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Hirnfressender ParasitKommt nach Europa – wie gefährlich ist der Rattenlungen-Wurm?

Lesezeit 5 Minuten
Ratte auf der Straße dpa

Wie der Name vermuten lässt, lebt der ausgewachsene Rattenlungenwurm in der Lunge von Ratten.

Palma/Berlin – Der Parasit vermehrt sich in den Lungen von Ratten, verbreitet sich über Schnecken, kann Menschen befallen und schlimmstenfalls töten, indem er bis ins Gehirn vordringt und dort eine Entzündung auslöst. Das klingt nach Ekel-Stoff für einen Endzeitfilm. Doch den Rattenlungenwurm gibt es wirklich, er wurde erstmals 1935 bei Ratten in China beschrieben. Und kürzlich auf der bei Deutschen beliebten Urlaubsinsel Mallorca gefunden. Menschen erkranken daran aber nur unter sehr ungewöhnlichen Umständen, wie Tomas Jelinek vom Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin erklärt. „Das zu kriegen, ist echt schwer.“

Trotzdem ist der Rattenlungenwurm (Angiostrongylus cantonensis) im Gespräch, seit Mallorca betroffen ist. Auf Expansionskurs ist er tatsächlich. „Früher war das ein südostasiatisches Problem“, so Jelinek. Das hat sich geändert. Verbreitet ist der Parasit laut US-Gesundheitsbehörde CDC inzwischen in Südostasien und auf den pazifischen Inseln, zunehmend taucht er zudem in Regionen wie Afrika, der Karibik und den USA auf.

Wärmere Temperaturen nützen der Larvenentwicklung

Der Rattenlungenwurm gilt als sogenannte Emerging Disease, als sich ausbreitende Krankheit. „Globalisierung und Klimawandel dürften zur Ausbreitung beigetragen haben“, sagt Peter-Henning Clausen vom Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin der FU Berlin. Ratten reisten als blinde Passagiere zum Beispiel an Bord von Schiffen um die Welt. Und wärmere Temperaturen nützten den Parasiten, da für die Larvenentwicklung eine gewisse Temperatur nötig sei. Aber macht sie das auch zu einer Gefahr für Europäer?

Rückblick: Was genau ist überhaupt auf Mallorca passiert? Betroffene Menschen wurden dort genauso wenig bekannt wie auf der Kanaren-Insel Teneriffa, wo der Wurm laut einer Studie von 2010 bei Ratten gefunden wurde. Dies galt als erster Fund in der EU. Auf Mallorca wurden 2018 zwei kranke Igel in einer Wildtierstation abgegeben - der Rattenlungenwurm erwies sich als Ursache. Wissenschaftler um Claudia Paredes-Esquivel von der Universität der Balearen schrieben im August in einem Fachblatt über den Fall: Es sei anzunehmen, dass der Parasit auf der Insel aktiv übertragen werde. Ratten und Schnecken, die eine Ausbreitung erleichtern könnten, seien allgegenwärtig.

Ratten beherbergen den Wurm in ihren Lungen

Der Parasit vermehrt sich in Ratten und anderen Nagern: „Ratten sind die bevorzugten Endwirte“, erklärt Clausen. Die Nager beherbergen den ausgewachsenen Wurm in ihren Lungen, wie schon die deutsche Bezeichnung vermuten lässt. Die Larven des Parasiten gelangen von dort über die Luftröhre in den Rachen der Ratte, werden geschluckt und mit dem Kot ausgeschieden.

Mit dem Kot befallener Ratten können Schnecken Larven aufnehmen. Sie sind sogenannte Zwischenwirte, in denen sich die Larven weiter entwickeln, bis sie das für Menschen ansteckende Stadium erreicht haben, wie Clausen sagt. Menschen können sich infizieren, wenn sie Schnecken essen. Da diese auf Mallorca zur lokalen Küche gehören, sorgte der Wurm-Fund für Schlagzeilen. „Das Risiko einer Infektion reduziert sich allerdings drastisch durch ausreichendes Garen“, betont Clausen.

Menschen können sich untereinander nicht anstecken

Menschen sind für den Wurm sogenannte Fehlwirte, in denen er sich nicht weiterentwickeln kann. Die Larven überleben im Körper maximal ein paar Monate. Untereinander können sich Menschen nicht anstecken. Fehlwirten, darunter etwa auch Hunde, Vögel und Pferde, drohen jedoch ernstzunehmende gesundheitliche Folgen: Die Larven befallen Clausen zufolge bevorzugt das zentrale Nervensystem. Beim Menschen gilt der Parasit laut Studien als häufigste Ursache einer seltenen Form von Hirnhautentzündung. Von schweren Verläufen seien eher Menschen mit Abwehrschwäche betroffen, erläutert Jelinek.

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Manche Betroffene haben laut CDC gar keine oder nur milde Symptome. In den meisten Fällen werden Patienten demnach sogar ohne Behandlung wieder gesund. Weltweit sind bisher rund 2800 Erkrankungen durch den Wurm aus 30 Ländern beschrieben - „das ist eine Rarität“, betont Jelinek. Ein Schwerpunkt ist Thailand, wo Gerichte mit rohen Weichtieren auf den Tisch kommen. Bekannt sind auch extreme Einzelfälle von Wetten oder Mutproben, bei denen Menschen lebende Schnecken aßen und erkrankten. Einer Überblicksstudie zufolge kommt es in zwei bis drei Prozent der Fälle zum Tod.

Auch in Fröschen und Landkrabben zu finden

Neben Zwischen- und Fehlwirten gibt es eine weitere Wirtsform, in der der Parasit sich nur aufhalten kann: etwa Frösche und Landkrabben, die befallene Schnecken gefressen haben. Sie sind wie Schnecken relevant, weil sie mitunter auf dem Speiseplan von Menschen stehen.

Auch Schleim befallener Schnecken kann Clausen zufolge infektiös sein: Dieser Weg sei aber vermutlich wegen der niedrigeren Anzahl infektiöser Larven weniger relevant. Dennoch appelliert die Behörde CDC, auch beim Waschen von Salat und Gemüse besonders gründlich zu sein. Sorgfalt in der Küche dürfte auch in Regionen ohne bekanntes Rattenlungenwurm-Vorkommen geboten sein: 2017 wurde in einer Studie der Fall einer Frau geschildert, die wegen des Parasiten an Hirnhautentzündung erkrankt war - obwohl sie den Raum Paris seit zwei Jahren nicht verlassen hatte. Letztlich konnte es nicht bewiesen werden, aber im Verdacht standen kontaminierte Import-Lebensmittel.

Auf Mallorca genauere Risikoabschätzung nötig

Mit Blick auf Mallorca sagt Clausen, dort sei nun eine genauere Risikoabschätzung nötig, indem vor Ort mehr Daten erhoben werden. „Es sollte untersucht werden, wie häufig die Larven in Schnecken vorkommen.“ Eine weitere Ausbreitung des Rattenlungenwurms in Zukunft hält der Wissenschaftler für möglich - angesichts des Klimawandels und vermehrten globalen Warenaustauschs. Mit einem größeren Erkrankungsrisiko für Menschen in Europa rechnet Mediziner Jelinek generell nicht. „Das wird keine Relevanz haben.“ (dpa)