Kölner InfektiologeEmpfehlung für neuen Corona-Impfstoff „wird entscheidend helfen“
- Mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson wurde ein weiteres Mittel offiziell für den Einsatz in der EU empfohlen.
- Wie ist das Mittel im Vergleich zu den bisher zugelassenen Impfstoffen zu bewerten? Wird es das Impftempo entscheidend beschleunigen – und reicht tatsächlich eine Spritze?
- Wir haben mit Prof. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Kölner Uniklinik, über den aktuellen Forschungsstand und die Impfkampagne gesprochen.
Herr Fätkenheuer, wie bewerten Sie die Empfehlung der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) für den Corona-Impfstoff von Johnson & JohnsonGerd Fätkenheuer: Ich freue mich darüber und halte die Entscheidung für absolut richtig. Wir brauchen die Vektor-Impfstoffe von Astrazeneca und Johnson & Johnson unbedingt, um diese Pandemie zu bekämpfen. Sie sind sich in Aufbau und Wirkweise sehr ähnlich. Es gibt – wie bei vielen Medikamenten – sehr seltene, schwere Nebenwirkungen. Für mich steht aber außer Frage, dass der Nutzen die Nachteile überwiegt. Das gilt für beide Mittel.
Ähnlich wie bei Astrazeneca treten nach Impfungen mit dem Mittel in sehr seltenen Fällen Blutgerinnsel auf, insbesondere bei jungen Frauen. Hätte die Empfehlung nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt werden können?
Von Seiten der EMA ist die Entscheidung aus meiner Sicht nachvollziehbar. Sie muss generell gelten, für unterschiedliche Länder und Situationen. Das schließt nicht aus, dass – etwa in Deutschland – Gruppen gezielt mit Mitteln, die besonders gut passen, adressiert werden. Ich halte es beispielsweise für besonders ratsam, dass 30-jährige Frauen einen mRNA-Impfstoff erhalten, wenn es irgendwie geht. Dieser Gruppe generell keinen Vektor-Impfstoff anzubieten, wäre allerdings falsch. Die Verfügbarkeit und die rasche Impfung sind die entscheidenden Punkte.
Ist die Wahrscheinlichkeit für schwere Nebenwirkungen bei Vektor-Impfstoffen grundsätzlich höher?
Nein, das kann man so nicht sagen. Mir sind entsprechende Daten zumindest nicht bekannt. Als wahrscheinlich gelten Autoimmunreaktionen, die in den diskutierten Fällen unerwünschte Reaktionen auslösen. Der Körper reagiert in diesen sehr, sehr seltenen Fällen auf eine schädliche Weise gegen die eigenen Blutzellen.
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Die aktuelle Hypothese lautet, dass es einen kausalen Zusammenhang zu den Impfungen geben kann. Was genau diese Reaktion verursacht, ist unklar. Dass der Grund in der Vektor-Technologie liegt, halte ich für unwahrscheinlich.
Die Wirksamkeit wird mit rund 67 Prozent beziffert, das scheint im Vergleich zu anderen Mitteln wenig. Wie bewerten Sie diese Zahl?
Ich halte sie für irreführend. Auch hier erkenne ich eine Parallele zu Astrazeneca: Die offizielle Wirksamkeit klang wenig vielversprechend, Daten aus der Praxis haben dann aber gezeigt, dass das Mittel sehr sicher vor schweren Verläufen und Todesfällen schützt – zu beinahe 100 Prozent. Ähnliches erwarte ich beim Impfstoff von Johnson & Johnson. Die tatsächliche Wirksamkeit dürfte also deutlich höher sein als die offizielle.
Wieso muss das Mittel nur einmal verimpft werden?
Die Studie war von vornerein auf bloß eine Impfung angelegt. Man hat planmäßig – im Gegensatz zu Astrazeneca – nicht auf eine zweite Impfung gesetzt. Die Wirkung nach der ersten Impfung ist allerdings sehr ähnlich. Es bleibt aber abzuwarten, ob eine Impfung ausreichen wird. Rein medizinisch ergibt es für mich keinen Sinn, den einen Impfstoff doppelt und den anderen nur einmal zu verimpfen.
Sie rechnen also auch bei Johnson & Johnson mit mehreren Impfungen?
Ja, ich habe große Zweifel, ob eine Spritze in der Praxis ausreichen wird. Insbesondere mit Blick auf Escape-Mutationen, die sich an Impfungen anpassen, gehe ich stark von mehreren Impfungen pro Person aus.
Kann die Empfehlung das Impftempo entscheidend beschleunigen?
Die schiere Menge, die uns zusätzlich zur Verfügung steht, wird entscheidend helfen. Die Verfügbarkeit ist weiterhin der größte limitierende Faktor. Um die größeren Mengen im Sommer auch verimpft zu bekommen, müssen wir aber auch logistisch besser werden. Die Priorisierung etwa ist eine Folge der Knappheit. Wenn mehr Impfstoff da ist, müssen wir sie aufgeben stellen – um schneller zu werden. Wir müssen insgesamt unbürokratischer werden. Dann hilft uns jede zusätzliche Dosis sehr.
Welche weiteren Zulassungen erwarten Sie in Kürze?
Vor allem bin ich mit Blick auf den Curevac-Impfstoff, den wir auch an der Uniklinik Köln erproben, sehr optimistisch. Das ist ein mRNA-Impfstoff, von dem wir Stand jetzt eine ähnliche Wirkung wie bei Biontech oder Moderna erwarten. Die Studien werden noch im zweiten Quartal abgeschlossen sein – ich hoffe, dass das auch für die Zulassung gilt. Die Daten werden im Rolling-Review-Verfahren schon heute übermittelt und überprüft. Das stimmt mich optimistisch.
Das große politische Ziel ist ein Impfangebot für jeden Deutschen bis Ende des Sommers. Ist das derzeit realistisch?
Ja, durchaus. Der Zeitpunkt sollte auch weiterhin unser unbedingtes Ziel sein. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es allerdings noch einer großen Anstrengung.