Im Interview erklärt Ingo Froböse von der Kölner Sporthochschule, mit welchen Tricks man im Winter motiviert bleibt, nicht auf der Couch zu versacken und welche Form der Bewegung in der kalten Jahreszeit wichtig ist.
Kölner Sportprofessor Froböse„Mein Schweinehund heißt Günter und ich habe ihn dressiert“
Herr Froböse, wenn die Tage immer kürzer und kälter werden und es morgens beim Aufstehen und nach Feierabend dunkel ist, fällt es mir wahnsinnig schwer, Disziplin für Sport aufzubringen. Bin ich mit dem Problem allein?
Nein. Die meisten Menschen haben im Winter viele Ausreden, die durch Wetter, Kälte, Wind und Regen bestimmt werden. In der Tat sind die Tage kürzer. Das heißt, dass Sport treiben im Freien nur sehr komprimiert stattfinden kann. Es sei denn, man sucht sich Alternativen, die es natürlich gibt. Alles aufs Wetter zu schieben, reicht nicht aus.
Wie lässt sich der sogenannte innere Schweinehund eigentlich wissenschaftlich fassen?
Wir sind genetisch nicht dazu prädestiniert, Kalorien zu verbrauchen, sondern Kalorien zu sparen. Das merken wir alle in den Wintermonaten. Deswegen ist die Couch so magnetisch, weil wir eben nicht joggen sollen. Das will der Körper nicht, das will nur unser Kopf und dementsprechend heißt das: Wir haben einen inneren Feind, den Energiesparmodus unseres Körpers.
Hat dieser Schweinehund auch etwas mit Selbstdisziplin zu tun?
Ja, der Kopf ist ganz entscheidend. Den müssen wir mitnehmen, gewinnen oder sogar begeistern für das, was er dann tun sollte, nämlich Sport treiben. Darum sind Spitzensportler sehr disziplinierte Menschen. Ich bin auch sehr diszipliniert und berücksichtige meine Sportzeiten in meinem Kalender. Ich halte es für sehr bedeutsam, dass man dem Sport Raum gibt, genau wie dem Zähneputzen, dem Mittagessen oder dem Abendessen.
Wie geht man das praktisch an, dem Sport mehr Raum zu geben? Welche Tricks oder Maßnahmen helfen?
Erstmal ist es ganz wichtig, dass man immer mit Begeisterung Sport treibt. Man sollte das Gefühl haben: Das hat mir viel gebracht, das war echt schön. Das machen die meisten schon falsch. Sie überziehen, machen zu viel und fallen danach auf die Couch mit dem Gefühl: Boah, war das wieder anstrengend. Dann war es aber kein schönes Erlebnis. Subjektive Unterforderung ist eine der Leitlinien, um Spaß und Begeisterung beizubehalten. Zweiter Tipp: Reden Sie drüber. Reden Sie mit Freunden und der Familie darüber, was Sie jetzt für aktives Leben beginnen und wie es Ihnen in den Wintermonaten gelingen wird, dabei zu bleiben. Dann werden sie nämlich gefragt und dann ist es peinlich, wenn man nicht weitermacht. Kleine Ziele setzen, das wäre mein dritter Tipp. Ziele, die innerhalb von vier bis sechs Wochen machbar sind. Denn danach kommt der Schweinehund wieder in Spiel, man verliert die Motivation weiterzumachen. Vierter Tipp: Verabreden Sie sich, um gemeinsam Sport treiben. So motiviert man sich gegenseitig.
Ist es okay, im Winter weniger Sport zu machen als im Sommer?
Ja. Sport darf niemals zusätzlicher Stress werden. Wir haben eh alle schon genug zu tun. Aber man sollte Sport ritualisieren, um Routine reinzubekommen. Wenn es dann mal nicht klappt, ist es nicht schlimm.
Im Sommer fährt man mit dem Rad zur Arbeit, im Winter steigt man auf Auto oder Bahn um. Ein Fehler?
Definitiv. Wir haben ja nur drei Möglichkeiten, Bewegung und körperliche Aktivität zu sammeln: Das ist im Alltag, wenn wir die Treppe nehmen oder Wege zurücklegen und uns nicht ärgern, wenn das Auto mal ein paar Meter weiter weggestellt werden muss. Der zweite Faktor ist der Transport. Wenn der inaktiv, also in Bahn oder Auto stattfindet, bleibt nur noch die Freizeit, wo ich das alles nachholen muss.
Was passiert eigentlich, wenn man sich im Winter gar nicht bewegt?
Wenn wir körperlich aktiv sind, tut sich etwas Positives. Genauso kann sich der Körper leider auch negativ entwickeln. Was wir erarbeitet haben, bleibt nicht lange erhalten. Unsere Leistungsfähigkeit verschwindet. Dann merken wir, dass wir im Frühjahr wieder ruhiger anfangen müssen. Gelenke, Muskeln und Bänder sind nicht mehr so belastbar. Wir verlieren also etwas, und das ist blöd. Deswegen sollte man versuchen, im Winter ein bisschen Disziplin beizubehalten. Zwei Dinge sind wichtig: Muskeltraining, was auch zuhause auf dem Flokati wunderbar mit dem eigenen Körpergewicht geht. Und man sollte ein bisschen Ausdauertraining machen, da reicht schon Spazieren. Atem und Herzfrequenz regelmäßig zu erhöhen, ersetzt vieles.
Man kann also nicht darauf hoffen, dass der Körper im Frühjahr noch ungefähr der alte ist?
Nein, das merken wir spätestens auf der Waage. Die zeigt uns spätestens ab Weihnachten an, dass das nicht mehr der alte Körper ist.
Wie steht es um die Psyche, wenn man keinen Sport treibt?
Viele kennen den Winterblues. Man wird träger und fauler, depressive Verstimmungen sind nicht selten. Körperliche Aktivität wirkt positiv auf hormonelle Prozesse ein. Glückshormone werden ausgeschüttet. Gerade in den Adventstagen ist es bedeutsam, dass ich ausgeglichener werde. Wir rennen dann alle rum, dazu kommen die Krisen, dann noch die Dunkelheit, das macht keine Freude. Da können Sport und körperliche Aktivität helfen, die Laune zurückzubringen.
Viele dürften das Gefühl kennen: Wenn man sich einmal überwunden hat, ist es toll. Und man fragt sich: Wo war eigentlich das Problem gestern und vorgestern?
Ich bereite deshalb nach meiner Laufeinheit abends alles wieder so vor, dass ich am nächsten Abend gar kein Problem habe, sofort wieder in die Schuhe zu steigen. Die Sporttasche sollte sofort nach dem Sport wieder gepackt werden. Denn sitze ich einmal auf der Couch, hat sie mich am Wickel – und dann habe ich ein Problem. Insofern setze ich mich gar nicht, sondern komme nach Hause, zieh mich sofort um und schon geht’s raus. Ich würde allen empfehlen, sich in den Wintermonaten barrierefreie sportliche Aktivitäten auszusuchen, damit eben die Hindernisse nicht so groß werden. Für die meisten Menschen ist der stramme Spaziergang ausreichend, um ein bisschen was zu von dem zu behalten, was im Sommer an Form vorhanden war. Und anschließend ein paar Dehnübungen: ein bisschen Kreisen der Arme, bisschen Kreisen der Hüfte. Die großen Gelenke dürfen nicht einrosten. Das kann man überall machen – und auch im Kostümchen. Hauptsache, wir tun es.
Man kann den Schweinehund also dressieren?
Ja, das ist das Wichtigste. Meiner heißt übrigens Günter. Ich habe den dressiert, der hört auf mich. Manchmal ist er der Dominante, aber die meiste Zeit weiß er, dass ich der Chef bin.
Warum Günter?
In der Nachbarschaft in meinem Heimatort war früher einer, der immer griesgrämig war. Der hieß Günter.