Experten rechnen damit, dass es bald auch in Deutschland vereinzelt Ansteckungen mit dem Denguefieber geben wird. Entlang des Rheins gibt es bereits etablierte Mückenpopulationen.
Rheinland bereits betroffen?Denguevirus-Fallzahlen steigen weltweit dramatisch an
„Ich habe das Denguefieber!“ Der Tropenmediziner Prof. Tomas Jelinek erinnert sich noch gut an jene Frau, die im Jahr 2013 in seinem Sprechzimmer erschien und diesen Satz mit großer Bestimmtheit sagte. Die Lehrerin war gerade vom Urlaub an der Côte d’Azur zurückgekehrt und litt an auffälligen Schmerzen. Da sie zuvor über die Tropenkrankheit gelesen hatte, war sie sicher, dass ihre Beschwerden daher kamen. „Ich muss zugeben, dass ich ihr nicht geglaubt habe“, sagt Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des CRM Centrum für Reisemedizin in Düsseldorf. Damals hielt er es für kaum denkbar, dass sich jemand in Südfrankreich infiziert hatte. Ein Test zeigte aber: Die Frau hatte recht. Heute würde Jelinek anders reagieren. Inzwischen lassen sich Denguevirusübertragungen in Europa nicht ausschließen. Kürzlich wurde sogar über Infektionen am Gardasee berichtet.
Prof. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin sieht aber keinen Grund zur Panik. „Die Meldungen aus Italien haben uns nicht überrascht“, sagt der Arzt und Virologe aus Hamburg. „Solche Fälle sehen wir fast jedes Jahr.“ Seit 2010 hat es in Kroatien, Frankreich und Spanien sogenannte autochthone Übertragungen gegeben. Damit ist gemeint, dass sich Menschen vor Ort angesteckt haben. Normalerweise infiziert man sich bei Fernreisen: Vor allem in Südostasien ist das Infektionsrisiko hoch.
Asiatische Tigermücke breitet sich am Rhein aus
Die Krankheit wird von Stechmücken der Gattung „Aedes“ übertragen, ein altgriechisches Wort für „widerlich“. Vor allem die Gelbfiebermücke und die Asiatische Tigermücke können das Denguevirus weitergeben, wenn sie stechen. Beide stammen aus den Tropen. Infolge von Klimawandel und Globalisierung konnte die Asiatische Tigermücke inzwischen im Mittelmeerraum Fuß fassen und breitet sich auch in Deutschland aus. „Vor allem am Rhein, ungefähr von Freiburg bis Frankfurt, gibt es etablierte Populationen“, sagt Schmidt-Chanasit. Er rechnet daher fest damit, dass es in absehbarer Zeit auch hierzulande autochthone Denguevirusinfektionen geben wird. Dazu kann es kommen, wenn kranke Reiserückkehrerinnen und -rückkehrer von Tigermücken gestochen werden, die das Virus dann weitertragen. „Im Spätsommer wird es lokale Fälle geben, ähnlich wie jetzt in Italien“, sagt der Virologe. „Es wird aber bei wenigen Einzelfällen bleiben.“ Jelinek schätzt die Lage ähnlich ein.
Man kann davon ausgehen, dass Infektionen oft gar nicht erkannt werden. Die meisten Menschen entwickeln nämlich keine Symptome. Kommt es zu Beschwerden, sind diese wenig spezifisch und können mit anderen fieberhaften Infekten verwechselt werden. „Die Patienten haben Schmerzen, vor allem Gliederschmerzen“, sagt Jelinek. „Wenn man sich bewegt, hat man das Gefühl, dass alles weh tut.“ Daher wird Dengue auch „Knochenbrecherkrankheit“ genannt. Manchmal kommt ein Ausschlag hinzu, der einem Sonnenbrand ähnelt. Die meisten Menschen erholen sich innerhalb von etwa einer Woche. In rund einem Prozent der Fälle verläuft die Krankheit schwer: Dann kommt es zu Unruhe, Bauchschmerzen, andauerndem Erbrechen und Blutungen an Haut und Schleimhäuten, mitunter gefolgt von einem lebensgefährlichen Schock. „Sobald Blutungen einsetzen, ist das ein Alarmzeichen, das eine Krankenhauseinweisung nötig macht“, sagt Jelinek.
Denguefieber: Virus trickst das Immunsystem aus
In der Regel erkranken aber nur Menschen, die schon einmal mit dem Denguevirus infiziert waren, so schwer. Es gibt nämlich vier Serotypen des Virus. Lebenslang immun ist man nur gegen den Serotyp, mit dem man sich angesteckt hat. „Die Antikörper passen genau auf diesen Erreger“, sagt der Tropenmediziner. Infiziert man sich aber mit einem anderen Serotyp, gelingt es den Antikörpern nicht, diesen zu neutralisieren, sondern erleichtern ihm sogar das Eindringen in die Zellen. „Dadurch gerät das Immunsystem in eine Krise“, erklärt der Experte.
Eine spezifische Therapie gibt es nicht. Die Behandlung zielt nur darauf ab, die Symptome zu lindern – was aber reicht, um auch schwer erkrankte Menschen meist retten zu können.
Impfung schützt vor Krankenhausaufenthalt
In Deutschland werden jährlich um die tausend Fälle bei Reisenden registriert. Ein Großteil entfällt dabei laut CRM auf Rückkehrende aus Südostasien – demnach fand fast jede dritte Infektion in Thailand statt. Selbst wenn die Dunkelziffer höher sein dürfte, ist Dengue hierzulande weiter eine extrem seltene Krankheit. In weiten Teilen der Erde sieht das anders aus. Der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge hat die Inzidenz in den vergangenen Jahren weltweit dramatisch zugenommen. Die Zahl der Fälle, die der Organisation gemeldet wurden, kletterte von rund 500.000 im Jahr 2000 auf 5,2 Millionen im Jahr 2019. Die Krankheit ist mittlerweile in über 100 Ländern der Erde endemisch, das heißt, dass sie fortwährend auftritt. Dazu gehören jetzt auch Regionen wie die Insel Madeira. Damit leben laut WHO etwa vier Milliarden Menschen in Denguerisikogebieten, von denen sich schätzungsweise bis zu 400 Millionen pro Jahr infizieren.
„Die Gründe für die starke Zunahme sind vielfältig“, sagt Schmidt-Chanasit. Zum einen führt der Reiseverkehr dazu, dass sich Viren und Stechmückenarten ausbreiten können. Zum anderen spielt der Klimawandel eine Rolle. „Höhere Temperaturen sorgen dafür, dass sich Gelbfieber- und Tigermücke besser und schneller vermehren können“, sagt der Forscher. „Außerdem kann sich auch das Virus in der Stechmücke schneller vermehren.“ Auch rasch wachsende Städte mit Armutsvierteln begünstigen die Ausbreitung: Offene Wasserbehälter, aber auch Müll, in dem sich Regen sammelt, bieten den Stechmücken ideale Brutbedingungen.
Stiko arbeitet an Impfempfehlung
Wer sich in einem Denguerisikogebiet aufhält, sollte auf konsequenten Mückenschutz achten – etwa durch Moskitonetze, bedeckende Kleidung und Insektenabwehrmittel. Außerdem gibt es zwei Impfstoffe, von denen aber nur einer für Reisende infrage kommt. Derzeit arbeite die Ständige Impfkommission (Stiko) an einer Impfempfehlung, berichtet Schmidt-Chanasit. Klar ist jetzt schon, dass die Impfung für Menschen sinnvoll ist, bei denen bereits eine Denguevirusinfektion festgestellt wurde und die wieder eine Reise in ein Risikogebiet planen. „Die haben höchste Priorität, ansonsten gibt es unterschiedliche Positionen“, sagt er. Jelinek zum Beispiel empfiehlt die Impfung allen, die in Länder mit hohem Denguerisiko fahren. Dazu gehören unter anderem Brasilien, Guatemala, Kolumbien, Bangladesch, Thailand, Vietnam und die Philippinen. „Die Impfung ist nicht perfekt, schützt aber sehr gut vor einem Krankenhausaufenthalt“, sagt Jelinek.
Tipps für Reisende
Information: Wer eine Reise plant, sollte sich über Gesundheitsrisiken vor Ort informieren. In manchen Fällen kommt eine Dengueimpfung infrage. Ansonsten kann es sinnvoll sein, sich eine Schutzausrüstung (z.B. spezielle Outdoorkleidung) zuzulegen.
Stechmückenabwehr: Langärmelige Hemden und lange Hosen schützen vor Insektenstichen. Auch ein Hut, eventuell mit Mückennetz, kann helfen. Nachts hält ein Moskitonetz Mücken fern. Allerdings sind Asiatische Tiger- und Gelbfiebermücken tagaktiv. Hotelzimmer sollten am besten mit Fliegenschutzgittern und Klimaanlagen ausgestattet sein. In klimatisierten Räumen fühlen sich Stechbiester oft nicht wohl. Zuverlässige Antimückensprays sind unerlässlich.
Arztbesuch: Wer sich in einem Denguegebiet viele Mückenstiche eingehandelt hat, sollte sich beobachten. Bei hohem Fieber, eventuell begleitet von einem Ausschlag, sollte man auf jeden Fall zum Arzt gehen. Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass man in einem Risikogebiet war. Gegen Schmerzen sollte man vorsichtshalber weder Aspirin noch Ibuprofen nehmen, da die Mittel im Fall einer Infektion Blutungen verschlimmern könnten. Paracetamol ist in dieser Hinsicht unproblematisch.