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Rauchfrei - Tag 2Kampf gegen die innere Unruhe

Lesezeit 3 Minuten

Martin Gätke will Nichtraucher werden - wir begleiten ihn dabei

Köln – Als ich die Tür zu meiner Wohnung öffne, muss ich ganz kurz inne halten. Ein säuerlich, leicht süßlicher Duft strömt aus den Zimmern. Der Duft nach kaltem Rauch. Verdammt. Ich dachte zwar, ich hätte genug gelüftet, um dieses Aroma meines alten Lebens verschwinden zu lassen. Scheinbar aber lässt sich die Vergangenheit nicht so einfach austilgen. Nachdem ich meinen ersten Drang mit zwei Sprühstößen aus dem Nikotin-Spray beruhigt habe, mache ich mich also daran, einen alten Hausfrauentrick anzuwenden: Ich hole gemahlenen Kaffee aus dem Schrank, fülle ihn in vier Schälchen und verteile sie überall im Raum. Es funktioniert, zumindest für den Anfang.

Gespart: 34 Zigaretten, 8,56 Euro, 342 mg Teer

Rauchfrei seit: 1 Tag, 17 Stunden

Das Herzinfarkt-Risiko ist gesenkt.

Doch das ist nicht genug. Die Verführung setzt sich im Abendprogramm fort. Wurde schon immer so viel geraucht im Fernsehen? Eigentlich mochte ich die „Neun Pforten“ mit Johnny Depp, aber der Gute qualmt in jeder zweiten Szene. Selbst, wenn er nur in einem der alten Wälzer herumblättert, hat er eine Kippe im Mund. Also schalte ich um. Ich freue mich, den jungen Jean-Paul Belmondo in schwarz-weiß zu finden. Doch es ist ein französischer Gangsterfilm, es sind die frühen 60er Jahre und – die erste Szene, die ich sehe, spielt im Schlafzimmer mit der hübschen Jean Seberg. Es kommt  was kommen musste:  Die beiden rauchen die Pariser Wohnung in Grund und Boden. Ist eine Chesterfield weggeraucht, wird sich die nächste angesteckt. Ein Wunder, dass die Kamera überhaupt noch die beiden Schauspieler zwischen dem Qualm finden kann. Wo ist mein Nikotinspray? Gefrustet schalte ich den Fernseher aus und will schlafen.

Stunde um Stunde vergeht

Doch auch mein Körper scheint sich immer weniger mit meiner neuen Lebensplanung abfinden zu wollen. Statt endlich einzuschlafen, wälze ich mich hin und her. Ich steh auf und tigere durch die Wohnung. Ich fühle mich unwohl, habe Bauchschmerzen, der Kopf brummt. Ich mache mir literweise Tee, blättere mich durch alte Zeitschriften, will mich irgendwie zur Ruhe bringen  - doch die innere Unrast lässt mich nicht müde werden. Stunde um Stunde vergeht, mittlerweile ist es weit nach vier Uhr. Eine Zigarette, nur eine einzige, würde jetzt ausreichen, um diese Quälerei zu beenden. Ich würde sie ausdrücken, mich hinlegen und endlich schlafen.

Direkt in meiner Nähe ist eine Tankstelle, ich könnte mir also problemlos eine Schachtel besorgen. Alte Überlegungen machen sich wieder in meinem Kopf breit. Ich erinnere mich an den Tipp der BZgA bei Entzugssymptomen: „Finden Sie Aktivitäten heraus, die Sie vom Rauchen ablenken.“ Ich ziehe also kurzerhand meinen Mantel an und gehe in die Nacht. Raus aus dem Dunst der Wohnung und der schlechten Gedanken.

Viele haben mir geschrieben, mir Tipps gegeben, mir Mut gemacht. Während ich so durch die Nacht spaziere, denke  ich über die eine oder andere Nachricht nach. Ein Leser berichtet, wie er nach 40 Jahren als Raucher aufhörte und das schon 13 Monate durchhält. Ein anderer schreibt, dass er selbst nach Jahren ohne Zigaretten immer noch den Drang zu Rauchen verspürt, aber trotzdem standhaft bleibt. Wieder eine andere Leserin berichtet, wie schwierig es ist, die Eine nicht zu rauchen, die alle bisherigen Bemühungen zunichte macht. Mir wird in dieser Nacht klar, dass der Weg vom Raucher zum Nichtraucher mehr ist als nur einen inneren Schweinehund zu überwinden.

Es ist ein Ringen mit sich selbst. Ich habe Respekt vor allen, die es geschafft haben. Nach einer halben Stunde Spaziergang und vielen Grübeleien biege ich also nicht in die Tankstelle ein. Es ist kurz nach fünf, ich fühle mich besser. Fast so gut, dass ich Johnny Depp jetzt ohne Probleme beim Blättern und Rauchen zusehen kann.