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Lebensrettende Blutspenden„Für Patienten spielt keine Rolle, ob Pandemie ist"

Lesezeit 5 Minuten
Blutspende Frau

Regina H.-T. ist auf Blutspenden angewiesen.

Köln – Wenn Regina H.-T. eine neue Blutspende erhält, geht es ihr schon nach kurzer Zeit besser. Das Rauschen und Pochen in den Ohren, der Druck im Kopf, wegen dem sie die Nächte davor nicht ein- und durchschlafen konnte, verschwinden. Die Schlappheit weicht und die Energie kommt zurück. Jetzt kann sie unbeschwert mit ihren Hunden spazieren gehen, mit genügend Kraft den Haushalt erledigen. Nach etwa vier Wochen ist das anders. Je aktiver sie in ihrem Alltag ist, desto schneller verschwindet in diesem Zeitraum auch wieder der Sauerstoff aus ihrem Körper.

Im August 2019 bekam Regina H.-T. die Diagnose Myelodysplastisches Syndrom mit Anämie, Blutarmut. Oder kurz: MDS. Heißt, ihr Knochenmark ist erkrankt, kann nicht mehr genügend rote Blutkörperchen produzieren, die sonst für den Sauerstofftransport im Körper sorgen. Die Ursache für diese chronische Erkrankung ist bis heute nur wenig erforscht. Das einzige „Medikament" im Falle von Regina H.-T. sind Bluttransfusionen, die sie etwa in einem Rhythmus von vier Wochen erhält. Ein Medikament, das für sie und andere, die dringend auf Blutspenden angewiesen sind, in Corona-Zeiten noch einmal seltener, kostbarer geworden ist. Die Neusserin Regina H.-T. kann es anhand ihres Transfusionspasses rückverfolgen: Insgesamt 33 Menschen haben ihr bis heute mit ihrem Blut geholfen, am Leben zu bleiben.

Wer bekommt Blut, wen müssen wir nach Hause schicken?

„Den aktuellen Bedarf an Blutspenden können wir zum Glück gut decken. Da spielt unter anderem mit rein, dass wir im Moment nicht mit anderen Freizeitveranstaltungen konkurrieren müssen. Den Spenderinnen und Spendern fehlen die Alternativen", sagt Stephan Küpper, Pressesprecher des DRK-Blutspendedienst West. Die Sorge um die Zukunft aber bleibt: Steht die Blutspende auch dann noch bei genügend Personen im Terminkalender, wenn die privaten Einschränkungen wieder gelockert oder gar aufgehoben werden?

Rotes Kreuz Mann

Stephan Küpper

Die Erfahrung aus den Sommermonaten ist eine andere. In Kombination mit den Corona-Beschränkungen bedeutete das im vergangenen Jahr für viele Kliniken, auch im Kölner Raum, schwierige Entscheidungen zu treffen. Wer bekommt Blut, wen müssen wir nach Hause schicken? „Als sich der Betrieb in den Kliniken nach den ersten Wochen der Pandemie im Frühjahr wieder etwas normalisiert hat, hatten wir große, große Probleme. Von bestimmten Blutgruppen mussten wir die Anforderungen der Kliniken teilweise um 30 Prozent kürzen", sagt Küpper. „Wenn eine Hüft-OP um ein paar Tage verschoben werden muss, ist das nicht so schlimm. Anders sieht das schon bei dringlicheren Operationen aus oder Unfallopfern, die man vorher natürlich nicht einplanen kann.“

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Engpässe treffen Patienten unmittelbar

Regina H.-T. hat Blutgruppe A positiv. „Und damit habe ich großes Glück", sagt die 69-Jährige. Denn sie kommt mit am häufigsten vor. Zudem kann sie somit außerdem Spenden der Blutgruppen A negativ als auch 0 mit dem Rhesusfaktor positiv wie negativ erhalten. Und trotz dieser günstigen Bedingungen kam es durch Engpässe bereits vor, dass Regina H.-T. nach der Transfusion von nur einem Beutel wieder nach Hause geschickt wurde. In der Regel erhält sie zwei Blutbeutel mit je etwa 400 Millilitern Blut. Wenn nicht mehr da ist, muss sie bereits nach zwei Wochen zurück in die Klinik.

Dennoch ist Regina H.-T. zuversichtlich. „Ich bin einfach dankbar für jeden, der regelmäßig spenden geht“, sagt sie. „Als ich von meinen Nachbarn gehört habe, dass sie das schon seit über 30 Jahren machen, habe ich ihnen ein kleines Dankeschön nach Hause gebracht. Denn ich glaube, viele, die nicht spenden gehen, denken vielleicht gar nicht darüber nach oder ihnen fehlt vielleicht das Gesicht vor Augen, für das sie ihr Blut spenden würden.“

Prozesse bei der Blutspende mussten angepasst werden

Die Probleme im Sommer 2020 waren auch struktureller Art. Öffentliche Blutspendetermine konnten nicht wie gewohnt stattfinden, Termine in Unternehmen fielen wegen Homeoffice aus. „Damit waren all diese Mitarbeiter für uns quasi unerreichbar“, sagt Stephan Küpper.

Und natürlich mussten auch die Prozesse bei der Blutspende selbst angepasst werden: Neben den üblichen Maßnahmen wie Handdesinfektion und Maskenpflicht mussten die Liegen einen größeren Abstand haben – ein zusätzlicher Verlust der sonst üblichen Kapazitäten. Seit dem 1. Januar muss nun außerdem für jede Blutspende vorab ein Termin vereinbart werden, um die Wartezeiten vor Ort zu verkürzen und Menschenansammlungen zu vermeiden.

„Für die Patienten spielt keine Rolle, ob Pandemie ist"

Mit all diesen Maßnahmen soll die Sicherheit der Spender vor Ort sichergestellt werden. „Ohne Supermärkten zu nahe zu treten: Aber sich bei einem Einkauf anzustecken, ist deutlich wahrscheinlicher, als bei einer Blutspende“, sagt Stephan Küpper. Denn hier würden die Leute über Jahre hinweg darauf gepolt, nur hinzugehen, wenn man sich fit und gesund fühlt. „Ein Terminlotse, der pro Spender am Eingang bereitsteht, zieht bei uns notfalls diejenigen aus dem Verkehr, die Symptome haben, im Ausland waren oder andere Voraussetzungen der aktuellen Corona-Maßnahmen nicht erfüllen“, so Küpper.

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Foto: dpa

Auf der Webseite des DRK gibt es für alle Spenderinnen und Spender weitere Informationen zum Ablauf einer Spende, zu den nächsten Blutspende-Terminen im Umkreis sowie die Möglichkeit zur Terminbuchung.

Spender und Spenderblut werden bei den Terminen des DRK zwar nicht auf das Coronavirus getestet. Dafür aber sollen die vorgelagerten Maßnahmen Präventivarbeit leisten. Zudem schlage sich die Virenlast nicht im Blut nieder, so dass eine Ansteckung über eine Transfusion nicht möglich ist.

Wie lange Regina H.-T. noch mit ihrer unheilbaren Krankheit leben kann, weiß sie nicht. Weiß niemand. In der Klinik gibt es eine Patientin mit der gleichen Erkrankung, die seit etwa 20 Jahren regelmäßig Blut erhält. „Das zu wissen, gibt mir sehr viel Zuversicht“, sagt die 69-jährige. Und hofft, dass viele Blutspenderinnen und -spender ebenso weitermachen, wie bisher. Denn: „Für die Patienten spielt es keine Rolle, ob gerade Weihnachtsfeiertag, Silvester oder eben eine Pandemie ist. Die Versorgung muss sichergestellt sein“, sagt Stephan Küpper.