Entspanntes AufstehenRechtzeitig wach werden ganz ohne Wecker – so lernen Sie es
Köln – Handy, Radio oder Lampe – welchen Wecker bevorzugen Sie? Felix Krienke hat seinen liebevoll „Spring-in-die-Hose“-Wecker getauft. Das Gerät klingelt exakt fünf Minuten bevor der selbstständige Supervisor das Haus verlassen muss. Gebraucht hat Krienke es allerdings noch nie. Seit drei Jahren steht der 35-Jährige aus Gummersbach ohne Wecker auf. Mal morgens um sieben, mal um halb sechs, je nachdem, wann er Termine hat. „Seitdem fühle ich mich viel freier und ausgeglichener“, sagt er. Aufstehen ohne Wecker könne man lernen, sagt Dr. Monika Kohlhage-Traub. Doch wie das geht? Das haben wir die Schlafmedizinerin und den Supervisor gefragt.
Beobachten
Schon länger hatte Felix Krienke beobachtet, dass er immer kurz vor dem Weckerklingeln wach wurde. „Ich war neugierig und habe mich gefragt, was passieren würde, wenn ich den Wecker einfach mal weglasse.“ Im März 2018 bot sich die Gelegenheit: Er hatte eine Fortbildung in einem Hotel, die Veranstaltung begann erst um 9.15 Uhr. „Der Weg vom Zimmer in den Seminarraum war so kurz – da hätte ich auch verschlafen können.“
Doch das passierte nicht. Obwohl Krienke den Wecker nicht anmachte, kam er an keinem Morgen zu spät. Zurück zu Hause, setzte er seinen Versuch fort. Für den Notfall etablierte er den „Spring-in-die-Hose“-Wecker. „Der lässt mir gerade genug Zeit, um mich anzuziehen, Zähne zu putzen, meine Sachen zu schnappen und loszufahren“, erklärt er. „Gebraucht habe ich den Wecker aber noch nie.“
Die innere Uhr kennenlernen
„Wer lernen will, ohne Wecker aufzustehen, muss erstmal seine innere Uhr kennenlernen“, sagt Schlafmedizinerin Monika Kohlhage-Traub. „Bin ich eher der Morgentyp, der um sieben Uhr topfit ist – oder der Abendtyp, der auf Partys der letzte ist?“ Wichtig aber auch: Wie viele Stunden Schlaf brauche ich? Im Durchschnitt würden Erwachsene sieben bis acht Stunden benötigen, so Kohlhage-Traub. „Entscheidend ist aber, wie man sich am Tag fühlt.“ Manche brauchten acht Stunden, andere kämen mit sechs aus. „Weniger als sechs Stunden sind aber auch für Erwachsene ungesund, mehr als acht zu viel.“ Wer ohne Wecker wach werden möchte, sollte also seine Schlafgewohnheiten kennen – und dann auch rechtzeitig ins Bett gehen.
Damit die innere Uhr reibungslos tickt, sei auch eine Regelmäßigkeit wichtig. „Man sollte versuchen, möglichst zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen und aufzustehen. Auch am Wochenende“, rät die Medizinerin. Wie sehr die innere Uhr durcheinander kommen kann, sehe man ja am Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit. „Für viele ist das eine große Herausforderung und Belastung. In der Woche nach der Zeitumstellung gibt es morgens statistisch gesehen deswegen mehr Unfälle.“ Die Zeitumstellung abzuschaffen, hält sie für eine gute Idee.
Vornehmen
Doch wie funktioniert das nun mit dem Aufstehen ohne Wecker? „Durch Autosuggestion“, erklärt Monika Kohlhage-Traub. „Indem man sich abends vornimmt, zu einer bestimmten Uhrzeit aufzustehen.“ So macht es auch Felix Krienke. Am Abend rechnet er aus, wann er am nächsten Tag beim Termin sein muss, wie viel Zeit er für Fahrt und Fertigmachen einplanen muss. Am Abend kurz vor dem Einschlafen sage er dann zu sich selbst: „So, Felix, morgen um sieben Uhr wirst du wach.“ „Ich wache dann tatsächlich kurz vor oder kurz nach sieben Uhr auf.“
Bei Krienke klappt das System, obwohl er keinen festen Rhythmus hat und oft zu unterschiedlichen Uhrzeiten aufsteht. Er arbeitet als systemischer Supervisor und Coach für Themen rund um die berufliche Entwicklung. „Meist habe ich einmal im Monat sogar einen Termin, für den ich um halb sechs aufstehen muss. Auch das klappt ohne Wecker.“ Sogar die Zeitumstellungen steckt er problemlos weg. Er glaubt, dass seine innere Uhr sich nach der Schlafdauer richtet. „Ich weiß, dass ich siebeneinhalb bis acht Stunden Schlaf brauche. Dementsprechend gehe ich rechtzeitig zu Bett.“ Zudem sei er eher der Morgentyp, gehe immer spätestens um 23 Uhr zu Bett. „Ich glaube, Menschen, die eher später schlafen, haben mehr Schwierigkeiten ohne Wecker aufzustehen.“
Schlafen
Schlafmedizinerin Kohlhage-Traub empfiehlt Abendmenschen und allen anderen, die einen Wecker brauchen, ein Gerät, das den Tagesbeginn simuliert. „Eine Lampe, die langsam heller wird, sorgt dafür, dass die Schlafhormone abgebaut werden.“ Aber natürlich seien auch alle anderen Strategien, mit denen Abendmenschen morgens halbwegs aus dem Bett kommen, in Ordnung. Gutes Aufwachen funktioniere generell aber nur mit gutem Schlaf. Die Qualität sei entscheidend. „Nach der inneren Uhr zu schlafen, ist schon mal die halbe Miete. Das ist die Basis für unsere Gesundheit. Wer außerhalb seiner inneren Uhr lebt, wird krank, hat ein deutlich erhöhtes Risiko für Depressionen, Stoffwechselerkrankungen, Bluthochdruck oder Burnout.“ Die innere Uhr sei ein uraltes System, das sich nach Tag und Nacht richte.
Deswegen funktioniere es auch nicht, fehlenden Schlaf tagsüber nachzuholen. Der Körper brauche die Dunkelheit der Nacht, komme tagsüber gar nicht in die Tiefschlaf-Phasen. Damit der Schlaf erholsam ist, dürfe er nicht durch Schnarchen (von sich selbst oder anderen) gestört werden. Dass immer mehr Menschen unter Schlafstörungen leiden, führt Kohlhage-Traub auf verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen zurück. „Wir schlafen zu wenig und bereiten uns zu wenig auf den Schlaf vor.“ Rituale seien wichtig: Das Zähneputzen kurz vor dem Zubettgehen oder auch das Lesen. „Was gar nicht geht, ist vor dem Fernseher einschlafen“, sagt die Medizinerin.
Felix Krienke erinnert sich noch gut daran, wie es sich anfühlt, nach acht Stunden Schlaf aufzuwachen und nicht erholt zu sein. Damals arbeitete er im Schichtdienst und hatte gesundheitliche Probleme. „Klar schlafe ich heute auch mal schlecht ein, aber im Großen und Ganzen habe ich einen sehr guten Schlaf“, sagt der 35-Jährige. Er habe gelernt, auf sein Körpergefühl zu hören, und auch tagsüber mal eine Pause zu machen, wenn er sich erschöpft fühlt.
Aufwachen
Wer das selbstständige Aufwachen ausprobieren wolle, dem rät Krienke, den „Spring-in-die-Hose“-Wecker spät zu stellen. „Für mich ist es wichtig, dass ich mich nicht zu sehr darauf verlasse.“ Am Abend vorher könne man ja schon Klamotten rauslegen, Brote schmieren oder Kaffee vorbereiten. „Aber klar, der Nachteil am System ist: Wenn ich den Spring-in-die-Hose-Wecker wirklich mal brauchen würde, dann hätte ich riesengroßen Stress.“
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Trotzdem überwiegen für ihn die Vorteile: „Dieser erste Adrenalinschub am Morgen, wenn der Wecker klingelt, ist weg.“ Er fühle sich seitdem ausgeglichener und erholter. „Wenn früher der Wecker geklingelt hat, hat es sich angefühlt, als würde ich für andere aufstehen, weil ich arbeiten muss. Heute werde ich wach, stehe auf und erledige meine Aufgaben. Das fühlt sich selbstbestimmt und frei an.“