Es ist ein schöner Tag in New York, als Jordan Younger in Panik gerät. Es ist, als sei gerade eine große Katastrophe geschehen - so zumindest fühlt es sich für die Bloggerin an. Die 24-Jährige, die zu dem Zeitpunkt ein Blog mit dem Namen „The Blonde Vegan“ schreibt, hatte sich mit ihrer besten Freundin zum Frühstücken verabredet.

Die Katastrophe: Der auserwählte Saft ist ausverkauft

„Wir gingen in eine Saftbar in der Nähe meines Appartments, weil wir beide wussten, dass es einer der wenigen Orte war, wo ich etwas zu essen finden würde“, erzählt Younger. „Ich wusste genau, welchen Saft ich wollte, einen grünen ohne Früchte.“ Doch dann das Unvorhergesehene: Der auserwählte Saft ist ausverkauft. „Obwohl es viele weitere grüne Säfte und Smoothies gab und auch verschiedene Rohkostvarianten, verfiel ich total in Panik bei dem Gedanken, etwas zu essen oder zu trinken, was ich nicht 'geplant hatte'.“

Younger in New York - wie eine Durstige in der Wüste

An keinem anderen Ort der Welt hat man wohl so viele Möglichkeiten, essen zu gehen, wie in New York. Doch Youngers Reaktion glich der einer Durstigen in der Wüste: „Ich bestand darauf, dass wir eine Meile in eine andere Filiale der Saftbar laufen, damit ich den Saft bekomme, den ich wollte“, erinnert sich die 24-Jährige. „Mein Körper war schon ausgehungert von den Tagen zuvor, in denen ich mich auch sehr eingeschränkt hatte“. Sie wusste, dass der Marsch für sie eine große Anstrengung werden würde. Doch Younger überhört die Signale ihres Körpers und macht sich auf den Weg. Es ist das erste Mal, dass es der Veganerin dämmert, dass sie ein Problem hat: Sie leidet unter Orthorexie.

Gesundes Essen als Ersatzreligion

Dabei handelt es sich nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie um „eine Art Essstörung“, jedoch nicht um einen etablierten Krankheitsbegriff. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung warnt davor, dass Orthorexie aus harmlosen Änderungen der Ernährung entstehen könne. Orthorektiker sind besessen von der „richtigen Ernährung“, sie wird für sie zur Ersatzreligion: Betroffene teilen Lebensmittel in Gut und Böse ein. Auch Jordan Younger bezeichnete zum Beispiel Eier als ihr „Angst-Essen“, auf das sie lange verzichtete. Sie isst schließlich nichts mehr, was nicht komplett „rein“ ist, was also nicht gänzlich frei von Zucker, Gluten oder Öl ist, oder nicht vollkommen pflanzlich ist.

Die Orthorexie hinter dem Veganismus verstecken

„Es war sehr leicht, mich hinter dem Label Veganismus zu verstecken, wenn ich mit Freunden im Restaurant war oder im Supermarkt einkaufen ging“, sagt Younger. Seit ihrem 14. Lebensjahr ernährt sich die junge Frau aus Kalifornien schon vegetarisch. Mit 22 Jahren, im Januar 2012, beschließt sie, vegan zu leben - und startet ihr Blog „The Blonde Vegan“.

Orthorexie

Wenn gesundes Essen zum Wahn wird

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Große Mangelerscheinungen

Nach einem Jahr zeigt Youngers Körper erhebliche Mängel: Sie leidet unter Eiweiß- und Vitamin-B-12-Mangel. „Es war ein Teufelskreis“, sagt sie heute. „Meine Mangelerscheinungen führten dazu, dass ich mich unausgeglichen fühlte - und das wiederum führte dazu, dass ich meine Ernährung noch stärker kontrollieren wollte.“

Noch strengere Diäten

Sie erlegt sich noch strengere Diäten auf, trinkt für einige Tage nur noch Säfte. Irgendwann rebelliert ihr Körper so sehr, dass ihre Periode für mehrere Monate ausfällt. Ein weiteres Aufbegehren ihres Körpers, das Younger schließlich nicht mehr ignoriert. Sie bricht mit dem Veganismus und isst ein Stück wilden Lachs, um ihre Mangelerscheinungen zu bekämpfen. Zwei Tage später bekommt sie ihre Tage.

Aus „The Blonde Vegan“ wird „The Balanced Blonde“

„Mein Körper hat mir schon vor fast einem Jahr gezeigt, dass er mit einer ausschließlich veganen Ernährung nicht ausreichend versorgt ist“, sagt Younger, „trotzdem hat es bis letzten Monat gedauert, bis ich mich damit abfand, dass ich etwas ändern muss“. Younger benennt ihren Blog schließlich in „The Balanced Blonde“ um, in dem sie nun darüber schreibt, wie man ein „ausgeglichenes, gesundes und glückliches Leben“ führt. Sie bezeichnet sich selbst als „fast vollkommen geheilt“. Allerdings sei es „ein täglicher Kampf, die orthorektischen Gedanken und Zwänge loszulassen“, so die 24-Jährige, die inzwischen wieder in Los Angelos lebt. Über ihren Kampf gegen die Orthorexie, der für sie mit einem Bruch ihres Veganismus begann, hat die 24-Jährige ein Buch mit dem Titel „Breaking Vegan“ geschrieben, das Anfang November erscheint.

Was bedeutet Genuss für Younger

Was bedeutet Genuss für eine Frau, die lange Zeit vom Verzicht besessen war? „Ausgeglichenheit“, antwortet die Bloggerin. Es gebe für sie jetzt keine Verbote mehr: „Ich liebe Burger mit Fleisch von Rindern, die ausschließlich mit Gras gefüttert werden, eingewickelt in Kopfsalat, ich liebe Frozen Joghurt mit Tonnen von leckeren Toppings und ich liebe noch immer meine grünen Smoothies und Grünkohl“. Klingt diese Antwort nach jemandem, der sich nicht mehr beschränkt? Immerhin: Younger wird in New York künftig leichter etwas Essbares finden.