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In der BeziehungWer betont, wie glücklich er ist, ist es meist nicht

Lesezeit 2 Minuten
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Wird Harmonie ständig betont, sollte man hellhörig werden, so ein Psychologe.

Manche Paare betonen ständig, wie glücklich sie miteinander sind. Ob gefragt oder ungefragt. Psychologen ist das Phänomen bekannt – auch wenn bei ihnen oft Paare sitzen, die ja eigentlich Probleme haben. Diese absolute Harmonie sei nicht aufrecht zu erhalten, urteilt der Paartherapeut Rüdiger Wacker aus Essen. Im Interview erklärt der Fachmann, was dahinter stecken könnten.

Wenn Paare überdurchschnittlich oft erwähnen, wie unglaublich gut sie miteinander auskommen - was denkt ein Psychologe darüber?

Rüdiger Wacker: Hinter der betonten Harmonie verbirgt sich häufig die Verleugnung von Unterschieden. Etwa die Sorge, einen Konflikt auszutragen. Wenn Paare die gemeinsamen Aspekte besonders herausstellen, etwa wenn sie zusammen arbeiten, dann ist es häufiger so, dass die Konfliktfähigkeit in dieser Partnerschaft nicht genutzt wird. Die Stärke des Betonens sollte einen hellhörig werden lassen. Man muss aber auch den Kontext beachten, etwa, ob jemand ständig danach gefragt wird.

Warum sind Konflikte für eine Partnerschaft wichtig?

Wacker: Manche Paare halten an einem Ideal fest: Gute Partnerschaft ist, wenn man sich nicht streitet. Auf den ersten Blick ist das ja nicht verkehrt, vor allem wenn man verliebt ist. Aber wenn das Ideal dann in die Beziehung hineingetragen wird, ist das nicht gut. Konflikte lassen sich absolut nicht vermeiden. Vielleicht haben die Partner aber auch aus früheren Beziehungen noch nicht gelernt wie man streitet.

Kann es denn nicht sein, dass ein Paar wirklich ganz ohne Streit auskommt?

Wacker: Dass es gar keine Konflikte gibt – das gibt es nicht. Im ersten halben Jahr ist das zwar Standard. Wenn jedoch aus einer anfänglichen Verliebtheit mit Hormon-Cocktail dann Liebe und eine Beziehung werden sollen, dann müssen auch Konflikte gelöst werden. Dass sich stillschweigend einer immer unterordnet, ist zwar möglich, führt aber oft zu unterschwelligen Spannungen.

Zur Person

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Rüdiger Wacker (Jahrgang 1962) bietet seit 1985 therapeutische Beratungsgespräche an. Fünf Jahre später eröffnete der Diplom-Psychologe eine Praxis. Seit 2005 ist er Lehrpsychologe für Systemische Beratung, etwa in der der Familienberaterausbildung.

Lassen sich die Beobachtung aus der Arbeit mit Paaren auch auf Gruppen oder Teams erweitern, die beruflich miteinander auskommen müssen?

Wacker: Grundsätzlich ja. Wenn zwischen Gruppen immer betont wird „das geht super mit uns“, dann ist das zwar keine notwendige Schlussfolgerung, dass es schlecht sein muss. Das wäre zu einfach. Aber man kann zumindest hellhörig werden und mal fragen, ob das denn alle Mitglieder der Teams so sehen. Es steht ja außer Frage, dass Konflikte da sind. Vielleicht lohnt sich auch die Frage: Wie lösen Sie eigentlich Konflikte? Das wäre ein Versuch herauszufinden, was da wirklich im Busche ist. (dpa/lhe)

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