrankungen auf, wenn auch häufiger beim Coronavirus“, sagt Mülleneisen.
Allerdings seltener bei einer Omikron-Infektion, weil sich bei dieser Variante das Virus in den Zellen der oberen Atemwege vermehrt und fast gar nicht in der Lunge, wie bei Delta. Auch der bei Pollen-Geplagten typische Niesreiz und Fließschnupfen sei kein Ausschlusskriterium mehr. Bei der Delta-Variante kam eine triefende Nase nämlich relativ selten vor, bei einer Omikron-Infektion allerdings häufiger.
Gliederschmerzen und das allgemeine Erschöpfungsgefühl, schlapp, müde, antriebslos, dagegen sprechen eher für Omikron, weil das bei Heuschnupfen relativ selten vorkommt. „Sicherheit kann nur ein Corona- oder Allergietest liefern“, betont Mülleneisen.
Sorgt eine Allergie für schwerere Covid-19-Verläufe?
Während es in den Anfangszeiten der Pandemie hieß, dass Allergikerinnen und Allergiker, vor allem aber Menschen mit Asthma Risikopatienten seien, „wissen wir längst, dass Pollenallergiker und Asthmatiker weder ein erhöhtes Risiko haben, sich mit dem Coronavirus zu infizieren noch einen schweren Verlauf zu erleiden", sagt Mülleneisen. Heuschnupfen- und Asthma-Patienten hätten keine verminderte immunologische Abwehr, seien also nicht immun-geschwächt.
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Mülleneisen rät Menschen, die unter Asthma oder Heuschnupfen leiden, dringend dazu, bei Bedarf weiter örtlich wirksames Cortison, also Asthma- oder Nasenspray zu verwenden. Diese Sprays wirken sich nämlich nicht auf den ganzen Körper aus und können damit auch das Immunsystem nicht unterdrücken. Cortison-Tabletten dagegen, insbesondere in höheren Dosierungen, könnten die Immunabwehr des Körpers beinträchtigen. Patientinnen und Patienten sollten die Behandlung damit jedoch nicht ohne ärztliche Rücksprache abbrechen.
Mülleneisen: „Auch Personen, die eine Immuntherapie, also Hyposensibilisierung mit Spritzen, Tabletten oder Tropfen erhalten, können diese Therapie weiter ohne Probleme durchführen und sollten diese nicht abbrechen." Schließlich könne beispielsweise das Absetzen des Nasensprays zu einer Verschlechterung der Beschwerden und damit verbundenem häufigem Niesen führen. Menschen, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, können dadurch das Virus per Tröpfcheninfektion auf andere Personen übertragen.
Und wie schaut es mit allergischen Reaktionen auf die Corona-Impfung aus?
Mülleneisen, der in seinem Leverkusener Allergiezentrum, einem von insgesamt 14 im gesamten Bundesgebiet, hunderte Patientinnen und Patienten auf allergische Reaktionen gegenüber Covid-19-Impfstoffen untersucht, spricht von einer schwindend geringen Anzahl an Betroffenen. „Auf 100.000 Impfungen ist es in etwa ein Fall”, sagt der Allergologe.
Mülleneisen: „Die Impfstoffe, egal ob Tot-, mRNA- oder Proteinimpfstoff, sind nicht grundsätzlich besser oder schlechter für Allergiker geeignet. Wir können für Allergiepatienten den individuell bestgeeigneten Impfstoff auswählen, entscheidend ist, ob der individuell für das jeweilige Immunsystem ein Problem verursachen könnte. Wenn getestet wurde, dass jemand auf die Inhaltsstoffe der Impfstoffe nicht allergisch reagiert, kann der- oder diejenige diese Impfstoffe auch bedenkenlos bekommen – egal ob andere Allergien bestehen oder nicht.”
Was ist ein Mastjahr?
Ein Jahr, in dem Bäume aufgrund klimatischer Gegebenheiten, wie längere, warme, trockene und windige Perioden, vermehrt Samen produzieren, wird auch Mastjahr genannt. Dann biegen sich die Äste der Buchen und Eichen unter der Last ihrer Samen und die Waldböden sind mit Eicheln und Bucheckern bedeckt. Der Begriff stammt aus der Schweinemast, denn eine gute Samenproduktion, zum Beispiel von Eicheln, bedeutete auch reichlich Futter für die Schweine. Mastjahre treten je nach Baumart in unregelmäßigen Abständen auf. Ungefähr alle drei bis sechs Jahre gibt es eine Buchen-, alle zwei Jahre eine Birken- und alle sechs bis zwölf Jahre eine Eichenmast. Mülleneisen: „Dieses Jahr explodieren wieder die Birken und zwar exakt ab dem 30. März, auch die Eschen produzieren vermehrt Pollen, was den Frühblüher-Allergikerinnen und Allergikern stärkere Beschwerden bescheren wird.”
In den vergangenen Jahren häuften sich die Mastjahre, was Mülleneisen auf den Klimawandel zurückführt. Denn zum einen kommt es vermehrt zu Spätfrösten, die ein Mastjahr im Folgejahr begünstigen. Zum anderen sorgen warme und trockene Sommer für einen höheren Blütenansatz. Für die Bäume bedeuten häufige Mastjahre zwar eine gute Verbreitung ihrer Samen, aber auch einen höheren Energiebedarf, was sie anfällig macht für Krankheiten und Schädlinge.
Was bedeutet ein Mastjahr für Pollenallergiker?
In dieser intensiven Pollenzeit haben Pollenallergikerinnen und -allergiker durch die erhöhte Allergenbelastung besonders zu kämpfen. Ein Birkenkätzchen besteht aus mehr als fünf Millionen Pollen, die so klein sind, dass sie besonders tief in die Atemwege gelangen können. „Menschen, die auf Birkenpollen allergisch reagieren, leiden dann auch an Kreuzreaktionen auf verwandte Bäume wie Hasel oder Erle und auch auf verwandte Obst- und Gemüsesorten, wie zum Beispiel Kirschen, Äpfel, Nüsse oder Sellerie”, sagt Mülleneisen. Etwa jeder und jede zweite mit Pollenallergie entwickelt auch eine Allergie auf Stein- und Kernobst. Während noch vor 15 bis 20 Jahren nur etwa 17 Prozent der Heuschnupfen-Patientinnen und -Patienten an einer Nahrungsmittelkreuzallergie litten, sind es heute mehr als 50 Prozent.
Helfen Mund- und Nasenschutzmasken auch gegen Pollen? Und was noch?
Was vor Coronaviren schützt, schützt auch vor Pollen. Tatsächlich können Masken helfen, die Pollen von den Atemwegen fernzuhalten. „Dadurch werden die Schleimhäute in Mund und Nase weniger gereizt und die Allergiesymptome lassen sich besser beherrschen”, erklärt der Experte.
Darüber hinaus können Pollenfilter im Staubsauger, Auto oder als Bestandteil von Luftreinigern in der Wohnung die Belastung reduzieren. Auch Pollenschutzgitter vor den Fenstern schützen vor Pollen. In deren Flugmonaten sollte frisch gewaschene Wäsche nicht im Freien getrocknet und Kleidung möglichst nicht im Schlafzimmer gewechselt werden, da die Pollen von der im Freien getragenen Kleidung an die Bettwäsche gelangen und nachts für Beschwerden sorgen können. Da die Pollen auch der Haut und in den Haaren kleben, raten Expertinnen und Experten dazu, abends zu duschen und die Haare zu waschen.
Lüften: ja oder nein? Auf dem Land öffnet man die Fenster besser abends, da die Pollen-Konzentration dann niedriger ist. In der Stadt verhält es sich umgekehrt. Hier fliegen abends die meisten Pollen. Kurzes Stoßlüften ist besser als permanent das Fenster gekippt zu halten.
Die Beschwerden lindern kann die richtige Lebensmittel-Auswahl. Denn ausgelöst werden sie letztlich durch Histamin, das reichlich unter anderem in Zitrusfrüchten oder Schokolade enthalten ist. Diese sollten Allergiker in der Pollenzeit möglichst wenig essen. Hilfreich ist hingegen Petersilie, die die Ausschüttung von Histamin hemmen kann. Symptome lindern können auch frei verkäufliche Antihistaminika.
Können Allergiker in der Pollenzeit Sport treiben?
Der generelle Verzicht auf Sport, während die Pollen fliegen, wäre ein Fehler, findet Sportwissenschaftler Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln. Denn besonders Ausdauertraining könne die Atemmuskulatur stärken und den Körper somit besser gegen allergische Reaktionen wappnen. Allerdings: Wer während des Sports im Freien in Atemnot gerät, muss das Training sofort unterbrechen. Wer die Birke nicht verträgt, trainiert im April und Mai vielleicht lieber im Fitnessstudio, schlägt Froböse vor. (mit dpa)