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Neue Studien, neuer StandCoronavirus – Wie ansteckend sind kleine und große Kinder?

Lesezeit 6 Minuten
Symbolbild Kind Coronavirus

Treiben Kinder die Pandemie? Oder bremsen sie das Coronavirus aus?

Köln – Schulen und Kitas bleiben geschlossen. Erstmal. Wann und in welcher Form sie wieder öffnen, ist unklar. Denn es ist nicht sicher, welchen Einfluss das auf das Pandemiegeschehen hätte, beziehungsweise ob Kinder dessen Treiber sind oder nicht. Seit Ausbruch des Coronavirus beschäftig diese Frage weltweit die Wissenschaft – und auch die Politik. Wie ansteckend sind Kinder und spielt dabei ihr Alter eine Rolle? Bisher kommen die Forscher in ihren Studien zu unterschiedlichen, sich teils widersprechenden Ergebnissen. Dennoch zeichnet sich bei einigen Studien neuerdings ein Trend ab.

Den kann auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigen: „Kinder jeden Alters können infiziert sein und das Virus auf andere übertragen.“ Eindeutiger wird sich die Frage, ob Kitas und Schulen als Infektionsherde gelten, voraussichtlich im Frühjahr beantworten lassen – wenn die ersten aussagekräftigeren Ergebnisse von großangelegten, langfristigen Studien vorliegen. Eine Auswahl dieser Erhebungen und deren erste Ergebnisse lesen Sie hier:

Corona KiTa-Studie

Mit der Corona-KiTa-Studie erforscht das Deutsche Jugendinstitut gemeinsam mit dem Robert Koch-Institut (RKI) seit Mai deutschlandweit die Folgen des Coronavirus für die Kindertagesbetreuung, vor allem aber, welche Infektionsrisiken dort bestehen. Als Daten dienen die regelmäßigen bundesweiten Meldungen aus dem KiTa-Register, die Ergebnisse von Stichprobenbefragungen in Kitas und bei Eltern. Zudem werden Meldedaten zu Covid-19 ausgewertet und anlassbezogene Tests in Kitas durchgeführt. Die endgültige Auswertung ist für Frühjahr geplant, Teilergebnisse werden quartalsweise veröffentlicht. Im Rahmen von „KiTa“ ergab eine Auswertung von 291 internationalen Studien, dass es zur Infektiosität von Kindern und Jugendlichen bislang nur sehr wenige aussagekräftige Erhebungen gibt und deren Ergebnisse sehr unterschiedlich sind. Dennoch scheinen, so das Fazit, Kinder ein weniger hohes Übertragungsrisiko zu haben als Erwachsene. Allerdings, so das RKI, könne keine verlässliche Aussage darüber gemacht werden, welche Altersgruppe innerhalb der Kinder am infektiösesten sei. „Zwei Studien, die Altersunterschiede innerhalb der Kinder untersuchten, zeigten entgegengesetzte Ergebnisse. Eine dritte Studie aus Australien, die sich mit Corona-Ausbrüchen befasste, fand bei Kita-Kindern eine fast völlig fehlende Übertragung“, heißt es im dritten Quartalsbericht.

Safe-Kids-Studie

Im Rahmen der hessischen Safe-Kids-Studie testeten Forscher der Universitätsklinik Frankfurt von Mitte Juni bis Mitte September Kita-Kinder jeweils wöchentlich auf Sars-CoV-2. Von 800 Kindern der 50 teilnehmenden Kitas infizierte sich nicht eines. „Die Wahrscheinlichkeit scheint also extrem gering zu sein, dass sich Kinder anstecken“, sagte die Virologin und Studienleiterin Sandra Ciesek im Herbst. Allerdings waren die Infektionszahlen im Sommer auch insgesamt niedrig.

Schul-Sars-CoV-2- oder Gurgelstudie

Die österreichische „Gurgelstudie“ begleitet die Öffnung der Schulen von Herbst 2020 bis Sommer 2021 und umfasst mehr als 240 Schulen mit rund 14.800 Schülerinnen und Schülern zwischen sechs und 15 Jahren sowie etwa 1200 Lehrerkräfte im Nachbarland. Zur Probenentnahme verwenden die Mediziner ein einfaches Verfahren, nämlich eine Mund- und Rachenspülung. Die Erhebung baut auf einer im Juni/Juli 2020 in Wien durchgeführten Pilotstudie auf. Anfang Januar stellte das Forscherteam um Michael Wagner, Mikrobiologieprofessor an der Universität Wien, die repräsentative Schulstudie offiziell vor – und erste, erschreckende Ergebnisse: Im November saß demnach in jeder dritten bis vierten österreichischen Schulklasse ein infiziertes Kind. Wie die Forscher mitteilten, zeigte sich deutlich, dass sich die Zahl der infizierten Schülerinnen und Schüler bis November vervierfachte – parallel zur Inzidenz im ganzen Land. Und dass sie sich, egal ob jung oder älter, genauso häufig ansteckten wie ihre Lehrerinnen und Lehrer. Jedoch blieb ihre Infektion meist unentdeckt, weil sie selten Symptome zeigten. Damit spiegeln die österreichischen Schulen das Infektionsgeschehen um sie herum wider. Wissenschaftler Wagner warnte: „Die Ansteckungsgefahr durch Kinder wird unterschätzt. Im Shutdown mit geöffneten Schulen, wenn dort weiterhin viele Menschen zusammenkommen, stellen diese ein nicht unerhebliches Risiko für die Verbreitung dar.“

Britische Studien

Bei der repräsentativen britischen React1-Großstudie, die landesweit und regelmäßig Freiwillige per Rachenabstrich untersucht, wurden von Mitte November bis Anfang Dezember mehr 13- bis 17-jährige Schülerinnen und Schüler positiv getestet als andere Altersgruppen: Eines von 50 Kindern war infiziert. Experten vermuten, dass dabei auch die neue Virusmutation eine Rolle spielt, die zuerst in Großbritannien identifiziert wurde und längst auch in Deutschland angekommen ist. Diese Variante soll um 50 bis 70 Prozent ansteckender sein als das bisherige Virus und sich leichter unter Kindern und Jugendlichen verbreiten. Dass das Corona-Infektionsrisiko von Kindern mit dem Alter zu steigen scheint und sich bei Teenagern dem von Erwachsenen annähert, zeigte eine Studie des University College London. Auch die britische Epidemiologin Deepti Gurdasani berichtet im „Spiegel“ von aktuellen Analysen des US-amerikanischen Office for National Statistics, die ergaben, dass zwei- bis zwölfjährige Kinder mit doppelt so hoher, ihre Geschwister zwischen 12 und 16 Jahren mit siebenmal höherer Wahrscheinlichkeit genauso ansteckend seien wie Erwachsene. Gurdasani: „Schulschließungen verringerten in den USA die Corona-Fallzahlen und die Sterblichkeit um bis zu 60 Prozent.“

Wissenschaftliche Hürden: Kinder haben selten Symptome

Die Schwierigkeit, die Forscher in etlichen Studien beschreiben, liegt darin, dass Kinder seltener Symptome entwickeln und daher auch seltener getestet werden. Eine Erkrankung bleibt daher oft unentdeckt, die Dunkelziffer wird sehr hoch eingeschätzt. Laut einer Studie des Helmholtz-Zentrums München waren in Bayern sechsmal mehr Kinder mit dem Coronavirus infiziert als gemeldet. Die Forscher hatten zwischen Januar und Juli knapp 12.000 Blutproben von Kindern und jungen Erwachsenen zwischen einem und 18 Jahren mit einem speziellen Antikörpertest untersucht, um herauszufinden, ob die Untersuchten eine Infektion durchgemacht hatten. 47 Prozent der Kinder mit Antikörpern hatten keine Symptome entwickelt. Rund ein Drittel (35 Prozent) der Jungen und Mädchen, die mit einem auf das Virus positiv getesteten Familienmitglied zusammenlebten, wiesen Antikörper auf. „Dies deutet auf eine höhere Übertragungsrate hin als in bisherigen Studien beschrieben. Um verlässliche Daten über die Ausbreitung des Virus zu bekommen, reicht es also nicht aus, nur auf das Virus selbst, sondern auf Antikörper zu testen“, resümierte Studienleiter Markus Hippich schon im Sommer.

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Warum haben viele Kinder keine Symptome?

Laut RKI konnte bei Virusinfektionen wie HIV oder Hepatitis beobachtet werden, dass vor allem junge Kinder eine hohe Viruslast aufweisen, aber selbst nicht erkranken. Das könnte an dem sehr schnell reagierenden Immunsystem von Kindern liegen, das mit einem eher allgemeinen Antikörper auf Erreger reagiert. Wissenschaftler vermuten, dass diese noch unspezifischen Antikörper auch Sars-CoV-2 attackieren und so Kinder vor schweren Verläufen schützen. Mit zunehmendem Alter produziert der Körper weniger allgemeinere, sondern auf bestimmte Viren spezialisierte Antikörper. Dies könnte erklären, warum Kinder weniger ansteckend sind und weniger stark erkranken als Erwachsene. Doch auch hierfür sind weitere Ergebnisse von groß angelegten, langfristigen Untersuchungen vonnöten.