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Junger Kölner mit HIV-Diagnose„Mein Zahnarzt wollte mich nicht mehr behandeln”

Lesezeit 6 Minuten
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Der Kölner Marcel Dams spricht offen über seine HIV-Infektion, um Vorurteile darüber abzubauen.

  1. Der Welt-Aids-Tag am 1. Dezember setzt sich für Solidarität mit HIV-Positiven ein.
  2. Der junge Kölner Marcel Dams weiß, dass er HIV-positiv ist. Wie hat sich sein Leben seit der Diagnose verändert?
  3. Hier spricht er offen, auch über die Vorurteile und Diskriminierungen, die er erlebt. Ein Artikel aus unserem Archiv.

Köln – Marcel Dams ist 20 Jahre alt. Er lernt einen Mann kennen, verliebt sich, kann sich eine Beziehung mit ihm vorstellen. Sie lernen sich näher kennen, werden intim – haben Sex. Das erste Mal in seinem Leben schläft Marcel Dams ohne Kondom mit einem Mann. Der erste ungeschützte Sex in seinem Leben hat für den Kölner weitreichende Folgen. Er infiziert sich mit dem HI-Virus.

Damit ist er nicht allein in Deutschland. Immer noch infizieren sich jedes Jahr Menschen, ungefähr 2.700 waren es nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) 2017. Rund 86.100 Menschen leben in Deutschland mit dem Virus. Medizinisch kann man ihn heute so gut behandeln, dass HIV-Positive weder daran sterben noch eine kürzere Lebenserwartung haben.

HIV als gesellschaftliches Tabu schadet der Prävention

Eine lebensverändernde Diagnose ist die Infektion trotzdem noch – das liege vor allem an den Diskriminierungen, die viele HIV-Positive erleben und den negativen Bildern über die Krankheit, die in der Gesellschaft vorherrschen, sagt Dams im Gespräch mit dieser Zeitung. „Die Bilder, dass Menschen an einer Infektion selbst schuld seien oder dass der Virus nur unter homosexuellen Männern verbreitet sei, führen dazu, dass Menschen nicht zum Test gehen. Und das ist schädlich für die Prävention.“

In Deutschland erkranken immer noch etwa 1.000 Menschen pro Jahr an Aids, werden schwer krank und sterben im schlimmsten Fall, „weil sie denken, dass sie nicht zur Risikogruppe gehören oder aus Scham keinen Test machen“, schildert Dams. „Menschen, die alle Menschen als dumm bezeichnen, die sich mit HIV infizieren, sind mit dafür verantwortlich, wenn Menschen sich nicht trauen, einen Test zu machen.“ Nach Hochrechnungen des RKI wissen 11.400 Menschen in Deutschland nicht, dass sie HIV-positiv sind. Oft seien es heterosexuelle Frauen, weil weder sie selbst noch Ärzte das Virus vermuten und der lebenswichtige Test ausbleibe.

Weitere Informationen über HIV und Aids

• HIV und Aids sind nicht dasselbe. HIV bedeutet „Humanes Immundefizienz-Virus”. Das Virus schädigt die körpereigenen Abwehrkräfte. Ohne Behandlung kann sich das Immunsystem nicht mehr gegen eindringende Krankheitserreger wehren.

• Bleibt die Infektion unbehandelt, können lebensbedrohliche Krankheiten wie eine schwere Lungenentzündung ausbrechen. Dann spricht man von Aids, dem „Erworbenen Abwehrschwäche-Syndrom”.

• HIV-Medikamente unterdrücken das Virus im Körper und verhindern damit den Ausbruch von Aids. Menschen mit HIV können so gut und lange leben.

• Ein HIV-Test zum Beispiel beim Gesundheitsamt kann darüber aufklären, ob man sich nach ungeschütztem Sex infiziert hat.

Weitere Informationen über HIV und Aids bietet die Deutsche Aidshilfe.

Für den jungen Mann ein Grund, seine eigene Infektion öffentlich zu machen und zu zeigen, wie es ist, mit HIV zu leben und die negativen, stigmatisierenden Bilder zu verändern. „Ich glaube, dass es mit meiner persönlichen Geschichte greifbarer wird und die Informationen bei den Menschen eher hängen bleiben.“

2009 hat Marcel Dams nach einem Test Gewissheit

Als Marcel Dams seinen damaligen Freund kennenlernt, weiß er nicht, dass es so viele HIV-positive Menschen gibt, die von ihrer Krankheit nicht wissen oder die Menschen aus Scham nichts von ihrer Krankheit erzählen. Mit seinem Ex-Freund habe er vor knapp neun Jahren ohne Kondom geschlafen, ohne vorher darüber zu sprechen, er habe ihm einfach vertraut. „Ich habe gar nicht daran gedacht, dass etwas passieren könnte. Ich bin davon ausgegangen, dass jemand, der HIV-positiv ist, das vor dem Sex sagen würde.“ Sein Ex-Freund wusste zwar von seiner Infektion, hat mit Marcel Dams aber vor dem ersten Sex nicht darüber gesprochen, ihn nicht aufgeklärt.

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Die Aids-Schleife ist ein Symbol der Solidarität. Doch HIV-Positive erleben im Alltag immer noch häufig Diskriminierungen.

Kurze Zeit darauf hatte Marcel Dams Symptome einer Grippe. Aus der Schulzeit wusste er noch, dass es ein Anzeichen für eine HIV-Infektion sein kann. Mit einem Test beim Gesundheitsamt bekam er im August 2009 Gewissheit: HIV-positiv. Was Marcel Dams direkt danach fühlte, war „eine innere Leere“. „Als ich vom Gesundheitsamt nach Hause gefahren bin, hat es sich so angefühlt, als wäre eine Milchscheibe über meinem Körper – ich habe nicht mitbekommen, was auf der Straße um mich herum geschieht, ich war völlig mit mir selbst beschäftigt.“

Sexualität und der eigene Körper waren für den jungen Mann lange tabu

Die Bilder davon, dass HIV-positiven Menschen etwas Schmutziges anhaftet, sie an der Infektion selbst schuld sind, hatte auch der junge Kölner verinnerlicht. Das hatte für den jungen Mann weitreichende Folgen: „Sexualität war für mich das erste Jahr nach der Diagnose tabu – auch Selbstbefriedigung.“ Marcel Dams lehnte sich selbst und seinen Körper ab, fühlte sich schmutzig und sah sich als Gefahr für andere Menschen. Erst in einem langen Prozess hat er wieder zu sich und seiner Sexualität gefunden.

Ein Grund, warum sich Marcel Dams so gefühlt hat, sind Vorurteile gegenüber HIV und Aids und die damit einhergehenden Diskriminierungen. So gehört es nach den Ergebnissen der Studie „Positive Stimmen“ für HIV-Positive zum Alltag, dass sie diskriminiert werden – von Bekannten, Freunden, und Familie, aber auch im medizinischen Bereich.

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Diskriminierung findet häufig im medizinischen Bereich statt

Medizinisch sei das nicht erklärbar, sagt Marcel Dams, denn eine Gefahr für andere Patienten sind HIV-Positive natürlich nicht. „Ärzte, die jemanden mit HIV nicht behandeln möchten, machen das aus moralischen Gründen oder weil sie sich um den Ruf ihrer Praxis sorgen“, sagt Dams. Er selbst hat das wenige Monate nach seiner Diagnose erlebt. Sein damaliger Zahnarzt wollte ihn nicht mehr behandeln. Dams hatte dem Arzt von der Infektion erzählt, um mögliche Wechselwirkungen mit seinen Medikamenten auszuschließen, doch der Mediziner beschimpfte den jungen Mann und weigerte sich, ihn weiter als Patienten zu behandeln.

Nicht nur der Zahnarzt, sondern auch einige Freunde von Marcel Dams reagierten negativ – manche wandten sich sogar von ihm ab. Zu groß die Angst vor dem Virus. Zu präsent die negativen Bilder. Einen Grund für die Furcht vor dem Virus gibt es nicht. In alltäglichen Situationen kann der Virus nicht übertragen werden. Nur beim Geschlechtsverkehr oder direkt über das Blut kann man sich infizieren. Eine heutige HIV-Therapie sorgt sogar dafür, dass bei HIV-Positiven bei einer erfolgreichen Behandlung das Virus nicht mehr nachweisbar ist und sie niemanden mit dem Virus anstecken können.

Die Infektion und die einschneidende Erfahrung haben Marcel Dams geprägt: „Die Infektion hatte aber nicht nur negative Seiten. Ich habe angefangen mich zu engagieren, bin erwachsen geworden und bin daran schmerzlich gewachsen.“

Hier geht es zum Blog von Marcel Dams.