AboAbonnieren

Interview„Die Folgekosten sind enorm“

Lesezeit 3 Minuten

Dr. Michael Faust leitet das Abnehmprogramm der Universitätsklinik Köln

Herr Dr. Faust, was kostet das Abnehmprogramm an der Kölner Uni-Klinik? Michael Faust: 3200 Euro.

Übernehmen den Betrag die Krankenkassen? Faust: Die meisten gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten leider nicht. Einige Betriebskrankenkassen sowie viele Privatkrankenkassen übernehmen den therapeutischen Teil. Adipositas wird von vielen Krankenkassen nicht als Krankheit wahrgenommen, weshalb auch Medikamente zur Behandlung der Adipositas und operative Eingriffe nicht primär erstattet werden. Ich rechne allerdings in den kommenden Jahren mit einem Umdenken, da die Folgekosten der Adipositas enorm sind.

Weshalb kommen die Patienten zu Ihnen? Faust: Oft ist der Leidensdruck so hoch, dass die Patienten bereit sind, das Geld selbst aufzubringen. Meist sind erste gesundheitliche Schäden wie hoher Blutdruck oder die Zuckerkrankheit der Grund für die Patienten, zu uns zu kommen. Wir bieten an unserer Klinik spezielle Adipositas-Sprechstunden an. Dort wir überprüft, ob es behandelbare Ursachen gibt und ob bereits Folgeerkrankungen entstanden sind.

Wieso ist Adipositas nicht als Krankheit anerkannt? Faust: In vielen Ländern gilt Adipositas als eigenständige Erkrankung. In Deutschland gehen die Krankenkassen wohl davon aus, dass das krankhafte Übergewicht selbstverschuldet sei und deshalb kein Anspruch auf medizinische Behandlung bestehe. Dies ist aber eine verkürzte Darstellung, da auch genetische Faktoren oder psychische Erkrankungen häufig erheblich zur Entstehung beitragen. In der Tat sind nicht alle adipösen Patienten schwer krank, allerdings steigt für die meisten das Risiko für Folgeerkrankungen erheblich.

Welche? Faust: Insbesondere das Risiko für Zuckerkrankheit, hohen Blutdruck, Gelenkerkrankungen, Gicht und Fettstoffwechselstörungen steigt erheblich. Was viele nicht wissen, ist, dass auch das Risiko für viele Krebserkrankungen und für Alzheimer ebenfalls deutlich ansteigt.

Abnehmprogramme werden viele angeboten. Was macht das Angebot der Uniklinik Köln speziell?Faust: Die Besonderheit hier besteht darin, dass wir für Patienten mit Adipositas ein breites Angebot haben – von der einfachen Beratung in der Sprechstunde bis hin zur Adipositas-Chirurgie. Wir können hierbei auf kompetente Fachkräfte unterschiedlichster Fachrichtungen zurückgreifen, etwa Ernährungswissenschaftler, Chirurgen, Psychologen, Psychotherapeuten und Sportwissenschaftler. Wir bieten den Patienten eine langfristige Dauerbetreuung an, und alle unsere Programme sind eingebettet in wissenschaftliche Auswertungen, so dass wir hoffentlich in Zukunft besser voraussagen können, welcher Patient von welcher Maßnahme am besten profitieren wird. In dem Einjahres-Programm nehmen die Teilnehmer im Schnitt 20 bis 30 Kilogramm ab, Männer nehmen in der Regel mehr ab als Frauen. Je höher das Ausgangsgewicht, desto größer die Gewichtsabnahme.

Wer eignet sich für Ihr Programm? Faust: Alle Menschen mit einem BMI über 30 kg/m2 können sich bei uns vorstellen. Bei einer medizinischen und psychologischen Eingangsuntersuchung klären wir ab, ob sich der Patient für das Programm eignet. Wir sind uns bewusst, dass viele Menschen mit Adipositas nicht über die erforderlichen Mittel verfügen, und bedauern deshalb umso mehr, dass sich die Krankenkassen bislang mit einer Unterstützung zurückhalten. Wir arbeiten daran, in Zukunft auch kostengünstigere Programme anzubieten.

Welche Patienten eignen sich für operative Verfahren?Faust: Aufgrund des mäßigen Erfolges und der hohen Komplikationsrate werden Magenbänder heute kaum noch verwendet. Stattdessen werden aufwendige Operationen mit Magenverkleinerung oder Umgehung großer Teile des Dünndarms durchgeführt. Dies sind letztlich „verstümmelnde“ Operationen, die einer intensiven Nachbetreuung bedürfen. Für Menschen mit einem BMI über 60 kg/m2 ist das oft der einzige Ausweg. Für andere Adipositas-Patienten sollte die Operation eher der letzte Schritt sein, wenn alle anderen Versuche gescheitert sind.

Das Gespräch führte Lioba Lepping