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Schleichender HörverlustWie merke ich, dass mit meinen Ohren etwas nicht stimmt?

Lesezeit 7 Minuten
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Hörverlust ist meist ein schleichender Prozess.

  1. Mit den drei Universitätskliniken Köln, Bonn, Düsseldorf und akademischen Lehrkrankenhäusern ist die Region ein Spitzenstandort der medizinischen Forschung.
  2. Wer hier wohnt, an Krebs erkrankt, an Hör- oder Gelenkschäden leidet, sich vor Demenz fürchtet oder allergisch auf bestimmte Arzneimittel reagiert, kann unmittelbar vom Know-how der Spezialisten profitieren.
  3. Wie sehr, das zeigt die neue Serie des Kölner Stadt-Anzeiger mit Experten-Interviews, vor allem aber durch die Erfahrungsberichte erfolgreich behandelter Menschen.
  4. Folge 1: gutes Hören!

Zum Start unserer neuen Gesundheitsserie spricht der Kölner HNO-Spezialist Professor Jens Peter Klußmann über die Bedeutung guten Hörens und wie moderne Möglichkeiten der Medizin dafür zu sorgen. Wie die 39-jährige Juristin Stefanie Hahne davon profitiert hat, erzählt sie uns.

Herr Prof. Klußmann, welche Art Lärm schädigt das Gehör, Stichwort Lärmverschmutzung?

Jens Peter Klußmann: Wenn ich jemanden permanent beschalle, mit Dauerlärm ab 85 Dezibel, können Hörzellen zerstört werden, ab 120, 130 Dezibel besteht ein hohes Risiko für einen akuten Schaden (Knalltrauma). Der alltägliche Krach um uns herum mag stressen, aber ob dadurch die Hörschwelle schlechter wird, ist nicht belegt.

Wie merke ich, dass mit meinen Ohren etwas nicht stimmt?

Hörverlust ist meist ein schleichender Prozess. Dass die Augen sich verschlechtern, merkt man schnell, den Hörverlust nicht. Denn auch das Sehen hilft beim Verständnis mit. Deshalb macht ein Hörtest nur mit Tönen aus dem Kopfhörer einen Riesenunterschied. Eine einseitige Taubheit ist auch gruselig, weil man kein Richtungshören mehr hat: Das Handy klingelt, ich weiß trotzdem nicht, wo es liegt.

Hören_Klussmann

Prof. Jens Peter Klußmann ist Leiter der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie an der Universitätsklinik Köln.

Bei Gesprächen müssen Betroffene den Kopf verdrehen. In geräuschvoller Umgebung wie im Restaurant oder in der Kneipe versteht man nichts. Insofern ist gutes Hören auf beiden Ohren wichtig. Denn nicht Hören können trennt von den Menschen. Wenn man nicht mehr versteht, ist man isoliert. Deshalb ist es gerade auch im Alter und bei Kindern fatal, wenn das Hören nicht funktioniert.

Was sind organische Gründe für Hörschäden?

Knocheneiterungen, chronische Entzündungen des Mittelohrs, Störungen bei den Hörknöchelchen, Unfälle mit Kopfverletzungen, etwa wenn man vom Fahrrad fällt und Blut aus dem Ohr läuft. Es gibt auch angeborene Hörschäden, durch die schlimmstenfalls der Spracherwerb nicht funktioniert. Deshalb wird in allen deutschen Geburtskliniken seit 2009 ein Neugeborenen-Screening in den ersten Lebenstagen durchgeführt. Der Test erfolgt beim schlafenden Kind und tut nicht weh. Ist das Ergebnis auffällig, wird das Gehör des Kindes in einer Spezialeinrichtung untersucht. Liegt eine Schwerhörigkeit vor, wird bereits das kleine Baby mit Hörgeräten versorgt.

Gesund im Rheinland

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Illustration: KStA/Tobias Hahn

Mit den drei Universitätskliniken Köln, Bonn, Düsseldorf und akademischen Lehrkrankenhäusern ist die Region ein Spitzenstandort der medizinischen Forschung. Wer hier wohnt, an Krebs erkrankt, an Hör- oder Gelenkschäden leidet, sich vor Demenz fürchtet oder allergisch auf bestimmte Arzneimittel reagiert, kann unmittelbar vom Know-how der Spezialisten profitieren. Wie sehr, das zeigt die neue Serie des Kölner Stadt-Anzeiger mit Experten-Interviews, vor allem aber durch die Erfahrungsberichte erfolgreich behandelter Menschen.

Was steckt hinter Altersschwerhörigkeit?

Der Hörverlust im Alter ist eine zunehmende Innenohrschwäche. Hohe Töne nehmen am schnellsten ab, sie sitzen ganz vorn in der Hörschnecke. Man weiß bis heute nicht genau, was passiert, aber in der Hörschnecke gibt es ganz feine Membranen, vermutlich wird der komplette Elektrolythaushalt der Sinneszellen gestört. Das menschliche Ohr kann minimale Schwingungen von der Größe eines Wasserstoffatoms wahrnehmen, aber auch den Krach eines Düsenjets verkraften. Es hat eine unheimliche Dynamik. Diese Bandbreite geht bei der Altersschwerhörigkeit verloren. Älteren Menschen ist leises oft zu leise, lautes zu laut. Erst verstehen sie nicht, dann brüllt man ihnen ins Ohr und sie beschweren sich. Denn das ist für sie dann tatsächlich gleich mega-laut.

Diese Reaktion kennt man auch von Hörgeräte-Trägern…

Ja, die Anpassung an die Dynamik des Ohres ist extrem schwierig. Deshalb sollte man sich umfassend testen und beraten lassen und Hörgeräte immer frühzeitig einsetzen, solange das Gehör und das Gehirn noch eine hohe Plastizität haben.

Wann machen implantierbare Hörsysteme Sinn?

Hier sollte man Cochlea-Implantate (CI) von anderen implantierbaren Hörsystemen trennen. Im Prinzip ist ein CI immer sinnvoll, wenn ein herkömmliches Hörgerät nicht mehr reicht und man möglichst noch nicht zu lange ertaubt ist. Denn wenn der Hörnerv lange nicht mehr gearbeitet hat, dauert es auch länger, bis man mit dem CI wieder Hören gelernt hat. Cochlea Implantate (CI) sind seit 20 Jahren etabliert, als erster kompletter Ersatz eines Sinnenorgans, sie sind die erste funktionierende Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, über die heute so viel diskutiert wird. Es ist beim CI aber nicht mit der Operation getan, wobei allein das Gerät circa 19.000 Euro kostet.

Vorab ist eine umfassende Diagnostik mit Bildgebung und intensiven Hörtesten nötig, hinterher braucht es Schulungen und Kontrolle. Die Elektroden sind heute viel dünner, die Gehäuse stabiler und die Elektronik ist leistungsstärker geworden, dennoch ist es ein etwa zweistündiger Eingriff ins Innenohr und ein eventuell vorhandenes Resthörvermögen kann durch die Elektrode im Laufe der Zeit geschädigt werden. Dem versucht man, durch Verwendung kürzerer Elektroden vorzubeugen.

Wir hatten kürzlich in Köln den 1300. CI-Patienten, sie alle werden ein Leben lang von uns mit begleitet. Die gute Botschaft lautet: Hörprobleme sind kein Schicksal. Selbst wenn eine Hörstörung sehr ausgeprägt ist und der Betroffene kein Hörgerät verträgt, weil sich zum Beispiel der Gehörgang immer wieder entzündet, gibt es auch in diesem Fall Hörimplantate. Man kann auf der ganzen Strecke zwischen Außen- und Innenohr etwas machen, es gibt sogar Prothesen für Gehörknöchelchen.

Kann man steuern, was man hören möchte und was nicht, die Ohren quasi von innen verschließen? Auch das wird gerade Kindern und alten Menschen ja gerne unterstellt.

Das ist eher eine Frage der kopfgesteuerten Konzentration. Unsere Ohren sind immer offen, das hat die Natur so gebaut, denn unser Ohr ist entwicklungsgeschichtlich ein Warnorgan. Und Gefahr muss ich hören können, ob ich will oder nicht.

Das Gespräch führte Sieglinde Neumann

Patienten berichten: Stefanie Hahne

Stefanie Hahne (39) ist Juristin bei der Stadt Bonn. Gutes Hören gehört zu ihrem Job. Genau diese Fähigkeit wurde ihr aber nicht in die Wiege gelegt. „Als ich etwa 10 Jahre alt war, wurde eine Verknöcherung der Hörknöchelchen festgestellt“, erzählt sie. Daran litt sie vermutlich schon länger, es fiel nur keinem auf. Denn für Stefanie war ihre Art zu hören normal und sie war clever genug, um ihr Verhalten ihren Defiziten anzupassen. „Ich lernte normal sprechen und hatte gute Noten in der Schule, man eignet sich instinktiv an, von den Lippen zu lesen“, sagt die junge Frau.

Hören_Stephanie-Hahne

Stefanie Hahne (39) ist Juristin bei der Stadt Bonn. 

Erst als sie eines Tages vor dem Fernseher saß und sich abwechselnd die Ohren zuhielt, musste sie sich eingestehen, dass sie tatsächlich kaum noch Töne zu den Bildern hörte. Die Diagnose war ein Schock. Das Mädchen brauchte Hörgeräte. „Damit bin ich nie klargekommen“, erinnert sie sich, „selbst wenn ich das Hörgerät drei Stufen lauter stellte, hörte ich alles nur lauter, nicht verständlicher.“ Es folgten zwei Operationen mit 16 und 20 Jahren. Die Verknöcherung im Mittelohr wurde erfolgreich mit einer Prothese überbrückt. Damit schien der Spuk ausgestanden. Etwa fünf Jahre nach der OP begann das Gehör aber wieder kontinuierlich schlechter zu werden. Nach der Arbeit dröhnten der Juristin trotz neuer Hörgeräte die Ohren, dazu Kopfschmerzen, Tinnitus, Schwierigkeiten beim Telefonieren. Es ging nicht mehr.

Im Dezember 2018 und im Juni 2019 wurden der Brühlerin in der Universitätsklinik Köln rechts und links ein CI implantiert. Nach sechs Wochen wird das Gerät angeschaltet. Für Stefanie ein Glücksmoment. „Ich hatte von Anfang an gar keine Probleme!“ Es werden Töne eingespielt, es wird ausgetestet, was man hört, was nicht. „Es gibt Patienten, die sich Worte anhören müssen, um sie neu zu lernen“, weiß Stefanie Hahne. „Für mich waren der Alltag und normale Gespräche Training genug. Bei mir ging es ums Fernsehgucken und Musikhören.“ Sie strahlt: „Es ist einfach toll, Gesprächen wieder folgen zu können, ohne nachfragen zu müssen.“ Ihre Erwartungen wurden mehr als übertroffen. „Ich höre selbst Sachen, von denen ich gar nicht wusste, dass sie Geräusche machen“, lacht sie. Etwa das Zahlenschloss am Stall ihres Reitpferdes. „Ich hatte Angst, dass man mit dem Gerät hört wie ein Roboter oder Mickey Mouse.“ Tatsächlich sei der Klang der Stimmen, das Sprachverständnis von früher wieder da. Am Tag der Erstanpassung für das erste Gerät, sechs Wochen nach der OP, besuchte sie eine Karnevalssitzung.