Effekt stärker oder schwächerDiese Medikamente können bei Hitze anders wirken
- Mit etwas Verspätung sind die Sommertemperaturen endgültig in Deutschland angekommen. Temperaturen von über 30 Grad sind aktuell keine Seltenheit.
- Für viele Menschen, die auf Medikamente angewiesen sind, bedeutet das womöglich Umstellungen – denn einige Medikamente wirken bei Hitze anders.
- Wir erklären, worauf bei der Einnahme und Anwendung verschiedener Arzneimittel zu achten ist.
Köln – Die heißen Sommertage fordern auch in diesem Jahr wieder ihren Tribut. Viele kämpfen mit Kreislaufproblemen und schlafen schlecht. Vor allem älteren Menschen machen die hohen Temperaturen zu schaffen.
Neben der Dehydration gibt es noch einen Risikofaktor für die Gesundheit, der den meisten gar nicht bewusst ist: Die verstärkten Nebenwirkungen von Medikamenten. Davor warnt die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG). Sie hat für Ärzte eine „Hintergrundinformation Medikamente“ zusammengestellt, wie das Ärzteblatt schon im vergangenen Jahr berichtete.
Wirkung von Medikamenten kann sich verstärken – oder abschwächen
Die meisten Medikamente bringen Nebenwirkungen mit sich und viele Patienten lesen die langen Beipackzettel nur ungern. Gerade bei hohen Temperaturen kann das jedoch zu unerwünschten Zwischenfällen führen: „Viele Krankenhauseinweisungen in den Sommermonaten sind solchen Medikationsproblemen geschuldet und könnten sich durchaus vermeiden lassen“, erklärt auch Jens Wagenknecht, Mitglied des Bundsvorstandes des Deutschen Hausärzteverbands.
Während vor den Folgen von Dehydration während der heißen Tage immer wieder gewarnt wird, ist vielen meist gar nicht bekannt, dass auch Medikamente durch die Hitze in ihrer Wirkungsweise beeinträchtigt werden können. „Die Medikamente sind im Körper zwar auch unter dem Einfluss von Wassermangel wirksam – ihre Wirkung kann sich jedoch, je nach Wirkmechanismus, sowohl verstärken als auch vermindern“, warnt der Allgemeinmediziner.
Die wichtigsten Medikamente und ihre veränderten Wirkungen im Überblick:
Betablocker
„Betablocker verlangsamen den Puls und senken den Blutdruck. Bei sehr warmem Wetter kann sich diese Kombination verstärken und damit zu Kreislaufbeschwerden beitragen“, erklärt Mediziner Wagenknecht. Die verringerte Herzleistung sorge schnell dafür, dass jemandem „schwarz vor Augen“ werde.
Antidepressiva
Bei Antidepressiva variieren die Nebenwirkungen von Patient zu Patient sehr stark. Wer sie bei Hitze einnimmt, kann, wie die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit aufführt, unter einer erhöhten Körpertemperatur oder auch niedrigem Blutdruck leiden.
Neuroleptika
Auch bei der Einnahme von Neuroleptika müssen Patienten in heißen Wochen mit einer erhöhten Körpertemperatur rechnen. „Neuroleptika können außerdem zu verstärkter Müdigkeit, zu Abgeschlagenheit und zu Konzentrationsstörungen führen, wenn der Körper nicht ausreichend Flüssigkeit erhält“, ergänzt Jens Wagenknecht.
Benzodiazepine und „Z-Arzneimittel”
Unter sogenannte „Z-Arzneimittel“ fallen bestimmte Schlafmittel, deren Arzneistoffe mit „Z“ beginnen. Zu ihnen gehört beispielsweise Zolpidem, welches zu den am häufigsten verschriebenen Schlafmitteln zählt. Der Experte erläutert: „Die Konzentration aller Arten von Beruhigungsmitteln im Blut steigt bei reduzierten Flüssigkeitsverhältnissen an. Dadurch werden potentielle Nebenwirkungen eher verstärkt, insbesondere die Neigung zu stürzen oder ungewollt einzuschlafen.“ Auch Allergiker sollten bei Hitze verstärkt auf Flüssigkeitszufuhr achten, denn auch sedierende Anti-Histaminika fallen in diese Gruppe.
Fentanyl- und andere Schmerzpflaster
„Bei Schmerzpflastern besteht die Besonderheit, dass der Wirkstoff über die Haut aufgenommen wird. Diese Aufnahme kann durch verstärktes Schwitzen eingeschränkt sein“ erklärt Jens Wagenknecht. Dadurch könne die Wirkung der Pflaster abgeschwächt werden – und im schlimmsten Fall entstünden dabei sogar Symptome eines Entzugs. „Dazu kann es aber nur kommen, wenn über längere Zeit nicht genug Wirkstoff vom Körper aufgenommen wird“, so der Experte.
Diuretika+ACE-Hemmer/ Angiotensin II-Rezeptor-Antagonisten
„Für wasserabführende Tabletten und blutdrucksenkende Mittel gilt eine potentielle Wirkverstärkung, da die Flüssigkeitszufuhr eingeschränkt ist“, erläutert der Hausarzt. Besonders in der stationären Pflege würden Blutdrucksenker und die sogenannten Wassertabletten oftmals einfach wie bisher verabreicht – trotz des, durch die Hitze erniedrigten, Blutdrucks. „Das kann den Flüssigkeitsmangel verstärken und die Austrocknung von Patienten stark beschleunigen.“
Abführmittel
Gerade bei großer Hitze können Abführmittel schnell zu einem Mangel an Elektrolyten im Körper führen. Viele Patienten litten an warmen Tagen vermehrt unter Verstopfung und versuchten häufig, diese mit Abführmitteln zu kurieren. „Dadurch verlieren sie aber zusätzlich Wasser und Elektrolyte und riskieren so Probleme wie eine Verstärkung von Nebenwirkungen oder sogar Herzrhythmusstörungen“, warnt der Mediziner. Auch bei Verdauungsproblemen helfe bei Hitze am besten eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr.
Anpassung Medikamenteneinnahme immer mit dem Arzt absprechen
Besonders betroffen seien vor allem Senioren, denn bei ihnen entwickelten sich Veränderungen im Körper oftmals langsam. Ein Mangel an Elektrolyten oder eine eingeschränkte Nierenleistung zeige sich bei älteren Menschen oft erst nach Tagen, so der Mediziner. Umso wichtiger sei es, dass das Pflegepersonal in den Einrichtungen verstärkt auf Anzeichen von Austrocknung oder Appetitlosigkeit achte. Werde trotz solcher Anzeichen die Gabe der Medikamente fortgesetzt, könne dies unter Umständen gravierende Folgen haben. Auch Erwachsene mit schwerwiegenden Herzkreislauf-Erkrankungen sowie kleine Kinder haben bei Hitze ein erhöhtes Risiko und sollten Dehydration mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr vorbeugen.
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Wer chronisch krank ist, muss oft täglich Medikamente einnehmen – egal ob es draußen tropisch heiß ist oder bitterkalt. Bei starker Hitze sollte die Dosis der Medikamente jedoch unbedingt angepasst werden, so Jens Wagenknecht: „Voraussetzung hierfür ist allerdings eine engmaschige Kontrolle der sogenannten Vitalparameter wie Blutdruck, Puls oder Blutzucker. Eine Anpassung der Medikamenteneinnahme sollte daher niemals selbstständig, sondern immer nur in Absprache mit dem Arzt erfolgen. Dieser kann dann zum Beispiel über die im Blut gemessene Nierenfunktion Anpassungen vornehmen“.
Krankenhäuser und Patienten können sich vorbereiten
„Die wichtigste Voraussetzung, um Patienten vor größeren Schäden zu bewahren, ist eine ausführliche Aufklärung durch Ärzte und Pflegepersonal“, erläutert der Allgemeinmediziner. Gerade in Pflegeeinrichtungen sollte das Personal die ausreichende Flüssigkeitszufuhr überwachen und gegebenenfalls die Medikation an die Temperaturen anpassen.
Patienten könnten durchaus selbst tätig werden und sollten vor allem viel trinken. Bei Menschen mit stark herabgesetzter Nierenfunktion oder schlechter Herzleistung gilt dieser Grundsatz allerdings nur mit Einschränkungen - hier sei, so der Mediziner, immer besondere Vorsicht geboten.
Auch auf eine ausreichende Salzzufuhr könne man selbst achten, so Wagenknecht - etwa, indem man würziges Essen oder Suppen zubereite. Darüber hinaus sei das selbstständige Messen des Blutdrucks, vor allem bei Risikopatienten, eine „einfache Möglichkeit, um heiklen Situationen vorzubeugen.“
Trinken, gemäßigter Sport und leichtes Essen
Den Patienten seiner Praxis rät Jens Wagenknecht generell, sich an Ländern zu orientieren, in denen immer große Hitze während des Sommers herrscht. Das bedeute vor allem: Keine schweren, körperlichen Arbeiten zu verrichten, besonders während der Mittagshitze. Auch Sport sollte an besonders heißen Tagen in die Abend- oder frühen Morgenstunden verlegt werden. Am besten halte man sich im Schatten auf oder ziehe sich zur Ruhe in einen kühlen Raum zurück. „Außerdem sollte man unbedingt leichte Mahlzeiten zu sich nehmen wie Quarkspeisen, frisches Obst oder Gemüse“, so der Mediziner.