Statt AusdauerWas bringt das Intervall-Training HIT?

Nicht immer mit derselben Intensität: Das Lauftraining ist effektiver, wenn die Belastung zwischendurch auch immer mal wieder deutlich gesteigert wird.
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Köln – Viele Ausdauersportler kennen das Problem: Sie gehen regelmäßig zum Laufen in den Wald oder fahren mit dem Fahrrad Kilometer um Kilometer, doch die Leistung lässt sich nicht mehr steigern. Menschen, die sich nur bewegen und frische Luft tanken wollen, können damit gut leben. Aber wer ehrgeizig ist, kann schnell die Lust verlieren. Doch es gibt ein Modell, das Abhilfe schaffen kann: polarisiertes Training, eine Kombination aus langen Grundlagenausdauereinheiten und intensiven Intervallphasen.
Hochintensive Übungseinheiten einzubauen
Das Problem sei, dass 80 Prozent der Leute ausschließlich lange Grundlagenläufe machten, sagt Patrick Wahl von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Mit einem hochvolumigen, aber niedrigintensiven Training, von der Fachwelt High Volume Training (HVT) genannt, lasse sich zumindest bei gut trainierten Sportlern die Leistung irgendwann nicht mehr steigern, erklärt der Leiter der Ausdauerdiagnostik und Belastungsforschung. Besser sei es daher, auch hochintensive Übungseinheiten einzubauen, also ein High Intensity Training (HIT) zu wählen.
Der Mischung aus leichten und harten Einheiten gab der amerikanische Sportwissenschaftler Carl Foster den Namen Polarized Training. Es ist das Gegenmodell zu dem häufig propagierten Motto „Laufen ohne zu schnaufen“, also nur so zu trainieren, dass man sich nebenher gemütlich unterhalten kann. Prof. Andreas Nieß, Ärztlicher Direktor der Sportmedizin an der Universität Tübingen, sieht im polarisierten Training die Idealform.
Einheiten à 30 Sekunden
Wahl verweist zwar auf die Studie von Forschern um Martin Gibala von der McMaster-Universität in Ontario, die Radsportler in zwei Gruppen aufteilte: Die eine absolvierte in einem Zeitraum von zwei Wochen sechs Trainingsfahrten über 90 bis 120 Minuten, die nur bei etwa 65 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme lagen. Mit maximaler Sauerstoffaufnahme ist die Menge Sauerstoff aus der Atemluft gemeint, die der Körper unter größter Belastung höchstens verwerten kann. Die andere bestritt an den sechs Tagen vier bis sechs hochintensive Einheiten à 30 Sekunden, in denen die Sportler alles aus sich herausholten. Ergebnis: Die physiologischen Anpassungsprozesse waren praktisch gleich, die Leistungssteigerung fast identisch.
„Das soll nicht heißen, dass das eine Training durch das andere zu ersetzen ist“, betont Wahl aber. Die Studie sei auch nur über zwei Wochen gelaufen. Stattdessen plädiert er genauso wie Nieß dafür, HVT- mit HIT-Phasen zu kombinieren. Topathleten würden heutzutage etwa 70 Prozent ihres Trainings im niedrigintensiven (HVT) und rund 20 Prozent im hochintensiven Bereich (HIT) bestreiten, erklärt Wahl. Nur 10 Prozent entfielen auf das Training mit mittlerer Intensität.
Grundlageneinheiten und intensive Einheiten
Haben ambitionierte Hobbyläufer ausreichend Zeit, empfiehlt Wahl ein Pensum mit drei langen Grundlageneinheiten über 60 bis 90 Minuten pro Woche sowie zwei intensiven Einheiten: viermal vier Minuten Laufen bei 90 bis 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz, die Pausen dazwischen sollten jeweils drei Minuten dauern. Mit Herzfrequenz ist die Anzahl der Herzschläge pro Minute gemeint. Bei maximaler Belastung durch Sport beträgt diese theoretisch 220 minus Lebensalter. Ist das Zeitbudget begrenzter, kann es eine Kombination von zwei Grundlagen- und einer intensiven Intervalleinheit sein.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, für wen das polarisierte Training geeignet ist, und wer lieber beim Ausdauersport bleiben sollte.
Nieß warnt aber davor, als Neueinsteiger oder im Fall von Vorerkrankungen direkt mit dem polarisierten Training loszulegen. „Da würde ich erstmal die Dauermethode empfehlen. Dabei spielen auch Dinge wie die Anpassung des Bewegungsapparats eine Rolle, also Sehnen, Bänder, Muskulatur, Knochen“, erklärt der Sportmediziner. Ohnehin sollte man bei hohen sportlichen Belastungen zuvor den Arzt konsultieren. „Ich würde nur HIT-Einheiten empfehlen, wenn jemand eine medizinische Voruntersuchung gemacht hat.
Allerdings sei nachgewiesen, dass mit intensivem Intervalltraining die gleichen oder teilweise besseren Effekte beim Zuckerstoffwechsel der bei den Blutfettwerten erzielt werden können als mit langen Ausdauereinheiten, erklärt Nieß. „Das hat dazu geführt, dass man auch in der Rehabilitation oder Prävention Intervalltrainings eingeführt hat, zum Beispiel bei Patienten mit dem metabolischen Syndrom oder einer chronischen Herzinsuffizienz.“
Kurze HIT-Elemente sparen Zeit
Im Leistungssport ist polarisiertes Training auf jeden Fall gang und gäbe. Der Triathlon-Trainer Holger Lüning sieht darin besonders ein Konzept für Sportler, die sich im Wettkampf messen und ihre Leistung kontinuierlich verbessern wollen. „Die Qualität des Trainings steigt und gibt dem Athleten die Chance, sehr gezielt an den Fähigkeiten zu arbeiten, die tatsächlich im Wettkampf gefordert sind“, sagt der Buchautor aus Obertshausen (Hessen). Zudem könne eine Stagnation verhindert oder aufgebrochen werden. „Das polarisierte Training ist für Hobby- wie auch für Leistungssportler geeignet“, sagt Wahl.
Nieß weist darauf hin, dass kurze HIT-Elemente schlicht Zeit sparten, die für anderes, etwa Techniktraining, frei werde. Wolle man aber die allgemeine Belastbarkeit erhöhen, um etwa einen Marathon zu laufen, dann gehe es nicht ohne große Umfänge, ergänzt er. „Das kann man nicht allein mit HIT machen, sonst ist man schnell im Übertraining.“ (dpa/tmn)