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Hot-Chip-Challenge auf TiktokWann scharfes Essen gefährlich sein kann

Lesezeit 4 Minuten
Cuttermesser schneidet in Chili-Schote

Auf Tiktok trendet die Hot-Chip-Challenge, bei der Nutzer extrem scharfe Tortillachips essen und anschließend so lange wie möglich nichts trinken. (Symbolbild)

Nach einem tragischen Vorfall in Euskirchen stellt sich die Frage: War das ein Ausnahmefall oder kann scharfes Essen doch schnell gefährlich werden?

Tiktok-Challenges sind bei Kindern und Jugendlichen äußerst beliebt. Doch immer wieder kommt es auch zu sehr gefährlichen und fragwürdigen Herausforderungen, denen sich junge Menschen stellen: Aktuell etwa kursieren etliche Warnungen im Netz vor der sogenannten Hot-Chip-Challenge.

Zu einem besonders tragischen Vorfall war es in diesem Zusammenhang kürzlich an einer Schule im nordrhein-westfälischen Euskirchen gekommen. Dort bekamen Jugendliche Atemnot, nachdem sie besonders scharfe Tortillachips gegessen hatten. Einer der Jugendlichen musste im Krankenhaus behandelt werden. Die Jugendlichen sollen die Chips bei einem nahe gelegenen Kiosk geklaut haben. Was es mit der Hot-Chip-Challenge auf sich hat und was bei zu scharfem Essen hilft.

Was ist die Hot-Chip-Challenge?

Die Hot-Chip-Challenge ist ein Tiktok-Trend, bei dem es darum geht, extrem scharfe Tortillachips einer bestimmten Marke zu essen und anschließend so lange wie möglich nichts zu trinken. Die Bilder von dem Prozedere sollen auf Tiktok hochgeladen werden.

Die Chips sind mit Carolina Reaper gewürzt, der angeblich schärfsten Chilisorte der Welt. Sie enthält ungefähr 9300 Milligramm Capsaicin pro Kilogramm und liegt damit deutlich über dem Wert von 6000 Milligramm pro Kilogramm, den das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bereits für kritisch hält. „Ich würde auf keinen Fall empfehlen, an der Hot-Chip-Challenge teilzunehmen“, warnt Expertin Caroline Ludwig. Wettbewerbe, bei denen es darum gehe, extrem scharf zu essen, sind nicht neu. Schon 2011 warnte das BfR vor solchen Wettkämpfen.

Ab wann wird scharfes Essen gefährlich?

Wenn Menschen mehr als fünf Milligramm Capsaicin pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen, kann es laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung gefährlich werden. Eine 60 Kilogramm schwere Person dürfte dementsprechend also maximal 300 Milligramm Capsaicin über eine Mahlzeit essen oder trinken. Capsaicin ist der Stoff, der Chilis hauptsächlich ihren scharfen Geschmack verleiht. Bei Ingwer heißt der entsprechende Stoff Gingerol, bei Pfeffer Piperol.

Tabasco enthält ungefähr 100 bis 300 Milligramm Capsaicin pro Kilogramm. Sambal Olek kann bis zu 800 Milligramm pro Kilogramm enthalten und Chilipulver bis zu 3000 Milligramm pro Kilogramm. Die Schärfe von Produkten wird in Scoville angegeben. Ein Milligramm Capsaicin pro Kilogramm entspricht 16,1 Scoville. Tabasco-Soße hat zum Beispiel bis zu 5000 Scoville. Das BfR betont jedoch, dass die allermeisten scharfen Speisen keine Gefahr für die Gesundheit sind, solange man keine Allergie gegen die Gewürze hat. Das gilt auch für traditionelle scharfe Speisen aus nicht europäischen Ländern.

Wie reagiert der Körper auf Schärfe?

Essen wir etwas Scharfes, werden die Wärme- und Schmerzrezeptoren im Mund angesprochen. Typisch sind ein Gefühl von Hitze bis hin zu Schweißausbrüchen. Capsaicin regt den Magen an, weshalb sehr scharfes Essen Bauchschmerzen, Durchfall und in extremen Fällen Erbrechen auslösen kann. Auch können die Schleimhäute im Mundbereich sowie die Atemwege gereizt werden. Große Mengen Capsaicin können den Blutdruck ansteigen lassen.

Wer ohnehin Probleme mit dem Blutdruck hat, sollte also vorsichtig mit sehr scharfen Speisen sein. Gerät Capsaicin in die Augen, verursacht es starkes Brennen. „Wenn man Chilis schneidet, sollte man dabei Handschuhe tragen oder sich danach gut die Hände waschen“, empfiehlt Ernährungsexpertin Caroline Ludwig von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Kann scharfes Essen lebensgefährlich sein?

„Es gibt sehr wenige Fälle, in denen Menschen extrem hohe Mengen Capsaicin zu sich genommen haben und lebensgefährliche Auswirkungen hatten“, sagt Caroline Ludwig. Betroffen gewesen seien sehr junge Kinder. Das BfR nennt zum Beispiel den Fall eines zehn Monate alten Jungen, der bewusstlos wurde, nachdem er versehentlich Chilisoße gegessen hatte.

Er habe nicht mehr richtig atmen können und sei blaurot angelaufen. In der Fachliteratur werde außerdem der Todesfall eines zweijährigen Jungen zitiert. Ihm seien bei Misshandlungen sehr scharfe Lebensmittel eingeflößt worden.

Was kann ich tun, wenn ich zu scharf gegessen habe?

Wer zu scharf gegessen hat, kann Milch, Sahne oder Joghurt zu sich nehmen. Da Capsaicin fettlöslich ist, helfen Milchprodukte besser als ein Glas Wasser. Auch soll das Protein Kasein, das in Milch enthalten ist, bei Schärfe helfen. Veganerinnen und Veganer können zum Beispiel auf Margarine oder Kokosfett zurückgreifen. Wer eine allergische Reaktion vermutet, sollte eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen.

Sind Lebensmittel mit extrem hohem Capsaicin-Gehalt gekennzeichnet?

In Deutschland müssen extrem scharfe Lebensmittel nicht gekennzeichnet werden. Die Hersteller versehen ihre Produkte jedoch teilweise freiwillig mit Warnhinweisen, um sich abzusichern. So auch im Fall der Tiktok-Challenge in Euskirchen. Die Tortillachips, die die Schüler aßen, waren laut der Polizei erst ab 18 Jahren empfohlen.

Hier sieht Ernährungsexpertin Caroline Ludwig deutlichen Verbesserungsbedarf: „Hersteller sollten gesetzlich verpflichtet werden, auf der Vorderseite der Verpackung Warnhinweise anzubringen, wenn ein Produkt sehr viel Capsaicin enthält.“ Außerdem sollten die Lebensmittel ihrer Meinung nach kindersichere Verschlüsse haben. Besonders kritisch sehe sie Chilisoßen und Chiliextrakte, die über 6000 Milligramm Capsaicin pro Kilogramm enthalten.