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15-Jähriger gestorbenSo steht es um Scharlach und Arzneimittelmangel in Köln

Lesezeit 4 Minuten
Eine Mutter misst Fieber bei ihrem kranken Sohn.

Es gibt zwei Varianten einer Scharlach-Infektion: die milde und die ernst zu nehmende.

Ein 15-Jähriger in Münster ist womöglich an den Folgen einer Scharlach-Infektion gestorben. Wie ist die Lage in Köln?

Vor wenigen Tagen sorgte eine traurige Nachricht aus Münster für Aufsehen bei Kinderärzten und Eltern: Ein 15-jähriger Junge ist womöglich an den Folgen einer Scharlach-Erkrankung gestorben. Grund dafür seien mangelnde Testmöglichkeiten und Lieferengpässe bei Kinderarzneimitteln, wie zum Beispiel Penizillin, was vordergründig zur Behandlung von Scharlach eingesetzt wird. Im Münsterland seien nach Angaben des Sprechers des örtlichen Kinder- und Jugendärztenetzes derzeit rund 30 Prozent aller Diagnosen auf die Streptokokken-Infektion zurückzuführen. Wie stellt sich die Situation in Köln und dem Rheinland dar?

Axel Gerschlauer, Landessprecher Nordrhein des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, gibt Entwarnung: „Wir haben aktuell zwar mehr Scharlach- oder Scharlachverdachts-Fälle als im Jahr davor, aber immer noch weniger als vor Corona. Es braucht sich niemand Sorgen zu machen.“ Dies liege vor allem daran, dass man die meisten Scharlach-Erkrankungen zu den atypischen Fällen zählen könne. „Die milde Scharlach-Variante ist viel, viel häufiger als der echte Scharlach und muss nicht antibiotisch behandelt werden“, so Gerschlauer.

Scharlach bei Kindern: Behandlung nicht zwingend notwendig

Weiter betont er, dass es sich dabei nicht etwa um eine Einzelmeinung handele, sondern sogar um die Leitlinie, also die systematisch entwickelte Empfehlung, die als Grundlage für die Entscheidung von Ärzten herangezogen wird. Die häufig auftretende milde Variante müsse nach Angaben des Kinderarztes auch nicht frühzeitig erkannt werden, die Kinder seien lediglich „normal krank, wie bei einer Erkältung“. In der Regel geht eine solche Scharlach-Erkrankung mit einer Mandelentzündung und Hautausschlag einher. „Wenn Kinder in einem guten Allgemeinzustand sind, muss man das nicht behandeln. Die Streptokokken-Infektionen sind über die Jahrzehnte harmloser geworden und die Kinder gesünder“, so der Sprecher der Kinder- und Jugendärzte. Darüber hinaus „gibt keinen Beweis, dass es bei einer antibiotischen Behandlung weniger Komplikationen gibt, als ohne“, führt er aus.

Axel Gerschlauer, Niedergelassener Kinderarzt in Bonn.

Axel Gerschlauer, Niedergelassener Kinderarzt in Bonn.

Die echte Variante des Scharlach erkennen Eltern daran, dass neben klassischen Symptomen, wie Hautausschlag, einer Mandelentzündung oder der himbeerrot gefärbten Zunge auch hohes Fieber auftritt und die Kinder richtig flach liegen. Dann könne eine Behandlung mit Antibiotikum erforderlich sein und Eltern sollten mit ihrem Kind einen Arzt aufsuchen. Nach Angaben von Axel Gerschlauer gebe es auch problemlos Alternativen zu Penizillin, sollte dieses nicht erhältlich sein. „Eltern brauchen also keine Angst zu haben.“ Dass es überhaupt zu Lieferengpässen von Arzneimitteln gekommen ist, nennt der Kinder- und Jugendarzt eine „politische Katastrophe“. In europäischen Nachbarländern seien sämtliche Medikamente erhältlich, in Deutschland herrsche dagegen akuter Mangel.

Das bestätigt auch Thomas Preis. Der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein berichtet von einer kürzlich durchgeführten Befragung von mehr als 400 Apotheken im Verbandsgebiet: „Jedes zweite Rezept ist von Lieferengpässen betroffen.“ Dies gelte für verschiedene Medikamente und betrifft Patientinnen und Patienten aus allen Altersklassen. „Besonders eklatant“ sei der Mangel aber bei Kinderarzneimitteln. „Je jünger die Kinder sind, desto wichtiger ist eine Arzneiform, die leicht einzunehmen ist, wie zum Beispiel Säfte. Diese sind aber fast gar nicht mehr zu bekommen“, so Preis.

Porträt von Thomas Preis, Chef des Apotheker-Verbandes Köln und Nordrhein.

Thomas Preis, Chef des Apothekerverbandes Nordrhein.

In vielen Fällen könne auf andere Mittel ausgewichen werden, denn gänzlich ohne Antibiotika stünde man nicht da. „Besser die B-Lösung als gar keine Lösung“, sagt der Kölner Apotheker. Problematisch sei allerdings, dass auch die Alternativen langsam ausgehen. Deswegen empfiehlt der Vorsitzende des Apothekerverbands auf Tabletten auszuweichen, wenn die Kinder alt genug und in der Lage sind, diese zu schlucken. Bei Erkrankungen, die mit Antibiotika behandelt werden müssen, sei es wichtig, sofort mit der Medikation anzusetzen. „Fragen Sie konsequent beim Arzt oder Apotheker nach, welche Alternativen sich anbieten“, empfiehlt Preis. Apotheken können notfalls auch Medikamente selbst herstellen. Das sei aber aufwendig und bei derzeitiger Arbeitsbelastung kaum zu stemmen. „Apotheken leiden an einem eklatanten Fachkräftemangel.“

Sogenannte Streptokokken-Infektionen werden durch Bakterien verursacht und treten vor allem im Kindesalter zwischen vier und sieben Jahren auf. Sie sind weltweit verbreitet und gehören zu den häufigsten bakteriellen Infektionen im Kindesalter. Vor allem Erkrankungen des Rachens und der Haut werden dadurch ausgelöst, aber auch Fieber, Schüttelfrost und Bauchbeschwerden treten häufig auf. Die Bakterien lassen sich im Regelfall gut mit Antibiotika behandeln. Leider kommt es immer wieder zu Lieferengpässen von Medikamenten. Bereits im vergangenen Jahr gab es in Köln und ganz Deutschland über mehrere Wochen Lieferschwierigkeiten zum Beispiel bei Fiebersäften für Kinder.