Unser Kolumnist Dr. Magnus Heier war in Lappland. Und klärt darüber auf, wie wir uns in bitterer Kälte an Kopf und Händen kleiden sollten.
Klug gekleidet in der KälteWelche Handschuhe sind die besten? Und wie wichtig ist eine Mütze?

„Kind, setz eine Mütze auf, sonst erfrierst du!“ Stimmt das?
Copyright: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa
Vorneweg eine Reiseempfehlung: Mit dem Nachtzug von Helsinki nach Rovaniemi in Lappland, ein paar Tage später tagsüber mit dem Zug zurück – eine atemberaubende Winterlandschaft. Zwei fantastische Fahrten. Allerdings: Als wir in Rovaniemi – auf der Höhe des Polarkreises – morgens um sieben Uhr ausstiegen, war die Außentemperatur 29 Grad unter null. Plus ein strenger Wind. Gefühlte Temperatur: nicht mehr fühlbar. Eine Temperatur, bei der es ohne Mütze, Schal und Handschuhe nicht mehr geht. Und selbst dann frieren gefühlt Nase und Wangen ein. Mehr noch: Wir haben am ersten Tag wenig Fotos gemacht, um die Handschuhe so selten wie möglich auszuziehen. Auch Kälte ist ein Erlebnis.
Ein Reisemitglied hatte elektrisch gewärmte Handschuhe (sie leidet unter dem Raynaud-Syndrom, der Weißfingerkrankheit). Wir anderen hatten „Fingerhandschuhe“ (also Handschuhe mit fünf Fingern), Fäustlinge hatte keiner. Die sind aus der Mode – zu Unrecht? Eine ältere Studie hat die Vor- und Nachteile verschiedener Handschuhe untersucht (es gibt wirklich für alles die passende Studie). Das Ergebnis war eindeutig: Fäustlinge sind den „Fingerhandschuhen“ deutlich überlegen! Das ist auch logisch, denn die Oberfläche eines solchen Handschuhs ist natürlich kleiner, es geht weniger Wärme nach außen ab. Und die Finger wärmen sich gegenseitig. Fäustlinge seien so effektiv wie elektrisch gewärmte Handschuhe! Und wenn man keine Feinarbeiten in der Kälte erledigen muss, kann man draußen auf die einzelnen Finger verzichten (und beim Fotografieren mussten wir die Handschuhe eh ganz ausziehen). Ein Appell für Fäustlinge bei wirklich kalten Temperaturen.
In der Kälte Lapplands beginnt man über Kälte nachzudenken. Auch über den uralten mütterlichen Tipp: „Setz eine Mütze auf, Du erfrierst sonst.“ Stimmt die Regel? Verlieren wir tatsächlich sehr viel mehr Wärme über den Kopf als über andere Körperteile? Die so genannte „Neunerregel“ teilt den Körper in elf Zonen ein, um die Körperoberfläche zu definieren (wichtige vor allem bei Verbrennungen): Jeder Arm hat 9 Prozent der Körperoberfläche, jedes Bein zwei mal neun, also 18 Prozent, Brust und Bauch auch 18 Prozent. Der Kopf eines Erwachsenen hat wiederum neun Prozent der Körperoberfläche. Aber er könnte ja trotzdem mehr Wärme abgeben, als seiner Oberfläche entspricht.
Man hat freiwillige Probanden für eine halbe Stunde in kühles Wasser gestellt. Ein Teil der Teilnehmer tauchte mit dem Kopf unter Wasser (und atmete vermutlich über einen Schnorchel). Das Ergebnis war eindeutig: Die Teilnehmer mit dem Kopf unter Wasser verloren in der halben Stunde zehn Prozent mehr Wärme als die, bei denen der Kopf an der Luft (und dort vermutlich geschützt) war. Genau so viel Verlust, wie über neun Prozent Körperoberfläche zu erwarten wäre. Das Gerücht, man würde über den Kopf die meiste Wärme verlieren, ist offenbar falsch.
Kälte kann wirklich kalt sein. Aber klug gekleidet und nicht betrunken (!) ist Kälte ein überaus spannendes Erlebnis.