Bildschirmzeit statt Zweisamkeit – beim „Phubbing“ scheint das Handy wichtiger als der Partner. Eine Kölner Ärztin erklärt, was dahintersteckt.
Kölner Ärztin erklärt„Phubbing“ – Was hilft, wenn der Partner ständig am Smartphone hängt
Bekannte Situation? Gerade hat man sich zum gemeinsamen Frühstück an den Tisch gesetzt, da macht das Handy pling. Eine Nachricht. Aber von wem? Einmal schnell nachgucken muss doch erlaubt sein. Huch, da ist ja noch eine Mail eingegangen und – hihi – gerade hat Ben noch ein witziges Video geschickt. Schwups wird aus dem kurzen Handycheck ein längerer Ausflug durch die Nachrichtenkanäle und der derweil ignorierte Partner sauer. Das Verhalten ist so weit verbreitet, dass es schon längst ein englisches Kunstwort dafür gibt: „Phubbing“ – aus „phone“ (Telefon) und „stubbing“ (vor den Kopf stoßen).
Denn obwohl das Phänomen nicht ganz neu ist, streiten viele Paare regelmäßig darüber. Wie man damit umgeht, wenn der andere ständig am Handy hängt, haben wir Dr. Nasanin Kamani gefragt. Die in Köln geborene Ärztin ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und beschäftigt sich auch als Buchautorin („Date Education“) mit Beziehungsfragen.
Der regelmäßige Griff zum Handy ist vor allem Gewohnheit
Der regelmäßige Griff zum Handy kann verschiedene Gründe haben. Zuallererst ist es wohl bei den meisten vor allem Gewohnheit: Ein Signalton erklingt, wir sehen nach, was er bedeutet. Der Mechanismus kann suchtähnlich sein, erklärt Kamani. Vielen falle es schwer, Nachrichten aus Messenger- und Social-Media-Kanälen eine Zeitlang auszublenden. Mancher empfindet auch einen starken Druck, Freunden, Bekannten oder Kollegen sofort antworten zu müssen. Und natürlich kann das Handy auch als Zufluchtsort dienen, um Nähe oder Austausch mit dem Partner zu vermeiden.
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„Doch wenn man in einem Gespräch immer wieder abschweift und auf sein Handy schaut, rückt das Gerät in den Fokus und der Partner in den Hintergrund“, sagt Kamani. Die einen empfinden so ein Verhalten vor allem als unhöflich, bei anderen könne es aber auch den Anschein erwecken, sie selbst seien langweilig oder nicht wichtig genug im Vergleich zu allen anderen, mit denen der Partner stattdessen kommuniziere. Im Ergebnis kann das in beiden Fällen Unsicherheit und Wut auslösen, vor allem, wenn man nicht rechtzeitig darüber spricht.
Partner sollten das Thema möglichst ruhig ansprechen
Kamani rät: „Um Phubbing in einer Beziehung anzusprechen, ist es wichtig, die Wut und Unsicherheit im Vorfeld nicht allzu zu groß werden zu lassen. Man kann den Partner darauf aufmerksam machen, indem man fragt: Was machst du denn da gerade am Handy? So eine deutliche Frage kann bereits für einen peinlichen Moment sorgen, der den anderen realisieren lässt, dass sein Verhalten als unangemessen empfunden wird.“
Kamani sagt, es sei außerdem wichtig, das Thema in einem ruhigen Ton anzusprechen, und die Situation vielleicht auch mit positiven Aspekten zu begründen: „Man kann zum Beispiel erklären, dass man sich auf den gemeinsamen Abend gefreut habe und dass man diese Zeit lieber in Ruhe zu zweit verbringen möchte.“
Um die Handynutzung in solchen Situationen zu verändern, müssen Paare sich um bewusstes Liegenlassen des Geräts bemühen. Das lässt sich trainieren, indem man beispielsweise in den Flugmodus wechselt oder das Smartphone regelmäßig umdreht, rät Kamani. Wichtig sei es außerdem, den inneren Druck abzubauen, Nachrichten sofort beantworten zu müssen. Ist die Situation mit dem Partner aufgrund des Handy-Konsums schon sehr angespannt, sollte man handyfreie Zeiten vereinbaren oder den Partner zumindest mehr einbeziehen, wenn man eine Nachricht in seiner Gegenwart beantwortet.
Offene und ehrliche Kommunikation ist der Schlüssel
Aber auch der Partner, der sich durch einen übermäßigen Handykonsum regelmäßig vor den Kopf gestoßen fühlt, hat Arbeit vor sich: „Es ist wichtig, dass die Person aus Gedankenschleifen wie Ich bin zu langweilig oder er/sie chattet lieber mit anderen ausbricht“, erklärt die Ärztin. Lieber sollte der Partner ruhig und vorwurfsfrei darauf aufmerksam gemacht werden, dass das Verhalten als störend empfunden wird. Offene und ehrliche Kommunikation seien hierbei der Schlüssel.
In einer Beziehung häufig das Handy zu checken, sei aber nicht automatisch schädlich. Es komme laut Kamani darauf an, was für das jeweilige Paar in Ordnung sei: „Es kann sein, dass das Smartphone für beide Partner eine große Rolle spielt, ohne dass dies als kränkend oder rücksichtslos empfunden wird – in solchen Fällen kann eine stärkere Handynutzung in Ordnung sein.“
Phubbing ist nicht automatisch schädlich für eine Beziehung
Je nachdem, wie die Beziehung von beiden Seiten geführt werde, könne es auch stillschweigende Übereinkünfte geben, etwa, dass es für beide Partner in Ordnung sei, beim Fernsehen oder Serien-Schauen noch Social-Media-Nachrichten zu beantworten.
Schwierig werde es dann, wenn eine Partei das Zusammensein als sogenannte Quality-Time und das Handy dabei als deutlichen Störfaktor empfinde, sagt Kamani. In solchen Fällen kann Phubbing zu einer negativen Beziehungsdynamik führen.
„Sich lieber mit seinem Smartphone zu beschäftigen als mit dem Menschen gegenüber kann in einer Beziehung aufgrund der Intensität der Bindung und dem romantischen Aspekt möglicherweise zu einer stärkeren Kränkung führen als in einer Freundschaft“, so die Ärztin.
In der Anfangsphase einer Beziehung oder eines Dating-Verlaufs, bei der man noch mit Unsicherheit zu kämpfen hat und den anderen noch nicht so gut einschätzen kann, könne Phubbing besonders verunsichernd und respektlos wirken. Aber auch in langjährigen Beziehungen kann übermäßiger Handykonsum als störend oder verletzend empfunden werden.
In einer guten Freundschaft könne es hingegen sein, dass man die Gewohnheiten des anderen – zum Beispiel, dass er oder sie sehr Social-Media-affin sei – kenne. Dann empfinde man das „am Handy sein“ womöglich nicht als störend oder gar kränkend, sagt Kamani.