Das Gehirn ist eine lebenslange Baustelle. Beginnt die Rente, wird auch dort plötzlich deutlich weniger gearbeitet – mit Folgen.
Nach dem Job-EndeWie sich der Beginn der Rente auf das Gehirn auswirkt

Wenn der Job plötzlich wegfällt, wirkt sich das auch auf das Gehirn aus.
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Die Rente beginnt lange vor der Rente – wenn man klug ist. „Jetzt machen wir erst einmal ein halbes Jahr Urlaub, und dann sehen wir weiter“, das ist dagegen ausgesprochen unklug. Rente ist Chance und Risiko zugleich. Chance, weil der Stress des Jobs wegfällt. Risiko, weil auch die Kontakte zu den Arbeitskollegen wegbrechen und die Herausforderungen im Job. Und meist auch eine Arbeit, auf die zukünftige Rentner stolz sind. Die Konsequenz ist allzu oft: Der Geist baut ab.
Denn eine bewundernswerte Eigenschaft des Gehirns kann hier zum Bumerang werden. Das Gehirn kann sich verändern, in jedem Alter. Es ist eine lebenslange Baustelle: Neue Herausforderungen führen zu neuen Verschaltungen, neuen Verbindungen, neuen Fähigkeiten. Bleiben Herausforderungen aus, werden Anforderungen immer kleiner, baut sich das Gehirn umgekehrt ab. Verbindungen werden reduziert.
Und genau dieser Schritt ist die Gefahr eines plötzlichen Jobverlusts. Wird bei der Berentung die alte Arbeit nicht durch neue Herausforderungen ersetzt, bauen sich nicht gebrauchte Fähigkeiten schnell ab. Eine große „Berentungsstudie“ konnte mit mehreren tausend Teilnehmern nachweisen, dass das Wortgedächtnis messbar schlechter wurde (das abstrakte Denken erstaunlicherweise nicht). Begann die Rente früh und gegen den Willen des Betroffenen – etwa durch Krankheit oder Entlassung – war der Absturz drastischer.
Umbau des Gehirns bei Frauen weniger drastisch
Bei Frauen ist der Umbau zumeist weniger drastisch. Die Erklärung ist – vermutlich – ganz einfach und zeigt auch, was man gegen den geistigen Abbau tun sollte: Frauen halten zumeist konsequenter Kontakte zu Anderen als Männer. Genau das aber scheint wichtig: Nicht die Arbeit selbst und dann der Verlust des Jobs scheint das Entscheidende, sondern der tägliche Umgang mit Kolleginnen und Kollegen – am Schreibtisch, am Telefon, in der Kaffeeküche.
Diese Gespräche fallen von einem Tag auf den anderen ersatzlos weg. Entsprechend muss für Ersatz gesorgt werden: Neue Kontakte, neue Aktivitäten, neue Gruppen müssen die Kollegen am Arbeitsplatz ersetzen. Und nicht erst ein halbes Jahr nach der Berentung.
Schon früh mit dem sozialen Umbau beginnen
Wer klug ist, beginnt diesen sozialen Umbau schon Jahre vorher. Nicht selten ist es ja so, dass der Stress der Arbeitsbelastung zum Ende hin abnimmt. Dass mehr Zeit zur Verfügung steht. Dass die Betroffenen fast nahtlos vom Berufs- ins Privatleben gleiten könnten. Wenn sie wollten.
Was genau kann man tun? Die Möglichkeiten sind größer als jemals zuvor: vom Kochen zum Wandern, vom Sportabzeichen bis zum Reisen. Auch Alleinstehende können mit entsprechenden Angeboten verreisen. Koch- und Wandergruppen nehmen Einzelpersonen auf, wenn der Partner nicht mehr da ist oder schlicht keine Lust hat. Der Königsweg: ein Seniorenstudium. Entsprechende Angebote gibt es bei fast allen Unis. Entscheidend ist, Dinge gemeinsam zu tun. Fernseher oder PC können persönliche Kontakte nicht ersetzen. Neue Menschen kennenzulernen, ist wünschenswert. Der erste Schritt ist mühsam, alle weiteren gehen von ganz allein.