Kribbeln, brennenDas sind die Symptome für Lippenherpes
Ulm – Wenn es im Mundwinkel, an oder auf der Lippe kribbelt und brennt, und sich in Windeseile juckende Bläschen bilden, dann sind das meist Symptome für Lippenherpes. Das Virus, das die lästigen Bläschen verursacht, tragen viele Menschen jahrelang ahnungslos in sich, bis es erstmals aktiv wird. Dann wird Lippenherpes, auch Herpes labialis genannt, oft zum wiederkehrenden Ärgernis.
In den meisten Fällen wird die Erkrankung durch das Herpes-simplex-Virus Typ I, sehr selten durch Typ II, ausgelöst. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung hierzulande sind latent mit dem Erreger infiziert, schätzt Prof. Thomas Mertens von der Universitätsklinik Ulm, Präsident der Gesellschaft für Virologie.
Virus nistet sich wie ein Schläfer ein
Viele infizieren sich erstmals in der frühen Kindheit. Der Klassiker ist die Mundfäule beim Säugling. „Doch nur bei weniger als zehn Prozent der infizierten Kinder äußert diese sich dann auch in klinischen Symptomen“, erläutert Mertens. Bei allen anderen nistet sich das Virus wie ein Schläfer im Körper ein. Bei der Erstinfektion trete das Virus in die lokalen Nervenenden ein und wandere über die Nervenbahnen in die zugehörigen sensorischen Ganglienzellen. „Dort findet ein Umschaltprozess statt: Die Infektion wird zu einer latenten Infektion.“
Was genau die Ursachen dafür sind, dass die Viren irgendwann aus ihrem Ruhezustand geweckt werden, ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt. Es scheint jedoch Mechanismen zu geben, die ihre Reaktivierung begünstigen. Dazu gehören intensive Sonnenbestrahlung beispielsweise beim Skifahren oder am Meer sowie hormonelle Veränderungen. „Auslöser kann offensichtlich auch eine lokale Immunschwäche sein - durch Fieber, andere Erkrankungen oder auch Ekel. Er verursacht Stress, sorgt für vermehrte Adrenalinproduktion und damit für eine Schwächung des Immunsystems“, sagt Ulrich Klein vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen.
Oberlippe ist am ehesten betroffen
Die reaktivierten Viren wandern von den Ganglien zurück über die Nervenbahnen in äußere Körperregionen, vorzugsweise an der Haut-Schleimhaut-Grenze. „Am ehesten ist die Oberlippe betroffen, vor allem die Außenseite“, beobachtet Dieter Conrad, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Hessen. Dort schleust das Virus sein Erbgut in gesunde Hautzellen ein. Neue Herpes-Viren werden produziert, die sich neue Wirtszellen suchen.
Bereits Stunden vor den ersten sichtbaren Anzeichen dieses Zerstörungsprozesses spüren viele Patienten ein Brennen sowie Druck- oder Spannungsgefühl. „Dann rötet sich die betroffene Hautstelle, es bilden sich Bläschen“, beschreibt Hautarzt Klein. Ein Glücksfall ist, wenn die Bläschen eintrocknen und wegschrumpeln. Meist jedoch platzen sie auf und nässen. Das ist oft der Beginn einer Art Flächenbrand. „Die Schwere des Krankheitsausbruchs, die Zahl der Bläschen und die Größe der betroffenen Fläche ist offenbar auch davon abhängig, wie viele Viren die Ganglienzellen bei der Erstinfektion abbekommen haben“, erklärt Virologe Mertens.
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Gegen das Virus selbst gibt es kein Mittel. Auch Impfstoffe werden erst erforscht. Daher heißt die weit verbreitete Therapie gegen Lippenherpes: einschmieren, und zwar mit Cremes, die die Wirkstoffe Aciclovir oder Penciclovir enthalten. Diese sogenannten Virostatika können die Ausbreitung der Bläschen begrenzen, indem sie in die Virenvermehrung eingreifen. „Das funktioniert nur, wenn die Salbe sehr frühzeitig und in ausreichender Menge, also ganz oft am Tag, aufgetragen wird“, sagt Conrad.
Dabei ist Hygiene oberstes Gebot. Schließlich werden die Viren durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion und durch direkte Hautkontakte übertragen, sowohl an alle möglichen Stellen des eigenen Körpers als auch auf andere Personen. Außerdem werden die wunden Stellen sehr leicht zusätzlich von Bakterien besiedelt. Klein rät daher, zum Eincremen einen Fingerling aus der Apotheke oder ein Wattestäbchen zu verwenden. Bis die Bläschen abgeheilt sind, sollten sie am besten weder aufgekratzt noch unbewusst berührt werden. Häufiges Händewaschen bietet zusätzlichen Schutz. „Die Viren sind wenig umweltresistent. Wenn man die Hände mit normaler Seife wäscht, sind sie erledigt“, sagt Mertens.
Supressionstherapie gegen schwere Ausbrüche
Der Virologe hält allerdings die Salbentherapie für wenig erfolgversprechend. „Es ist möglich, das Fortschreiten der Bläschenbildung zu unterdrücken oder zu verringern, indem man beim ersten Kribbeln eine antivirale Substanz in Form von Tabletten einnimmt“, sagt er. Auch Injektionen in die Vene sind möglich. Dabei kommt ebenfalls vorrangig der Wirkstoff Aciclovir zum Einsatz. Allerdings ist er in diesen Formen verschreibungspflichtig. Vor allem Patienten mit häufigen, schweren Ausbrüchen sind mit einer solchen Supressionstherapie gut beraten.
Bestimmte Risikogruppen gehören im Falle eines Lippenherpes-Ausbruches übrigens unbedingt in ärztliche Behandlung. Dazu zählen Menschen mit einem geschwächten Immunsystem wie HIV-Kranke oder Patienten, die sich einer Chemotherapie unterziehen. (dpa/tmn)