Offensichtliche SymptomeAus Angst nicht zum Arzt

Dr. Magnus Heier ist Neurologe und Wissenschaftsautor
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Der Mann hat eine auffällige Hautveränderung am Hals: groß wie ein früheres Fünf-Mark-Stück, dunkle Oberfläche. Man muss einen schwarzen Hautkrebs befürchten. Aber spricht man ihn an, hier, mitten auf der Straße?
Was dagegen spricht: Wahrscheinlich ist er längst beim Hautarzt gewesen. Was dafür spricht: Vielleicht auch nicht. Viele Menschen warten Monate, manchmal Jahre, bis sie mit einem offensichtlich verdächtigen Befund zum Arzt gehen. Warum ist das so?
Der Frage sind jetzt englische Forscher nachgegangen. Sie ließen knapp 500 Patienten im Alter von über 50 Jahren aus Londoner Allgemeinarztpraxen einen Fragebogen ausfüllen. Daraus filterten sie 48 Patienten, die in den vergangenen drei Monaten mindestens ein krebsverdächtiges Symptom an sich beobachtet hatten (etwa einen nicht erklärbaren Gewichtsverlust, neu aufgetretenen chronischen Husten, einen veränderten Stuhlgang oder andere Symptome).
Aus Angst nicht zum Arzt
Etwas mehr als die Hälfte der befragten Patienten, die solche Symptome zeigten, waren zum Arzt gegangen. Die andere Hälfte ausdrücklich nicht. Interessant war nun die Frage: Warum nicht? Vor allem Patienten, deren Beschwerden nicht schmerzhaft waren, neigten dazu, einfach abzuwarten.
Nach kurzer Zeit hatten sich die Betroffenen auch an die Beschwerden gewöhnt. Ein anderer Grund, nicht zum Arzt zu gehen, ist die nackte Angst: Angst vor einer Krebsdiagnose. Angst vor unangenehmen weiteren Untersuchungen. Angst vor Komplikationen. Angst vor den Folgen. Viele Patienten haben eine ausgesprochen präzise Befürchtung, was die Ursache ihrer Beschwerden sein könnte. Viele haben sich bei Google, in Zeitschriften oder diskret bei Freunden informiert. Viele gehen nicht nur vom Schlimmsten, meist von Krebs aus, sondern haben auch eine genaue Vorstellung, um was für einen Tumor es sich handeln könnte. Und behalten ihre Angst für sich.
Arztbesuch- eine große Erleichterung
In einigen Fällen ist die Ursache der Beschwerden oder Veränderungen wirklich eine bedrohliche. Etwa beim Schwarzen Hautkrebs. Bei solchen Krankheiten hängt die Prognose entscheidend vom Zeitpunkt der Behandlung ab. Eine frühe Diagnostik rettet Leben. In den meisten Fällen dagegen ist die befürchtete Diagnose weitaus schlimmer als die echte. Viele Patienten geben zu, aus Angst viel zu lange gewartet zu haben (ein Verhalten, das übrigens auch Ärzte selbst betrifft).
Die Monate der Unsicherheit sind verzichtbar – warten Sie nicht, trauen Sie sich in die Praxis! Meist ist der Arztbesuch dann ein Moment größter Erleichterung.