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Alles andere als reine ErholungWas im Schlaf alles in unserem Körper passiert

Lesezeit 3 Minuten
Eine Frau liegt im Bett und schläft

Obwohl der Körper ruht, verbraucht er im Schlaf vergleichsweise viel Energie.

Im Schlaf sinken Herzschlag und Körpertemperatur. Trotzdem verbraucht der Mensch fast gleichviel Energie wie im wachen Zustand.

Zunächst drei einfache Zahlen: Wenn Sie joggen, verbraucht Ihr Körper pro Stunde etwa zehn kcal (Kilokalorien) pro Kilogramm Körpergewicht (also etwa 800 kcal bei einem 80 Kilogramm schweren Menschen). Sitzen Sie dagegen einfach auf einem Stuhl und tun nichts weiter, verbraucht er eine kcal. Jetzt die Überraschung: Wenn Sie stattdessen im Bett liegen und schlafen, verbraucht der Körper immer noch etwa 0,9 kcal. Der Energieverbrauch im Liegen und Schlafen sinkt fast nicht. Das ist für sich genommen schon erstaunlich genug. Aber es geht noch weiter.

Magnus Heier

Magnus Heier

ist Autor und Neurologe und schreibt die wöchentliche Medizinkolumne „Aus der Praxis“. ...

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Denn im Schlaf fällt die Körpertemperatur erheblich. Und in den Tiefschlafphasen sinkt die Atemfrequenz, das Herz schlägt langsamer, der Blutdruck fällt. Alles Vorgänge, die Energie sparen müssten. Trotzdem verbraucht der schlafende Körper fast gleichviel Energie wie der wachende. Es müssen also andere „Verbraucher“ anspringen, um diesen hohen Energieverbrauch zu erklären. Und genau das passiert auch: im Gehirn, im ganzen Körper.

Im Schlaf räumt der Körper auf

An der Hirnstromkurve kann man erkennen, ob ein Mensch schon eingeschlafen ist – und in welcher Schlafphase er oder sie sich gerade befindet. Im Gehirn wird im Schlaf zunächst einfach „aufgeräumt“: Stoffwechselabfälle werden entsorgt (das so genannte „glymphatische System“ wurde vor wenigen Jahren entdeckt). Wenn diese Abfallbeseitigung schlecht funktioniert, steigt anscheinend das Demenzrisiko. Gleichzeitig bearbeitet und speichert das Gehirn Gedächtnisinhalte. Nicht nur Wissen und Erlebnisse, sondern auch Fähigkeiten: Wer etwa Golfspielen trainiert oder Jonglieren, sollte nach dem Training schlafen. Und häufige Schlafstörungen können vergesslich machen.

Aufgeräumt wird auch im restlichen Körper. Vor allem aber hat das Immunsystem im Schlaf eine überaus aktive Zeit. Antikörper werden gebildet und Zytokine. Das sind Hilfsstoffe, die bei der Bekämpfung von Krankheitserregern gebraucht werden. Menschen mit häufigen Schlafstörungen haben im Durchschnitt messbar weniger dieser Hilfsstoffe im Blut. Umgekehrt sind wir bei Infekten sehr oft einfach todmüde. Einerseits, um den Körper zu schonen. Andererseits, um dem Immunsystem Kraft zu geben.

Säuglinge brauchen mehr Schlaf als Ältere – aber warum?

Schlaf ist also alles andere als eine Erholungsphase zwischen zwei wachen Tagen. Schlaf ist ein überaus aktiver Vorgang, der fast genauso viel Energie verbraucht, wie das Wachsein. Dabei bleibt es irritierend, dass Säuglinge ein Vielfaches an Schlaf brauchen als Ältere. Der Unterschied spannt sich zwischen 12 und 14 Stunden täglichen Schlafs (Säuglinge) und sieben bis acht Stunden (bei über 65-Jährigen). Die Zahlen schwanken je nach Quelle, die Tendenz ist unstrittig.

Vielleicht ist die Erklärung, dass das Gehirn von Säuglingen unfassbar viele Informationen verarbeiten und speichern muss. Mehr als das Älterer jedenfalls. Andererseits ist etwa das Immunsystem auch bei Alten gefordert. Und auch das ältere Gehirn muss Abfall entsorgen. Wie so oft in der Medizin: Es bleiben Fragen!